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Artikel

9. Oktober 2025 Neue Zürcher Zeitung

Das von Herzog & de Meuron umgebaute Basler Hotel Les Trois Rois verbindet Luxus und exquisite Handwerkskunst

Die Basler Stararchitekten haben in ihrer Heimatstadt gezaubert und das traditionsreiche Grand-Hotel in neuem Glanz und mit erlesenem Innenausbau neu erstehen lassen.

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30. Mai 2025 Neue Zürcher Zeitung

Norman Foster löst Probleme mit schönen Dingen, und durch seine Hightech-Bauten wurde der Architekt weltberühmt

Neben seine Leidenschaft für Jets und schnittige Autos trat auch eine ausgeprägte Liebe für die Schönheit der Schweizer Alpen. Der britische Architekt, bekannt für seinen sanften Modernismus, wird 90 Jahre alt.

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5. Mai 2025 Neue Zürcher Zeitung

Das Museum am Drogenumschlagplatz

Das Musée des Beaux-Arts in Rennes hat einen Neubau in einer Plattenbausiedlung errichten lassen. Kultur wird hier in den Dienst der städtischen Transformation gestellt.

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3. Mai 2025 Der Standard

Musik, Veltliner und Kaiserschmarrn to go

Vor kurzem wurde die Expo 2025 in Osaka eröffnet. Das Spektrum reicht von billigen Klischees bis zu großartigem Ingenieursholzbau, vom Handtaschen-Eldorado bis zum kostbaren Ölgemälde von Caravaggio.

O-su-to-lia, so heißt Österreich auf Japanisch. So steht es auch in großen Zeichen am Österreich-Pavillon auf der gerade angelaufenen Expo in Osaka. Mit Australien (O-su-to-la-lia) können es gebildete Japaner trotz der ähnlichen Laute kaum verwechseln, denn Austria ist von jeher das Land der Musik und steht als solches in Japan hoch im Kurs. Andere Klischees wie Sachertorte, Grüner Veltliner, Swarovski-Kristalle oder ein Bösendorfer-Konzertflügel dürfen freilich ebenfalls nicht fehlen in der Länderpräsentation, die in einer tageslichtlosen Blechkiste untergebracht ist, vollgepfropft mit viel Medieneinsatz, gestrichen in einem irgendwie undefinierbaren Flieder-Farbton.

Das ist unsinnlich und schade und auch alles andere als modern. Angenehm aus diesem Rahmen fällt da die Präsentation der Künstlerin Felice Rix-Ueno. Die Wienerin entwarf einst Hunderte von Mustern für die Wiener Werkstätte, bevor sie in Kioto Professorin wurde, wo sie fortan mit den führenden westlichen (Bruno Taut) und östlichen Architekten (Togo Murano) ihrer Zeit zusammenarbeitete. Allein mit diesem Pfund zu wuchern wagt die Schau im österreichischen Expo-Pavillon nicht so recht.
91 Meter lange Schleife

Gerettet wird die Tristesse der omnipräsenten Bildschirme nur von der Architektur: Vor der Black Box des O-su-to-lia-Pavillons steht eine aufwendig geformte, riesige geodätische Schleife aus Holz. Das Wiener Büro BWM Designers & Architects hat sie entworfen, und Architekt Erich Bernard, das „B“ in BWM, zeigte sich beim Besuch vor Ort sichtlich stolz auf sein Werk. Das von ihm entworfene Notenschriftband zeigt die ersten Takte von Beethovens Ode an die Freude . „Die aufstrebende Spirale soll ein kraftvolles Zeichen für Lebensfreude und Optimismus setzen“, so Bernard. „Die Hymne der Europäischen Union steht für die transnationale Identität Österreichs.“

Ober- und Untergurt der gigantischen, 17 Meter hohen und insgesamt 91 Meter langen Schleife sind durch hunderte Diagonalstäbe miteinander verflochten. Die verschraubten Holzlamellen aus Fichte wurde von der Firma Graf Holztechnik im niederösterreichischen Horn gefertigt und nach Japan transportiert. Das Band zeigt eindrücklich Österreichs Kompetenz im modernen Ingenieurholzbau. Gleichzeitig aber ist es bedauerlich, dass die verschlungene Form von fünf unbeholfenen Stahlpylonen getragen werden muss, dass die Treppe zur Aussichtsplattform wie ein notwendiges Übel wirkt, dass das alles mit der eigentlichen Pavillonkiste dahinter keinerlei Bezug aufnimmt.

Musik als Thema der österreichischen Länderpräsentation in Japan ist zwar nicht originell, aber eine gute Brücke. Und ein guter Frequenzgarant. Allerdings lässt sich Musik bildlich nur schwer darstellen. Das beweisen die Architektur und die Szenografie des Pavillons eindrücklich. Nach dem Rundgang durch den Pavillon kommen die Besucher zu einem kleinen Kiosk am Ausgang, wo unter anderem „Kaiserschmarrn to go“ verkauft wird.

