Veranstaltung

SocióPolis
Ausstellung
28. Oktober 2004 bis 31. Januar 2005
Architekturzentrum Wien - Alte Halle
Museumsplatz 1
Österreich


Veranstalter:in: Architekturzentrum Wien
Eröffnung: Mittwoch, 27. Oktober 2004, 19:00 Uhr

Solange es nur Bauklötzchen sind, ist alles möglich

Schwieriger Städtebau: Der Otto-Wagner-Preis richtet den Blick in Zukunft, aber was wirklich gebaut wird, bleibt meistens offen. Keine sehr wirksame Qualitätskontrolle.

6. November 2004 - Oliver Elser
Was bedeutet Städtebau? In Wien sind momentan zwei Ausstellungen zu sehen, die diese Frage mit hohem Qualitätsanspruch zu beantworten versuchen. Bei einer geht es um nichts Geringeres als die Stadt der Zukunft, man darf auch SocióPolis zu ihr sagen. Mit dem Versprechen, wenn nicht die, so doch immerhin eine Stadt der Zukunft zu präsentieren, widmet sich das Architekturzentrum Wien (AzW) einer fiktiven Ansiedlung in der Nähe von Valencia in Spanien. SocióPolis wird es in dieser Form nicht geben, denn das Projekt entstand vor zwei Jahren im Rahmen der dortigen Kunstbiennale. Der Erfolg war aber so groß, dass jetzt eine Stadterweiterung in Planung sein soll, die die städtebaulichen Ideen der SocióPolis in ein reales Bauvorhaben verwandelt. Doch über den sicherlich spannenden Transformationsprozess von der Vision zur Realität erfährt der Besucher rein gar nichts.

Dasselbe lässt sich auch über die zweite Städtebau-Ausstellung sagen. Sie wurde zur Verleihung des Otto-Wagner-Städtebaupreises am Dienstag dieser Woche in den ehrwürdigen Räumen der Postsparkasse am Wiener Stubenring aufgebaut und wird noch bis zum 3. Dezember zu sehen sein. Auch dort tritt das Architekturzentrum Wien als Mitveranstalter auf. Auch dort wird Architekten die Möglichkeit gegeben, sich nach eigenem Gutdünken zu präsentieren. Das kann nur ein Ausrutscher sein, haben doch das AzW und sein Direktor Dietmar Steiner in der Vergangenheit viel Energie investiert, um das sperrige Thema Architektur für ein breites Publikum zu öffnen, ohne je in die Nähe des Populismus geraten zu sein. Nun aber trifft der P.S.K.-Kunde in Otto Wagners Kassenhalle auf schwer verdauliche Flachware, auf Architektenpläne im Insiderjargon, die darauf getrimmt sind, die Kollegen in der Wettbewerbsjury unter Vorsitz von Dominique Perrault für sich einzunehmen, nicht aber dazu bestimmt sind, dem schwierigen Thema Städtebau eine Lobby zu verschaffen.

Der Architekturhistoriker Colin Rowe charakterisierte die Bauten der Moderne einmal spöttisch als „architecture of good intentions“. Die guten Absichten hinter SocióPolis und dem Otto-Wagner-Preis sind unübersehbar. Städtebau findet in Österreich viel zu wenig Beachtung. Eine Stadt der Zukunft als thesenbeladenes Modell in den Raum zu stellen ist genauso wichtig, wie die hiesigen städtebaulichen Projekte alle drei Jahre auf den Prüfstein zu stellen, um mit Preisen und Anerkennungen für mehr Qualität und freies Denken zu werben. Die Gefahr ist aber, über das Ziel hinauszuschießen. Indem die Präsentation nicht den Standards entspricht, die sich das AzW bei seinen sonstigen Vorhaben selbst gesetzt hat. Das betrifft nicht nur die Art der Darbietung. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, erst einmal abzuwarten, wie sich das Wiener Stadtentwicklungsgebiet Kabelwerk als gebaute Realität behaupten wird, statt ihm Vorschusslorbeeren in Form des Otto-Wagner-Preises mit auf die Reise zu schicken? Das Projekt ist mit Sicherheit der in Österreich zurzeit ambitionierteste Versuch, mit neuen Raumfiguren und einer maximalen Vielfalt von Bebauungstypen zu jonglieren. Ob dort wirklich etwas Lebendiges entsteht, lässt sich erst in etwa drei Jahren sagen. Wenn aber der Preis dazu dient, das zu fördern, was es sonst schwer hätte, dann wäre es fair gewesen, auch den siegreichen Entwurf von Florian Haydn und Reiner Pirker zu zeigen, auf dem die jetzige Planung basiert. Dass es sich ja nur um einen Wettbewerb und nicht um eine sorgfältig zusammengestellte Ausstellung handelt, wäre ein schwaches Argument: Städtebaulich interessante Projekte sind so rar, dass sie in ihrer ganzen Komplexität und mit allen Widersprüchen dargestellt werden sollten. Modelle der verschiedenen Entwurfsstadien wären vielleicht eine Hilfe.

Weniger am stark abstrahierten Modell als vielmehr in der Realität lässt sich die Qualität des ebenfalls preisgekrönten T-Centers überprüfen, das unübersehbar die Wiener Südosttangente beherrscht. Die Jury lobte den Bau von Domenig, Eisenköck und Peyker als Landmark. Ist das schon Städtebau? Immerhin gelang es, Hochhaus und Büroriegel zu etwas hybridem Neuen zu verschmelzen (ALBUM vom 31. 1. 2004), dessen Stärke eher die Zeichenhaftigkeit ist als eine besonders innovative Ausnutzung der expressiven Geste. Was auf dem dahinter liegenden Schlachthofgelände passieren wird, dessen Tor das T-Center ja sein soll, bleibt abzuwarten.

Das gilt auch für die meisten der neun Projekte, die eine Würdigung und ebenfalls einen Platz in der Ausstellung verliehen bekamen. Mehr oder weniger fertig gestellt sind nur drei: die Wienerberg City von Massimiliano Fuksas, der Hauptbahnhof Innsbruck von Riegler Riewe (ALBUM vom 30. 4. 2004) und die Wiener Wohnanlage Breitenlee des Architekten Roland Hagmüller. Zwei weitere sind Studien, die Übrigen stellen sich zurzeit den Mühen der Anpassung an die raue Wirklichkeit. Ihnen ist zu wünschen, dass sie in drei Jahren wieder dabei sind, wenn der Preis erneut vergeben wird. Damit deutlich wird, dass Städtebau auch in Österreich möglich ist, und zwar nicht nur auf dem Papier.

[ 4. Otto-Wagner-Städtebaupreis, Ausstellung in der Österreichischen Postsparkasse, 1010 Wien, bis 3. 12. 2004
SocióPolis, Ausstellung im AzW, Museumsquartier, 1070 Wien, bis 31. 1. 2005. www.azw.at ]

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