Bauwerk

Neues Wohnen an der Glan
Eva Rubin, Jürgen P. Wirnsberger - Klagenfurt (A) - 2017
Neues Wohnen an der Glan, Foto: Christian Brandstätter
Neues Wohnen an der Glan, Foto: Christian Brandstätter

Leistbares Wohnen: So geht's!

In Zeiten von schwindenden Flächen ist leistbares Wohnen eine besondere städtebauliche Herausforderung. Klagenfurt zeigt, wie es gelingen kann – 2018 gab es dafür den Landesbaupreis.

6. Januar 2019 - Karin Tschavgova
Im Jahr 2050 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten wohnen, und schon jetzt gibt es in wachsenden Agglomerationen einen enormen Bedarf an Wohnraum. Bei einer internationalen Konferenz über Soziales Wohnen im Dezember 2018 in Wien fielen bemerkenswerte Sätze zum Thema: „Wir können Wohnen nicht dem Markt überlassen.“ Und: „Selten kommen Interessensgegensätze so deutlich zum Vorschein wie in der Wohnbaupolitik.“

Michael Ludwig, der sie formulierte, war einst Wohnbaustadtrat. Wiens Bürgermeister wusste genau, wovon er sprach, als er betonte, dass das Wohnen aus der neoliberalen Entwicklung herausgenommen werden muss, weil die Privatisierung des Wohnungsmarkts den Kommunen die Möglichkeit nimmt, regulierend einzugreifen. Leistbaren Wohnraum zu schaffen ist eine Herausforderung, in der es um weit mehr geht, als geförderte Wohnungen für sozial Schwache bereitzustellen. Ureigenste Charakteristiken der Stadt sind Diversität und Vielfalt. Will man sie steuern, muss Durchmischung jeden neuen Siedlungsraum prägen. Damit Gemeinschaft gelingt und hohe Akzeptanz erhält, braucht es bauliche Voraussetzungen, aber auch programmatische soziokulturelle Unterstützung.

Wohnzufriedenheit kann nur entstehen, wenn neue Siedlungsgebiete infrastrukturell erschlossen und angebunden werden, wenn der Weg zur Arbeit und zur Deckung des täglichen Bedarfs nicht kostbare Tagesfreizeit ,auffrisst‘; wenn schwierige Lagen und Grundstücke – und in vielen dicht bebauten Agglomerationen sind nur mehr solche verfügbar – so bebaut werden, dass in den Wohnungen Emissionen von Verkehr und Lärm geschickt ausgeblendet werden. Wohnbauforschung muss umweltverträgliche Typologien und Wohnungsgrundrisse entwickeln, Bund, Land und Stadt müssten Mittel zur Verfügung stellen, damit diese auch ohne Ausschöpfung maximaler Dichten und höchster Effizienz realisiert werden können. Städte wie Wien, die Baulandbevorratung betreiben, haben die Möglichkeit, Bauland an Bauträger unter dem Marktwert weiterzugeben, an bestimmte Bedingungen geknüpft.

Auch die Klimaveränderung wird urbanes Wohnen sichtbar verändern. Österreich ist unrühmliche europäische Spitze im Bodenverbrauch. Weniger Boden versiegeln, Flachdächer begrünen und nützen, Grünraum mitplanen, gemeinsames „Garteln“ fördern – all das trägt dazu bei, das Mikroklima in Wohnquartieren zu verbessern. Tatsache ist auch, dass ein angemessenes Grünangebot im Nahbereich der Wohnung die Zahl der Stadtbewohner, die sich jedes Wochenende ins Auto setzen und in Kolonnen aufs Land flüchten, reduziert.

Städte sind immer Motor gesellschaftlicher Veränderung gewesen. In Klagenfurt, das nicht zu den wachsenden Hauptstädten zählt, treten einige der genannten Themen noch nicht zugespitzt auf. Lange Wartelisten für erschwingliche Mieten gibt es dennoch. Umso bemerkenswerter ist, dass Klagenfurt den Bau einer Siedlung mit fast 100 Wohnungen an der Glan initiiert hat, bei dem durch gezielte Steuerung Voraussetzungen geschaffen wurden, die leistbares Wohnen gelingen lassen.