Eine nationale – oder gar „transnationale“ – Identität in Architektur zu übersetzen ist eine Aufgabe, der sich alle 150 teilnehmenden Nationen auf dieser Expo stellen mussten. Mit unterschiedlichem Erfolg: Während Frankreich seinen Pavillon ungeniert in eine Werbebude für Lederhandtaschen verwandelt hat, überraschen Länder, die bisher nicht als Architekturgroßmächte galten, mit zum Teil pfiffigen und im besten Sinne ambitionierten Darstellungen: Bahrain und Usbekistan beispielsweise sind Bijous der Baukunst gelungen!

Reizvoller Stützenwald

Der vom Stuttgarter Atelier Brückner gestaltete Pavillon für Usbekistan hat einen Sockel aus Ziegel und Lehm, eine aufsteigende Plattform fährt Besucher von dort hinauf zu einer Terrasse, wo man durch einen reizvollen Stützenwald aus Zypressenholz wandeln kann. Das Königreich Bahrain hingegen hat Lina Ghotmeh, eine vielfach ausgezeichnete libanesische Architektin aus Paris, zur Gestalterin des nationalen Beitrags gekürt. Die Form ihres Pavillons erinnert an die Masten der sogenannten Dhaus, die einst die Küsten der Arabischen Halbinsel bis weit hinunter nach Ostafrika befuhren.

Während europäische Länder wie Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und die nordischen Länder bloß matte Hütten aufgebaut haben, zeigt Italien, wie es geht: Die große Holzhalle mit viel Tageslicht, eleganten Stahldetails und einem schönen Dachgarten darauf bietet sinnliche Erfahrungen und Raumerlebnis aus Bella Italia. Dem Architekten Mario Cucinella aus Bologna ist für den darin integrierten Beitrag des Vatikans ein schöner Rahmen gelungen: Der Kirchenstaat hat ein kostbares Ölgemälde von Caravaggio nach Osaka liefern lassen, das die Besucher sichtlich berührt. Zwar ist eine Expo keine Kunstschau, aber die Emotion, die echte Objekte auszulösen imstande sind, bezeugt, wie fad die hunderten Videos sind, die in den dunklen Pavillonkisten überall flackern.

Arkadenring aus Holz

Zusammengehalten wird das disparate Feld der nationalen Selbstrepräsentationen von einem gigantischen Arkadenring aus Holz. Das Holzfachwerk mit 650 Meter Durchmesser, geplant vom Tokioter Architekten Sou Fujimoto, gibt der Expo Kontur und Halt. Ein Jammer, dass die größte Holzkonstruktion der Menschheitsgeschichte am Ende der Weltausstellung wieder abgebaut werden soll. Von der Expo 2025 wird also einst ebenso wenig erhalten bleiben wie von der Expo 1970 in Osaka.

Stattdessen soll das 150 Hektar große Expo-Gelände, das auf einer künstlichen Insel in der Bucht von Osaka liegt, zu einer Entertainmentstadt ausgebaut werden. Der Bauherr will auf dem dann aufgewerteten Stück Land, wenn der Kaiserschmarrnduft schon lange verzogen ist, teure Hotels und eine Formel-1-Rennstrecke errichten – mit Motorengeheul statt Ode an die Freude.

Am 23. Mai findet auf dem Expo-Gelände der österreichische Nationentag statt. Der STANDARD wird berichten.

22. April 2025 Neue Zürcher Zeitung

Der neue Hauptsitz der grössten Bank der Welt in New York soll null Betriebsemissionen aufweisen

In Manhattan hat die Firma JP Morgan Chase von Norman Foster, dem Hightech-Star unter den Architekten, einen neuen Bankenturm errichten lassen. Der Betrieb des Turms ist vollelektrisch. Aber ist er auch wirklich so ökologisch, wie er vorgibt?

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2. April 2025 Neue Zürcher Zeitung

Ein Haus ist auch eine Torte: Hinter der extravaganten Architektur von Hans Hollein steckt viel Kunst

Das Centre Pompidou in Paris widmet dem grossen Wiener Architekten eine Retrospektive.

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20. Februar 2025 Neue Zürcher Zeitung

In Norwegen kann man sich jetzt die Gegenwartskunst auf einer curryfarbenen Wendeltreppe erschliessen

Mit dem PoMo-Museum in Trondheim erhält Norwegen bereits die dritte private Institution für Gegenwartskunst, die in den letzten Jahren die öffentliche Museumslandschaft bereichert hat.

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13. Januar 2025 Neue Zürcher Zeitung

Neugestaltung des Museo Egizio in Turin: Das alte Ägypten erstrahlt jetzt im Look einer Modeboutique

Die neue «Galerie der Könige» im Turiner Ägyptenmuseum zeigt, wie modern altägyptische Kunst präsentiert werden kann.

