Bauwerk

Centre Pompidou-Metz
Shigeru Ban Architects, Jean de Gastines - Metz (F) - 2010

Ein Hut wächst aus der Erde

Das Centre Pompidou-Metz im Entstehen

31. Oktober 2008 - Marc Zitzmann
Baustellenbesuch in Metz. Bei strahlendem Herbstwetter zeichnen sich die von Computerbildern her bekannten Hauptelemente des im Entstehen begriffenen Centre Pompidou-Metz klar gegen den blauen Himmel ab. Da ist die «Grande Nef» mit ihrer monumentalen Wand von 21 mal 21 Metern. Da ist das Metallskelett des Turms, den dereinst ein 77 Meter hoher Pfeiler krönen wird. Und da sind die drei 85,5 Meter langen kastenförmigen Galerien, die wie Mikadostäbe übereinanderliegen – die oberste ist noch im Bau. Was dem Rohbau fehlt, ist namentlich das stupende Dach, das der japanische Architekt Shigeru Ban für sein bis anhin grösstes Projekt entworfen hat: eine Struktur aus lamelliertem Holz, die an das Flechtwerk eines chinesischen Huts gemahnt und, mit einer halbdurchsichtigen Membran aus Teflon und Glasfasern bespannt, das gesamte Gebäude überzieht – eine skulpturale Tour de Force des Holzbaus.

Den Computerbildern wie auch dem Baustellenbesuch nach zu urteilen, wird das Centre Pompidou-Metz ein architektonischer Wurf. Das Gebäude mit der einprägsamen Silhouette – teils Pilz, teils Amöbe, teils Chinesenhut – vereint Funktionalität, Flexibilität und ikonische Plastizität. Es hat das Zeug zu einem Wahrzeichen. Vor seiner Eröffnung Anfang 2010 wurde jetzt Näheres über sein künftiges Programm bekannt. Bei einer Pressekonferenz vor Ort legte Laurent Le Bon, seit 2005 mit der Leitung des Projekts betraut, Wert darauf, eine autonome Institution vorzustellen. Zwar werde das Centre Pompidou-Metz auf das Netzwerk und auf die fabelhafte Sammlung des Mutterhauses zugreifen können. Aber sein Veranstaltungsprogramm gehorche eigenen Rhythmen und werde auch auf Koproduktionen mit anderen Institutionen beruhen.

Die Eröffnungsschau soll unter dem Titel «Chefs-d'œuvres?» eine Art assoziativ-augenzwinkerndes Best-of der Sammlung bieten. Der ambitiösen Collage von Meisterwerken wird die gesamte Ausstellungsfläche zur Verfügung stehen: 5000 Quadratmeter – und das für mindestens sechs Monate! Die nachfolgenden Schauen dürften vernünftigere Dauern und Dimensionen aufweisen. Daneben locken auch, wie im Mutterhaus, ein Restaurant und Boutiquen, ein «Studio» für Podiumsveranstaltungen, Filmprojektionen, Performances und Bühnenspektakel sowie ein Vorplatz im Freien und ein vielfältig nutzbares Forum im Eingangsbereich, die die Grenze zwischen innen und aussen aufweichen. Dafür beherbergt das Zentrum weder ein Musikinstitut wie das Ircam noch eine Mediathek – eine solche könnte in der Nähe erbaut werden.

Sorge bereitet, dass die Finanzierung eines ambitiösen Veranstaltungsprogramms durch die Gebietskörperschaften bis anhin nicht gesichert ist. Statt den ursprünglich in Aussicht gestellten 10 Millionen Euro für das Jahresbudget ist jetzt nur noch von 7 Millionen Euro die Rede. In Sachen Kulturbauten sind die Augen hierzulande oft grösser als der Magen: Für viel Geld werden Gebäude errichtet, deren Bespielung dann mangels hinreichenden Betriebsbudgets zu wünschen übrig lässt. Shigeru Bans über 60 Millionen Euro teurer Pilzhut verdient ein besseres Schicksal als das einer Architektur-Ikone für Postkartenbilder.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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