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db deutsche bauzeitung 07|2012
Auf Reisen
db deutsche bauzeitung 07|2012

Waldgeflüster

Baumhotel in Harads (S)

Als »glamping« wird der Trend bezeichnet, glamourös zu campen. Eine besonders noble Art, in der freien Natur gebettet zu sein und gleichzeitig auf einen gewissen Luxus wie z. B. eine Fußbodenheizung nicht verzichten zu müssen, bietet das Treehotel in Schweden. Als Baumhaushotel ist es zwar nicht das einzige auf der Welt, aber womöglich das gestalterisch überzeugendste.

2. Juli 2012 - Pia Volk
Vor Britta's Pensionat flattert weiße Wäsche auf der Leine, hinter Britta's Pensionat beginnt ein Zauberwald. In dem Wald ist ein Ufo zwischen den Bäumen gelandet, einige Meter weiter schwebt ein verspiegelter Würfel in den Baumwipfeln, dazwischen versteckt sich ein überdimensionales Vogelnest. Dies ist keine Freiluftvernissage, die Gebilde sind Baumhäuser. Doch die Bezeichnung passt nicht so recht: Baumhaus klingt nach Tarzan oder rustikalem Holzschnitt. Diese hier sind anders, und zugleich Hotelzimmer. Deren Gestaltung ist fantastisch, im doppelten Sinne: Das Konzept bringt einzigartige Architektur zusammen und erscheint gleichzeitig als ein extravagantes Nebeneinander von Dingen, die nichts miteinander zu tun haben.

Um die Entstehungsgeschichte zu erklären, muss man mit Britta Jonsson- Lindvall anfangen, die zusammen mit ihrem Mann Kent das Gästehaus Britta's Pensionat in Harads betreibt, einem kleinen Ort im Norden Schwedens mit nur 500 Einwohnern, deren Häuser sich weniger um einen Ortskern gruppieren als über die Landschaft verstreuen. Als der schwedische Künstler Jonas Selber Augustsén einen Film über ein selbstgezimmertes Baumhaus drehte und während der Arbeiten in Britta's Pensionat übernachtete, kam ihnen die Idee, in dem Waldstück hinter ihrer Herberge Baumhäuser als Hotelzimmer zu errichten. Kent erzählte einer Handvoll Architekten, die er auf einer Angelreise in Russland traf, davon: Bertil Harström, Sandell Sandberg, Bolle Tham und Martin Videgård sowie Mårten und Gustav Cyrén waren sofort begeistert und bekamen von ihrem Bauherrn freie Hand bei ihren Entwürfen. So entstand das fünf unterschiedliche Zimmer und eine Sauna umfassende »Treehotel« rund 100 km unterhalb des Polarkreises.

Im Wald verstreute Traumwelten

Den Schlüssel für sein Baumhaus muss man sich bei Britta abholen – dann geht es hinaus in den Wald. Es ist ein kurzer Spaziergang, 15 Minuten vielleicht, über eine Lichtung hinein in den Birkenwald, der langsam in dichteren Nadelwald übergeht. Von der Lichtung aus sieht man den Fluss Luleå im Tal schimmern – und ein Funkeln weiter hinten im Wald. Doch dass letzteres die Fenster des verspiegelten Würfels sind, der in den Baumkronen hängt, erkennt man aus der Entfernung noch nicht.

»The Mirror Cube« und »The Blue Cone« befinden sich am Rande eines Hangs, in einer Reihe mit »The Cabin«, einem schwarzen containerartigen Gebilde, das 10 m hoch in den Baumwipfel hängt. Sie alle haben ähnliche Merkmale: Man betritt sie über Rampen, sie haben große Fenster und eine wunderschöne Aussicht. Zwischen den Bauten ist so viel Platz, dass man von einem kaum zum nächsten sieht. Einige Meter tiefer im Wald hängen dann das »Bird's Nest« und das »UFO«. In der Mitte dieser Ansammlung thront das Saunahaus.

Jedes Gebäude ist eine neue Traumwelt, bringt einen in eine andere Zeit, die unterschiedliche Geschmäcker bedient: Das »UFO« ist kindlich verspielt, und weil es mit vier Stahlseilen in den Bäumen hängt, schaukelt es sogar, wenn man sich darin bewegt. »The Cabin« wirkt wie aus einem unterkühlten Psychothriller, wie es da so zwischen zwei Bäumen feststeckt. In den Wänden des »Mirror Cube« spiegelt sich die Landschaft wie auf einem surrealen Gemälde, eine Mimikry an die Postmoderne. Die reflektierende Glashülle wurde mit einer transparenten Folie in ultraviolett beschichtet, die nur Vögel sehen können und verhindert, dass diese mit der Konstruktion kollidieren. Nur das »Bird‘s Nest« ist Natur pur und verschwindet im Wald. »The Blue Cone« ist hingegen bodenständiger und das einzige Haus, das überhaupt als solches erkennbar ist. Sein Name ist absurd, denn es ist eckig, leuchtet rot und hat ein spitzes Dach. »Ursprünglich sollte es blau werden und eine zylindrische Form haben«, erzählt Kent, doch dann habe der Architekt seine Meinung kurzfristig geändert. Es steht auf Pfeilern etwas erhöht an einer behindertengerechten Rampe. Es ist das einzige Zimmer, das wirklich komplett barrierefrei erreichbar ist, 10 % eines Hotels müssen laut schwedischen Auflagen diese Barrierefreiheit bieten. Vom Doppelbett aus geht der Blick hinaus aus dem großen Fenster über den Wald und auf den Fluss. Das Innere ist wie auch bei den anderen Zimmern in hellem Holz eingerichtet – Kent legte Wert darauf, dass sie beim Ausbau nur Hölzer der Region verwendet haben, v. a. Kiefer und Birke. Der Geruch davon liegt noch in der Luft.