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23. Dezember 2024 Neue Zürcher Zeitung

Zum Tod des japanischen Architekten Yoshio Taniguchi: Er hat das Museum of Modern Art in New York neu in die städtische Geografie eingeschrieben

Der japanische Baukünstler ist hauptsächlich mit Museumsbauten berühmt geworden. Am 16. Dezember ist Yoshio Taniguchi im Alter von 87 Jahren gestorben.

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31. Oktober 2024 Neue Zürcher Zeitung

Endlich neue Wolkenkratzer für Berlin: Der Amazon-Tower und der Estrel Tower sind künftig die höchsten Häuser der Stadt

Bjarke Ingels und Barkow Leibinger haben die neusten Hochhäuser Berlins entworfen. Die Türme sind Kinder der beherzten Mittelmässigkeit der neuen Berliner Hochhauspolitik.

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14. Oktober 2024 Neue Zürcher Zeitung

Eine Oase der Kunst mitten in der lauten Metropole Lissabon

Der Neubau des japanischen Architekten Kengo Kuma für das Museum Gulbenkian verbindet Haus, Garten und Stadt.

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11. Oktober 2024 Neue Zürcher Zeitung

Der amerikanische Architekt Richard Meier gilt als Meister der Raumkunst und der gerahmten Ausblicke. Zum 90. Geburtstag

Unter seinen Händen wurde alles weiss: Richard Meier baute in der Farbe der Unschuld – bis er sich wegen Vorwürfen sexueller Belästigung zurückzog

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3. September 2024 Neue Zürcher Zeitung

Expo 2025: Der Schweizer Pavillon wirkt in der Bucht von Osaka wie Froschlaich

An der Expo 2025 ist die Schweiz mit einem Schaum-Pavillon vertreten, der den geringsten ökologischen Fussabdruck aller Expo-Gebäude hinterlassen und dennoch Eindruck machen soll.

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3. August 2024 Der Standard

Blau-gelber Autotempel aus rot-weiß-rotem Holz

Mit österreichischer Holzbau-Expertise haben die Architekten von Henning Larsen in Göteborg einen spektakulären Markenauftritt für den größten Industriekonzern Skandinaviens geschaffen. Ein Besuch in der World of Volvo.

Wenn man über Schweden fliegt, kommt es einem vor, als sei das ganze Riesenland mit einem grünen Veloursteppich aus dichtem Wald überzogen. Für die Papier- und Zelluloseproduktion werden die schwedischen Forste weidlich genutzt. Als es aber darum ging, in Göteborg das größte Holzgebäude Schwedens zu errichten, die sogenannte World of Volvo, wurde österreichisches Holz importiert. Nicht nur wegen dessen materieller Qualität, sondern auch, weil es hierzulande eine unvergleichbar hohe Expertise in Holzbau-Engineering gibt, die weltweit gefragt ist. Das dänische Architekturbüro Henning Larsen aus Kopenhagen hat dabei mit Wiehag, einem Familienbetrieb aus Altheim, Oberösterreich, zusammengearbeitet.

Göteborg, zweitgrößte Stadt des Landes, gilt – im Vergleich zur glänzenden royalen Kapitale Stockholm – als die Industrie- und Handelsstadt Schwedens. Die großen Industriewerke, in denen Fahrzeuge und Kugellager hergestellt werden, liegen nördlich des Flusses Göta Älv. Mit dem Bau der Volvo-Welt jedoch traut sich der führende Automobilkonzern erstmals über den Fluss und rückt gen Süden in den bürgerlicheren Teil der Stadt vor. Bezeichnenderweise direkt neben einem großen Vergnügungspark hat sich Volvo einen riesigen Diskus aus Brettschichtholz und Brettsperrholz gebaut, der von der Stadtautobahn aus nicht zu übersehen ist und jeden Tag Zehntausende von Automobilsten bei Einfahrt in die Stadt mit seinen begrünten Dächern und hölzernen Trägern grüßt.

Neues architektonisches Bild

„Form und Material des Großgebäudes und seine Integration in die grüne Landschaft gehören zur kollektiven Identität Schwedens“, erzählt Martin Ringnér in großen Worten, Design-Director und zuständiger Projektleiter bei Henning Larsen. Aber auch abseits dieses Pathos gehe es bei dem Neubau darum, für die skandinavische Industrie ein neues architektonisches Bild zu finden. Schwedische Autos galten lange als extrem sicher und hochwertig in der Verarbeitung, doch die Wende zur E-Mobilität hat Volvo verschlafen und ist nun fest in chinesischer Hand. Lediglich die Busse, Baugeräte und Bootsmotoren sind noch weitgehend in schwedischem Besitz.

Der Neubau vereint die beiden Marken Volvo Group und Volvo Cars. Holz für einen Schaukasten der Industrie in diesem Maßstab zu verwenden, das erschien bis vor kurzem noch unvorstellbar, ja vielleicht sogar aufgesetzt und scheinheilig. Die nunmehrige Affinität zu Holz rührt aus neuen Planungs- und Herstellungsmethoden. Die komplexen Geometrien, die mit parametrischen Mitteln in CAD-Programmen generiert werden, wären bis vor kurzem nur mit hohem Aufwand baubar und finanzierbar gewesen. Doch das hat sich geändert.

