Bauwerk

Gemeindehaus Raggal
Johannes Kaufmann Architektur - Raggal (A) - 2006
Gemeindehaus Raggal, Pressebild: Lukas Schaller

Nominierung zum Österreichischen Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2010

27. Mai 2010 - newroom
Die ortsräumliche und architektonische Qualität des Gemeindehauses stammt aus zwei Grundfaktoren: Zum einen sind Stellung, Höhe, Volumen und Orientierung das Ergebnis einer ebenso sorgfältigen wie kreativen Interpretation der lokalen Umgebung. Zu anderen verdichtet das innere Raumkonzept die an sich sporadischen, dispersen Nutzungsweisen des Gebäudes in eine ungewöhnliche, überzeugende Synergie. Darüberhinaus – in Vorarlberg fast schon selbstverständlich – zeigt die tektonische Struktur von der Dachkonstruktion bis ins kleinste Detail die maßgeschneiderte Umsetzung lokaler Holz-Ressourcen. Der Neubau ist grundrisslich größer als alle anderen Bauten im Ortskern, passt dennoch perfekt in dessen Körnigkeit und Maßstäblichkeit. Er ist so komponiert, so in den Abhang hinausgesetzt, dass vom nahen, etwas höher gelegenen Kirchplatz die Aussicht nach Nordwesten zu den Bergspitzen am Schluss des Walsertales nicht verstellt ist; auch zum westlichen Nachbarhaus ist die Proportionalität gegeben. Die Dachform – ein asymmetrisch „verzogenes“ Pultdach – resultiert aus diesen äußeren Sichtfeldern und zugleich aus der inneren Staffelung der Etagen mit dem zuoberst eingepassten Sitzungssaal, der sich mit einem Panoramafenster bewusst nach Westen, aus „dem Tal hinaus“ wendet, Sicht bis zu den Schweizer Bergen bietet. Vom kleinen Vorplatz an der Straße betritt man einen großzügiges, zweigeschossigen „Foyer“, das Einblicke und Zugang links ins Tourismusbüro, rechts ins Gemeindesekretariat bietet, und von da setzt sich der lichte Mittelgang fort bis zur „Stube“ am Ostende, die – auch das bewusst – ein Nordfenster ins Tal hinunter hat. Neben der schlichten, doch brisanten äußeren Figur ist es der auf kleinstem Raum reichhaltige, ungezwungen nach allen Seiten differenzierte innere Charakter, der das neue Zentrum der 700 Einwohner:innen zählenden Tourismusgemeinde auszeichnet.


Nachhaltigkeit:
Das Gemeindehaus Raggal besticht durch die konsequente Verwendung von regionalen Ressourcen für Bau und Betrieb. Das Haus entspricht beinahe dem Passivhausstandard und wurde aus Passivhauskomponenten errichtet. Die verbleibende Restwärme wird zum Großteil mit regionaler Biomasse (Waldhackgut) gedeckt.

Besonders positiv hervorzuheben ist die Umsetzung eines kleinen Biomassenahwärmenetzes im Zuge der Errichtung des neuen Gemeindezentrums. Die Heizzentrale wurde dabei in das neue Gemeindezentrum integriert. Dadurch konnten einige alte Heizkessel in Nachbargebäuden stillgelegt und eine Verbesserung der lokalen Umweltsituation erreicht werden.

Die technische Umsetzung des Gemeindehauses Raggal entspricht aus technischer Sicht hohen Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit. Das Projekt wirft aber auch einige Fragen auf, die bei ähnlich gelagerten Projekten einer detaillierten Betrachtung unterzogen werden sollten:
Wieviel Abwärme entsteht aus einer derartigen Heizzentrale im Verhältnis zum Wärmebedarf für die Heizung des Gebäudes?
Wie kann die Steuerung und Zwischenspeicherung der Wärme erfolgen? Wie kann im Sommer Sonnenenergie genutzt werden, um sommerlichen Kesselbetrieb möglichst zu reduzieren?
Wie werden die Fragen der sommerlichen Überhitzung v.a. bei Ost- und Westverglasungen gelöst, mit den auch in der warmen Jahreszeit tieferen Sonnenständen. (Jurytext: Otto Kapfinger, Bernd Vogl)

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