Behagliches Nest

So auch im Vogelnest, dessen Camouflage perfekt ist. Bei meinem ersten Spaziergang durch diese leicht absurde Kulisse übersehe ich es, obwohl es 4 m groß ist. Am Wegesrand gibt es nichts, was einen leiten könnte, keine Stromkabel, keine Wasserleitungen, keine Lichter. Nur einen plattgetrampelten Pfad – und der führt mich erst einmal geradewegs zur Sauna, ein runder zweistöckiger Holzbau, einem großen Bottich gleich, der auf ebener Erde steht. Im EG gibt es ein paar Liegen, oben sind Sauna und Gemeinschaftsduschen. Wer duschen will, muss hierher kommen, denn keines der Baumhäuser hat einen Wasseranschluss. Die Badezimmer bestehen aus Verbrennungstoiletten sowie einem kleinen Waschbecken, über dem ein Behälter mit 3 l Wasser angebracht ist, darunter steht in einem Schränkchen ein Eimer.

Am Vogelnest muss ich meinen Schlüssel in ein kleines Schloss stecken, das an einem Baum hängt, damit eine steile Leiter herunterfährt. Über die klettere ich dann 4 m hoch durch eine Luke im Boden in das Innere des Nests, das bewusst duster ist: Anstatt Fenster gibt es ein nur paar Bullaugen, die hinaus in den Wald »blicken«. Ich sehe keines der anderen Häuser – und fühle mich, als wäre ich ganz alleine in diesem Wald. Das stört nicht: Das Nest ist durch die fein arrangierte Beleuchtung und die Einrichtung so heimelig, dass man es nicht mehr verlassen will. Es riecht so herrlich nach Holz – und sieht so gar nicht nach Baumhaus aus. Eher nach einem schwedischen Sommerhaus in luxuriöser Ikea-Optik. Im kreisförmigen Innern ist alles aus Massivholz. Auf der Rückseite der Luke im Halbrund sind zwei Stockbetten untergebracht, daneben ist das winzige Bad. Hinter einer Wand, die den Raum teilt, steht ein Doppelbett, an der Seite hängt ein elektrischer Kamin – er sieht aus wie ein Flachbildschirm, auf dem ein Feuer brennt, tatsächlich pustet er aber aus den Seiten warme Luft heraus. Man braucht ihn nur in sehr kalten Winternächten, denn in den Häusern gibt es eine elektrische Fußbodenheizung, gespeist mit Hydroenergie – von den Staudämmen im Luleå Fluss.

Herausforderung: Langfristiges Schweben

Dass alles ökologisch durchdacht ist, vergisst man, wenn man in seinem Zimmer ist. Wie man im Übrigen auch vergisst, dass man einige Meter über dem Boden schwebt. Der verspiegelte Würfel von 4 m Kantenlänge, der am häufigsten gebucht wird, besteht aus einem leichten Aluminiumrahmen. Dieser ist in ein paar Metern Höhe um den Baumstamm einer Tanne herumgebaut und an diesem mit verstellbaren Schellen befestigt, ansonsten ist er nur mit Seilverspannungen in der Umgebung fixiert. »Der Stamm hat einen Durchmesser von 25 cm und könnte bis zu 25 t tragen«, erklärt Kent, der Würfel wiegt aber nur 5,5 t. Das schwerste Gebäude ist »The Cabin« mit 7 t, alle anderen wiegen zwischen 3 und 5 t. Der verspiegelte Würfel, wie auch das Ufo und »The Cabin« wurden vorfabriziert, auf Lastkraftwagen in den Wald gebracht und dann nur noch zusammengesetzt, das Vogelnest und »The Blue Cone«, die beide vorrangig aus Holz gebaut sind, wurden vor Ort gezimmert.

»Die größte Herausforderung war zu lernen, welche Materialien auf lange Zeit unserem Klima standhalten und wie man die Häuser sicher gestalten kann«, sagt Kent. Ein Entwurf sah beispielsweise vor, eine Art Zelt zwischen den Bäumen aufzuhängen, doch gibt es kein Material, das warm und stabil genug ist, um auch die Winter zu überstehen. Denn im »Treehotel« kann man das ganze Jahr schlafen, auch bei -20 °C.

Kostspieliges Vergnügen

Der Bau der einzelnen Häuser war teuer, und der Unterhalt ist es ebenso, das schlägt sich auf die Preise nieder. Eine Nacht für zwei Personen kostet zwischen 450 und 500 Euro, je nach Haus passen maximal vier Personen hinein. »Wir haben mit einer Auslastung von 30 % geplant«, erklärt Kent, »haben mittlerweile aber bereits zwischen 40 und 50 % erreicht.«

Der Gegensatz zwischen Natur und Kultur scheint die Gäste zu reizen: Man ist mitten im Wald, hört das Holz der Bäume knacksen, ein Kratzen auf dem Dach – vielleicht sind es Äste, die aneinanderreiben, vielleicht sind es Vögel, die die Wärme suchen – und befindet sich doch mitten im Luxusleben. »Genau so soll es auch sein«, erklärt Kent. »Wir möchten die Menschen erreichen, die in der Natur sein wollen, ohne gleich campen zu müssen.« Aber er weiß auch um das kreative Potenzial seines Hotels, das mit Erwartungen bricht und althergebrachte Kategorien von Wohnen auseinandernimmt. Deshalb will er dieses Jahr noch einen Konferenzraum bauen, der wie eine Schaukel zwischen zwei Bäumen hängen soll.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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