„Wir haben mit Höhe, Radius und Geometrie variiert und experimentiert und haben dafür gesorgt, dass die komplexe Form des Bauwerks mit den Produktionsstandards im Holzbau in Einklang zu bringen sind“, sagt Erich Wiesner, Geschäftsführer von Wiehag, der den aktuell aufregenden Wandel im Holzgroßbau nicht nur begleitet, sondern regelrecht vorantreibt. „Mit dieser digitalen Zusammenarbeit ist es uns gelungen, den Materialeinsatz zu optimieren und ein ökonomisches Projekt auf die Beine zu stellen.“

Die Konstruktion besteht aus drei baumartigen Riesenstützen, die sich auffächern, um die Last des Daches abzuleiten. Der Übergang zwischen Innenraum und Dachgarten ist fließend. In der Halle ist Platz für Veranstaltungen mit weit über tausend Besuchern. Eine große Oldtimer-Ausstellung, Konferenzräume, Restaurants, Lounge und Shop dürfen natürlich auch nicht fehlen. Die Brettschichtholzträger und Brettsperrhölzer aus massiver Fichte geben den Fahrzeugen aus Stahl auf diese Weise einen neuen, weichen, zeitgeistigen Rahmen. „Von den ersten Skizzen bis zur finalen Umsetzung gab es einen digitalen Workflow, der auf die Logik der Holzbalkenelemente eingegangen ist“, so Fabia Baumann, Tragwerksplanerin bei Henning Larsen.

Wie zuvor bereits in den Autowelten von BMW in München, Porsche in Stuttgart und Hyundai in Seoul, allesamt von namhaften österreichischen Architekturbüros entworfen, die bei diesem Bautypus weltweit als führend gelten, wurde das Markenzentrum im Stadtteil Krokslätt auf einer Industriebrache errichtet, in diesem Fall auf dem Gelände der ehemaligen Saab-Getriebefabrik. Die Bebauung von Brownfields gilt als umweltfreundlich, weil kein wertvolles Ackerland erschlossen und versiegelt werden muss. Leider und ironischerweise jedoch steht der ökologisch schlanke Holzneubau auf einem unterirdischen Parkhaus, das fünf Etagen in die Tiefe reicht. Die graue Energie, die in diesen hunderten Tonnen Beton steckt, wird nie mehr sinnvoll weiterzuverwenden sein.

Kein Greenwashing

Volvo, aus dem Lateinischen wörtlich übersetzt so viel wie „ich rolle“, setzt auf Erschließung per Privat-Pkw, und ganz gleich, ob per Verbrenner oder rein elektrisch, so steht diese Rolleinladung doch in einem starken Widerspruch zu den Qualitäten des Baustoffs Holz. „Ich sehe darin aber keinen Akt oberflächlichen Greenwashings“, sagt Valentin Wiesner, Sohn des Firmengründers und Experte für Nachhaltigkeit bei Wiehag. Für eine der drei bekanntesten schwedischen Ikonen zu bauen, für das Triumvirat Abba, Ikea und Volvo, sei für ihn ein Akt der Omtanke, „Umsicht“ auf Schwedisch.

„Holz als CO₂-absorbierendes Material ist für mich der Baustoff der Zukunft. Die Energie, die im Transport der österreichischen Holzbauteile steckt, sorgt mich nicht wirklich. Im Vergleich zu Stahl und Beton ist die Ökobilanz immer noch eine sehr gute.“ Ästhetische Vorteile kommen hinzu: Weil Holz gut aussieht, gut riecht und sich gut anfühlt, ist es wohl unmöglich, sich den Qualitäten dieses Baustoffs zu entziehen.

Auch wenn sich Österreich unter Bundeskanzler Karl Nehammers Ägide unverbesserlich als „Verbrennungsmotorland“ identifiziert, zeigen Gebäude wie die World of Volvo, dass andernorts die Zeit schon reif ist für eine postfossile Fahrzeugwelt, in der österreichische Expertise anderer Provenienz gefragt ist und zu einer neuen Gestaltungswelt beiträgt.

12. Juli 2024 Neue Zürcher Zeitung

Er gilt als «der Amerikaner» der japanischen Baukunst-Szene. Und hat in Wiesbaden mit einem minimalistischen Museumsbau sein Vermächtnis gebaut

Fumihiko Makis Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden zeigt alle Qualitäten seiner sensiblen Architektur. Es bildet nun den Abschluss des reichen Schaffens dieses herausragenden Baumeisters aus Japan.

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12. März 2024 Neue Zürcher Zeitung

Nicht nur in der Schweiz wachsen derzeit neue Wohnhochhäuser aus Holz in den Himmel. Die Liebe zum Holz als tragendem Baumaterial wird weltweit neu entdeckt

Die neuen Holzhochhäuser sollen nicht nur umweltschonend sein, sondern vor allem auch einladend, wohnlich und menschenfreundlich.

