Bauwerk

Rathaus Waidhofen - Umbau
Ernst Beneder - Waidhofen an der Ybbs (A) - 1995
Rathaus Waidhofen - Umbau, Foto: Margherita Spiluttini
Rathaus Waidhofen - Umbau, Foto: Margherita Spiluttini

«Das offene Rathaus»

1. September 2006 - ORTE
Die langgezogenen öffentlichen Räume des oberen und unteren Stadtplatzes prägen den mittelalterlichen Kern der Stadt. Am oberen Ende des Freisinger Bergs, der verbindenden Gasse, steht der hohe Stadtturm, Teil des ältesten Befestigungsgürtels. Daneben schließt mit einer « Reiche» das Rathaus an, ein Gebäudekonglomerat, dessen Ursprünge in die Zeit der Stadtgründung reichen, das aber alle paar Jahrzehnte Zusätze und Veränderungen erfahren hat. Auf Basis der bauhistorischen Analyse legt das architektonische Konzept eine neue Spur ins Vorhandene. Sie vermittelt dem Rathaus eine ganzheitliche zeitgenössische Identität, kommuniziert aber weiterhin mit sämtlichen Phasen seiner wechselvollen Geschichte. Dabei war das ehemalige Gasthaus «Zum roten Krebs » keineswegs ein Kleinod. Ursprünglich bestand es aus zwei benachbarten Häusern, die mit den Jahrhunderten unter ein gemeinsames Dach gerieten. An der Rückseite wucherten in mehreren Schüben die Zubauten. Erst seit 1922 als Rathaus genutzt, enthielt es jedoch einige potentiell wertvolle Räume, die es zu gewichten galt. Mit dem Stichwort «offenes Rathaus» gab der Architekt dem Sanierungsunternehmen ein ideelles wie gestalterisches Programm. Mit einer neugeregelten Erschließung machte er das Gebäude übersichtlich – für eine bürgernahe Verwaltung ein großes Plus. Die gewölbte Halle im Erdgeschoß wertete er zum Hochzeitszimmer auf, wahrte aber die positive Erinnerung an die ehemalige Gaststube. Mit der Freilegung der gesamten geschnitzten Tramdecke im darüberliegenden Raum gewann das Rathaus ein würdiges «großes» Sitzungszimmer. Der restaurierte ehemalige Theatersaal im zweiten Obergeschoß dient nun als angemessener Ort für die Beratungen der demokratischen Organe der Stadt. Zuoberst unter dem Dach entstand ein Mehrzwecksaal, der unter anderem zur Durchführung von Bürgerbeteiligungsverfahren gedacht ist. Von hier aus zielt manch schöner Ausblick auf Dächer, Zinnen und Türme der Stadt. Im vorderen Gebäudeteil war das Treppenproblem nur mit einem Befreiungsschlag zu lösen, denn das gesamte Haus hing zuvor an einem engen Schluf. Ein Glück, dass nie bei Theaterbetrieb ein Panikfall eingetreten ist. Der Aufgang ins Obergeschoß kommt dem Besucher, aus den Gebäudeachsen leicht herausgedreht, einladend entgegen. Die Entfernung der Gewölbedecke über dem Hausgang brachte Licht ins bisher finstere Hausinnere hinunter. Der neue Lift, der hinter gläsernen Schachtwänden zwischen die Leimholzbinder einer räumlichen Fachwerkkonstruktion ins Dach hinauffährt, transportiert im Gegenzug Transparenz nach unten. Im hinteren Gebäudeteil, wo ein Arkadenhof aus schwerfälligen Stützen der vierziger Jahre die Witterung bis ins Erdgeschoß eindringen ließ, wurde mit einem über dem Hof montierten gläsernen Pultdach die Klimagrenze gehoben. Dies wertet die Büros stimmungsmäßig auf, weil sie nun leichter und lichtdurchlässiger gebaut werden konnten. Sie gewannen einen modernen und freundlich- hellen Ausdruck, was man sich bei einer zeitgenössischen Verwaltung am ehesten wünscht. (Text: Walter Zschokke)

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Für den Beitrag verantwortlich: ORTE architekturnetzwerk niederösterreich

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