Und das kam so: Für ein Grundstück in ihrem Besitz schreibt die Stadt als Ausloberin 2011 einen Architekturwettbewerb aus, in dem sie Voraussetzungen für ein gedeihliches städtisches Miteinander bedacht und präzise formuliert. Stark im Wandel befindliche Lebensformen sollen sich in einem differenzierten Angebot an Wohnraum ausdrücken. Den Wettbewerb für sich entscheiden kann Eva Rubin, die mit ihrem Projektleiter Jürgen Wirnsberger den Entwurf ab 2013 auch umsetzen wird.

Doch bis dahin geht die Stadt einen Weg, der bemerkenswert und vorbildlich ist und gegenüber der städtischen Finanzabteilung sicher nicht einfach durchzusetzen war. Sie verkauft das Grundstück nicht an den Bestbieter, sondern wählt in einem Evaluierungsprozess unter Interessenten jene Wohnungsgenossenschaft aus, die bereit und am besten geeignet ist, das geförderte Projekt so umzusetzen, wie es geplant wurde und von der Stadt gewünscht wird.

Individuellen Bedürfnissen und der Durchmischung im verdichteten Geschoßbau geschuldet ist ein Angebot von vierzehn verschiedenen Grundrissen auch für Startwohnungen, betreutes Wohnen, eine betreute Wohngemeinschaft und Wohnungen für AlleinerzieherInnen, die mit dem Angebot eines zusätzlichen Homeoffices konzipiert wurden (und zum Bedauern der Architektin nicht als solche vergeben wurden).

Eva Rubins grundlegende Faktoren für den Entwurf waren Maßstäblichkeit und eine lebendige Gliederung der Baumassen, um Erkennungswert und Identifikation mit dem Zuhause zu fördern. Zur möglichen Höhenentwicklung im Wohnungsbau vertritt die Tochter von Roland Rainer eine klare Haltung: Die maximale Höhe ist dort gegeben, wo die direkte kommunikative Verständigung zwischen der Wohnung und dem Freibereich vor dem Haus gerade noch möglich ist.

Zehn bis zu vier Geschoße hohe Baukörper sind deutlich in der Höhe abgestuft und sichtbar gegliedert zwecks Optimierung der Sonneneinstrahlung. Was damit auch angestrebt wurde und wie selbstverständlich gelang, ist ein maßvoller Übergang zur im Süden vorgelagerten, öffentlich nutzbaren Wiese, zur schönen Baumpflanzung am Ufer und zum Radweg entlang der Glan. Die Wohnungen im Erdgeschoß haben private Kleingärten. Jene am halb öffentlichen Grün und dem zentralen, teils befestigten Platz sind durch Hecken und halb hohe Lüftungsschächte der Tiefgarage getrennt, die Privatheit garantieren sollen. Der große Gemeinschaftsraum, auch zum Platz hin angelegt, eine gedeckte Spielfläche und die Wegeführung zur Erdgeschoß- und zur Laubengangerschließung signalisieren allerdings urbane Betriebsamkeit.

Alles an baulichen Voraussetzungen für das Entstehen geglückten Zusammenlebens in einer aufeinander Rücksicht nehmenden Gemeinschaft ist in dieser Anlage gegeben – von der Abschottung vom Verkehr der angrenzenden Straße durch einen höheren Querriegel bis hin zu den mietbaren Hochbeeten. Wie die Siedlung mit Leben erfüllt wird, wird sich nach und nach zeigen. Ganz so wie in der dichten Stadt, die auch nicht an einem Tag zu dem wurde, was sie heute ist.

Als Best-Practice-Beispiel kann sie jetzt schon dienen. Sie beweist, dass es möglich ist, guten Wohnraum zu schaffen, wenn nicht Gewinnmaximierung die Prämisse ist, sondern der Wille der Politik, leistbaren Wohnraum zu schaffen; wenn die Länder stärker als Förder- und Geldgeber auftreten, die Städte ihre Aufgabe auch darin sehen, geeignete Flächen aufzukaufen und bereitzustellen. Und wenn alle Beteiligten daran interessiert sind, die hohe Lebensqualität in Städten zu erhalten.

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