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5. März 2024 Neue Zürcher Zeitung

«Ich entwerfe grosse Gebäude in einfacher Art»: Der The-Circle-Architekt Riken Yamamoto gewinnt den Pritzker-Preis

Der 78-jährige Japaner wird mit der renommiertesten Auszeichnung für Architekten geehrt.

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30. Oktober 2023 Neue Zürcher Zeitung

Warme Moderne aus dem kalten Norden: Alvar Aalto setzte im Nachkriegsdeutschland auf sanfte Eleganz statt Pathos

Eine menschenfreundliche Architektur zu schaffen – diese Aufgabe ist dem «Vater des organischen Bauens» so meisterlich gelungen wie kaum einem anderen Architekten im 20. Jahrhundert. Eine Berliner Ausstellung zeigt erstmals die kostbaren Strichzeichnungen der deutschen Spätwerke des finnischen Architekten.

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5. Juni 2023 deutsche bauzeitung

Boot an Land

Maritimes Zentrum in Esbjerg (DK)

In der Hafenstadt Esbjerg an der dänischen Westküste wurde ein neues maritimes Zentrum eröffnet. Das von WERK Arkitekter und Snøhetta entwickelte Gebäude ist als gemeinsamer Bereich für Wassersportvereine und Besucher konzipiert und präsentiert sich in der Stadt als ein neues architektonisches Wahrzeichen.

Wenn zwei Architekturbüros an einem Entwurf zusammenarbeiten, müssen sie vom Entwurf her und organisatorisch gesehen einen gemeinsamen Nenner finden. Das Büro Snøhetta aus Oslo, spätestens seit der Einweihung der Osloer Oper eines der bekanntesten Architekturbüros, und WERK Arkitekter aus Kopenhagen haben für ihre Zusammenarbeit einen Modus Vivendi gefunden, der trägt. Weil beide Länder, Dänemark und Norwegen, eine gemeinsame Geschichte der Wikinger-Kultur haben, lag es nahe, ein Motiv aus diesem Repertoire für den Entwurf ihres Neubaus in der westdänischen Hafenstadt Esbjerg zu wählen. WERK wurde von Snøhetta ausgewählt, weil sie mit dem Stubkaj-Gebäude in Kopenhagens Nordhavn bereits eine gute Referenz vorzuweisen hatten. Die Arbeit haben sie sich »im Verhältnis 50/50« aufgeteilt, wie die Vertreter beider Büros einmütig betonen.

Laterne und Anker

Bei dem Wettbewerb im Jahr 2019 hatten die beiden Architekturbüros ihrem Entwurf für das Zentrum am Hafen den Namen »Laterne« gegeben. Denn ihr Pionierbau soll städtebaulich als »Anker« einer neuen geplanten Wohnstadt am Hafen dienen, wie die größeren dänischen Städte Aarhus und die Hauptstadt Kopenhagen dies bereits erfolgreich vorgemacht haben.

Neben den »maritimen Nutzungen« für Sportvereine sollten ein Bootslager, Schulungsräume und eine Werkstatt in dem Haus untergebracht werden. Die Architekten haben ihrem Bau im Grundriss die Form eines unregelmäßigen Ovals (mit vier Radien) gegeben, das sich an den beiden Schmalseiten mit breiten Freitreppen für Besucher öffnet, die geradewegs über eine »Loggia« in den – ebenfalls ovalen – Innenhof im ersten Stock geführt werden. Er wirkt wie ein riesiger Oculus. Zusätzlich gibt es eine Wendeltreppe im Hof. Der Hof kann abends abgeschlossen werden, aber die Freitreppen bleiben zugänglich.

Sowohl die Straßen- als auch die Hoffassaden sind von horizontalen Holzlamellen geprägt, die zwischen leicht konkaven Rippen liegen. Sie geben dem Gebäude einen warmen, skandinavischen Touch. Form und Materialwahl des Gebäudes werden im Kontrast zu den später folgenden, kubischen Wohnbauten mit Putzfassaden stehen, die nebenan auf einer kleinen Hafeninsel gebaut werden, wenn man dem Bauschild glauben darf. Die obere Ebene beherbergt Vereinsräume für Rudern, Segeln, Tauchen und Triathlon sowie Gemeinschaftsräume und ein Fitness-Zentrum. Die untere Ebene, die durch einen doppelten Steg mit dem Hafenbecken verbunden ist, nimmt Bootslager und Werkstätten auf.

Blickbeziehungen innen und außen

Thomas Kock, Gründer und Inhaber des Büros WERK Arkitekter, wollte mit seinem Maritimen Zentrum (ein im Deutschen so kaum genutzter Begriff) einen »point de vue« an der Küste schaffen, »damit jeder den Weg zum neuen Stadtviertel am Meer findet«. Kock vergleicht das am weitesten von der Innenstadt entfernte neue Gebäude mit der Elbphilharmonie in Hamburgs HafenCity, in der er ebenfalls mehrere Neubauten plant.

Der projektleitende Architekt Frank Foray aus Oslo, Kocks Pendant bei Snøhetta, fügt hinzu, dass mit dem Neubau »Besucher zu Aktivität und Engagement eingeladen« werden sollen. Denn ihr Sport- und Seminar-Zentrum bietet Platz für alle: vom Taucher oder Kajakfahrer bis zum Krabbenfischer, Bürger und Passanten. Im EG ist der Grundriss orthogonal und im OG radial organisiert. Der Neubau lädt ein, »einen Blick auf das Meer zu werfen«, sagt Foray. Aber auch innerhalb des Gebäudes entstehen Blickbeziehungen in der Horizontalen und Vertikalen: Zwei ovale Öffnungen im Hof bringen Tageslicht in das EG und verbinden Ober- und Unterdeck des »Bootes« visuell.

Schön und roh, elegant und robust

Snøhettas Entwurf ist von der Geometrie und der Handwerkskunst des Bootsbaus inspiriert. Die Segmente erzeugen unterschiedlich tiefe Schatten, die an ein Kajak erinnern sollen. Die Fenster hingegen sind in vier Höhen unregelmäßig in die Fassadenstreifen eingesetzt. Auf dem geneigten Dach sind ringförmig die Sonnenkollektoren um den First herum integriert. Die Bewohner der höheren umliegenden Gebäude werden es zu schätzen wissen, dass die Architekten eine ansehnliche Dachaufsicht gestaltet haben. Foray wollte »das Poetische mit dem Praktischen vereinen« und »die Bewegung des Meeres mit Alltagsarbeiten«, wie er es formuliert – eine Symbiose von schön und roh, von elegant und robust. Der Blick fällt auf den Horizont über den Deich hinweg. In der Wettbewerbsauslobung war eine Dachterrasse vorgesehen. Da aber die Lage seines Neubaus an der dänischen Waterkant mit kalten, peitschenden Winden einhergehen kann, haben die Architekten mit dem Hof einen Raum geschaffen, der Schutz vor Sturm bietet.

Zugleich mussten die Planer an Hochwasser denken: Weil das Meerwasser bei einer Sturmflut den Damm am Hafenbecken übersteigen könnte, wurde das Warftgeschoss aus Ortbeton gebaut, der in einem Zug gegossen wurde. In Höhe der Türen im Hof verkleiden algengrüne Metallpaneele die Fassaden. Der Hof hat einen Belag aus Hartholz (Accoya) mit eigener paralleler Geometrie. Die Holzfassade darüber aus wärmebehandelter Kiefer hält rauen Wetterbedingungen stand und soll gleichmäßig ergrauen. Mit Patina soll das Maritime Zentrum noch besser aussehen, hoffen die Entwerfer. Auf der erhöhten, öffentlich zugänglichen Terrasse werden alle Aktivitäten zusammengeführt. Entlang der Treppen mit Sitzstufen können Besucher auf windgeschützten Terrassen die Aussicht genießen. Der Neubau des Maritimen Zentrums von Esbjerg beweist also, dass selbst ein Wassersport-Zentrum Räume bieten kann, die mit dem populären dänischen Adjektiv »hygge« am besten zu beschreiben sind.

27. Dezember 2022 Neue Zürcher Zeitung

Der Welt ist nichts mehr hinzuzufügen: Was Babyboomer verwittern lassen, erfindet eine junge Generation japanischer Architektinnen und Architekten neu

Die Werkschau «Make Do With Now» in Basel zeigt, wie eine aufstrebende Architekturszene in Japan auf die grossen Fragen der Zeit reagiert.

Bisher galt Japan als Schlaraffenland der Architektur. Es gibt fast keine baurechtliche Regulierung oder thermische Anforderung für Fassaden, stattdessen fähige Baukonzerne und Handwerker. Mutige Bauherren agieren in einer der reichsten Volkswirtschaften der Welt. Die Ausstellung in Basel «Make Do With Now» (zu Deutsch «mit dem Jetzigen auskommen») überrascht deshalb. Kaum visuell attraktive Exponate werden gezeigt. Keine für Nippon gewohnte Wabi-Sabi-Ästhetik, keine Eleganz, die durch ihre Reduktion auf das Wesentliche perfektioniert ist.

Die Werkschau will «neue Wege in der japanischen Architektur» aufzeigen. Das gelingt ihr auch in ihrer gegenüber der Alltagskultur unprätentiösen Herangehensweise. Sie zeichnet ein radikal anderes Bild vom Land der aufgehenden Sonne. Eines nach Fukushima und eines einer schnell alternden Bevölkerung – besonders auf dem Land. Nach 150 Jahren des stetigen Wachstums geht in Japan die Bevölkerung seit 2008 zurück. Gemäss einer Studie von 2018 stehen bereits über zehn Prozent der Gebäude leer. Die bestehenden welken Gebäude, die die Babyboomer-Generation hinterlässt, werden vielerorts einfach abgerissen.

«Akiya» werden solche leerstehenden Häuser genannt, die sich in den verfallenden Wohnvierteln an den Peripherien der Metropolen zeigen. Beim Bau, bei der Herstellung und Montage von Bauteilen wird «graue Energie» aufgewendet. Insbesondere angesichts der Ressourcenknappheit und Klimadiskussion darf diese nicht verschwendet werden.

Abkehr vom Hochglanz seit Fukushima

Die an der Basler Schau beteiligten Architekturbüros sind kaum bekannt. Es sind Klein- und Kleinstbüros, deren Inhaber erste Umbau-Aufträge nutzen, um ihre gestalterischen Ideen zu testen.

Die neue Generation von Architekten in Japan «behilft sich mit vorgefundenen Materialien und Räumen», so der Kurator der Schau, Yuma Shinohara, im Gespräch. Vom Bild des Architekten als alleinigen Autors eines Gebäudes kehren die jungen Japaner ab. Mit dem Bauherren, den Nutzern, Nachbarn und Handwerkern wollen sie stattdessen Kollektive gründen, die die Umbauten gemeinsam leisten und teilweise auch betreiben.

Die in Basel präsentierten «Gebäude jenseits des Wachstumsparadigmas» haben oft raue Ecken und Kanten, sie suchen eine «Verbindung mit allem, was sie umgibt und bewohnt», sagt Shinohara. Eine Hochglanz-Ästhetik ist ihnen fremd.

Das Unglück von Fukushima 2011 war eine Zäsur, die in Japan auch die Fragilität der Baukunst bewusst gemacht und zum Umdenken geführt hat. Im alternden Werftviertel von Osaka haben «dot architects» beispielsweise einen heruntergekommenen Klumpen von Altbauten liebevoll renoviert und zu einem Kulturzentrum namens «Chidori Bunka» umgestaltet, in dem sie selber jeden Freitagabend eine Sake-Bar betreiben. Denn ihre Renovation sehen sie nicht nur als Reaktion auf den Leerstand, sondern auch als «Rehabilitation der lokalen Gemeinschaft».

Mit Mehrzweckraum, Galerie und Geschäft ist das «Chidori Bunka» Teil des Alltags der Menschen geworden. Es ist «nur ein gewöhnliches Gebäude, geflickt und gestopft mit Tischler-Arbeiten», wie die Architekten sagen. Der Umbau war eine «Bastelarbeit mit Werkzeugen und Materialien, die in der Nachbarschaft verfügbar waren». Es gab endlose Erweiterungen und Veränderungen und nicht einmal einen Plan. Toshikatsu Lenari, einer der Gründer von «dot architects», hat das Tragwerk und die Geschichte und Kultur der Nachbarschaft genau studiert und beide Ansätze zur Grundlage seines behutsamen Low-Budget-Umbaus gemacht.

Neue Ära, auch für die Schweiz

Gebäude als «Rohstofflager» zu betrachten, ist ein Gedanke, der auch in der Schweiz derzeit umfassend diskutiert wird. Vorgefundene Materialien und Räume neu zu nutzen, das Bauen im Bestand und die Partizipation der Nutzer und Nachbarn passen gut in den Zeitgeist, der ganz auf ökologische und soziale Kreisläufe ausgerichtet ist. Die Suche nach Engagement, sagt Shinohara, ist löblich, und die Generation Renovation entwickelt selbst angesichts mondäner Bauaufgaben eine «Can do»-Attitude.

Architekturbüros lediglich als Nichtregierungs- oder Non-Profit-Organisationen und den Architekten als Aktivisten zu betrachten, stösst jedoch an Grenzen. Die Basler Ausstellung präsentiert einen eingeschränkten und auch tendenziösen Blick auf einen kleinen Teil der zeitgenössischen Architektur. Im postolympischen Tokio thront jetzt beispielsweise Yuko Nagayamas Kabukicho-Tower über Shinjuku. Er ist der höchste von einer japanischen Architektin entworfene Wolkenkratzer. Ein paar Bahnstationen weiter südlich wird Sumitomo das höchste Holzhochhaus der Welt bauen.

Ein vollständiges Porträt der neuen Generation japanischer Architekten leistet die Basler Schau also nicht, aber einen aufschlussreichen Blick auf eine Sub-Szene der Architektur als «arte povera» – einen harschen Reality-Check im fernöstlichen Schlaraffenland der Baukultur, der allen Klischees über Japans Architektur widerspricht.

[ Ausstellung im S AM Basel bis 12. März 2023; Publikation: «Make Do With Now: New Directions In Japanese Architecture». Christoph-Merian-Verlag, Englisch. ]

9. Februar 2022 Neue Zürcher Zeitung

Daneben sah Albert Speers Pavillon für das «Dritte Reich» alt aus: Stalins Architekt wird neu entdeckt

Boris Iofan war eine Schlüsselfigur der Sowjetarchitektur – von den Ikonen Stalins bis zum Plattenbau.

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14. Januar 2022 Neue Zürcher Zeitung

Märchen zum Hineinspazieren: Im H. C. Andersen-Museum übersetzt Kengo Kuma bürgerliche Gesellschaftsskizzen in Baukunst

Andersens Erzählungen sind weder linear noch transparent. Japans führender Architekt baut einen Parcours für die Märchenwelt des berühmten dänischen Dichters.

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14. Januar 2022 Neue Zürcher Zeitung

Ricardo Bofill baute Versailles für das Volk - aus Betonfertigteilen

Als prominenter Exponent der Postmoderne in der Architektur war der Spanier nicht überall beliebt. «Pueblos und Paläste sind meine Inspirationsquelle», sagte er über sich, und: «Meine Stil-Auffassungen sind Ergebnis meiner Reisen.»

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7. Januar 2022 Bauwelt

Das Scheitern des Metabolismus

Der Nakagin-Kapselturm, das bekann­teste Gebäude des japanischen Metabolismus, soll abgerissen werden.

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6. Dezember 2021 Neue Zürcher Zeitung

Aurelio Galfetti stellte sich dem Durcheinander der 1960er Jahre mit klaren Formen entgegen

Der Tessiner Architekt legte Linien durch die Landschaft und machte die Mauern des Castelgrande in Bellinzona neu erlebbar. Nun ist er 85-jährig gestorben.

Schon das Erstlingswerk von Aurelio Galfetti wurde als Beginn einer neuen, radikalen Tessiner Architektur bezeichnet: Seine Casa Rotalinti in Bellinzona von 1961 stellte sich mit ihrem Bezug zum italienischen Rationalismus dem Durcheinander von Formen und Ideen der sechziger Jahre entgegen. Der kubische Bau aus Sichtbeton lebt ganz vom Spiel von Volumen und Aushöhlungen.

Architekten wie Galfetti standen in Opposition zur Pop- und High-Tech-Architektur ihrer Zeit und wollten der kommerzialisierten Moderne etwas entgegensetzen. Der Architekturhistoriker Kenneth Frampton ordnete das schlichte Wohnhaus sogar als wichtigsten Einfluss der Tessiner Architektur, die er als exemplarisch für den von ihm als «kritischen Regionalismus» bezeichneten Stil empfand, ein.

Galfetti, geboren 1936 in Biasca, gilt neben Mario Botta, Flora Ruchat-Roncati, Luigi Snozzi, Rino Tami und Livio Vacchini als Hauptvertreter der Tessiner Schule. Nach einem Praktikum im Architekturbüro von Tita Carloni studierte er an der ETH Zürich Architektur, bevor er 1960 in seiner Heimatstadt Lugano sein eigenes Büro eröffnete. Galfetti konnte später im Leben seine architektonischen Positionen im Rahmen von Gastprofessuren in Lausanne und Paris weitergeben und als erster Direktor der Accademia di Architettura di Mendrisio festigen.

Mittelalterliche Mauern erlebbar gemacht

Sein Opus magnum, das Castelgrande in Bellinzona, vereint Galfettis schlichte Gesten mit seinem grossen Respekt für die Traditionen der Architektur. Die Transformation des Kastells (1983–1991) wird auch Bellinzonas Akropolis genannt. Das im 13. Jahrhundert erbaute Castelgrande ist die älteste und grösste Festung der Stadt. Es thront auf einem ausgehöhlten Felssockel aus Gneis, in den Galfetti aus Beton geschickt eine neue Erschliessung modellierte.

Seine Überzeugung war es, «durch Transformation die Geschichte zu vergegenwärtigen»: Er führte den Felsen auf seinen Urzustand zurück und befreite ihn von jeglichem Bewuchs. Die «Kontinuität von steinernen Mauern und Fels», so Galfetti, kam damit zum Vorschein und zeigt den ästhetischen Dialog der Natur und der von Menschenhand geschaffenen Altstadt, die ebenfalls aus Stein besteht.

Um Touristen den beschwerlichen Aufstieg zum Kastell zu ersparen, werden sie über einen Vorhof an der Piazza del Sole in die enger werdende Felsschlucht mit Aufzügen geführt. Ein mit feinstem Sichtbeton ausgekleideter Felsspalt wirkt wie eine Pforte des Hades – Formen und Massstab von Galfettis Eingängen sind an antike Gräber angelehnt. Den Hügel umgibt heute ein Stadtpark, der Fels unter dem Kastell fungiert als Sockel.

Galfetti war es untersagt, die Fassaden der historischen Bauten umzugestalten, also nutzte er die Mittel der Subtraktion: Spätestens beim Betreten des Haupteingangs offenbart sich Besuchern eine der wichtigsten modernen Raumschöpfungen im Tessin: Durch das Dach der kuppelartigen Eingangshalle bleibt die fragile Aussenmauer lesbar. Belichtet werden die Räume durch Fensterschlitze mit schrägen Laibungen. Beim Stadtmuseum im Ostflügel des Kastells gelang es ihm, einen eindrücklichen Parcours zu formen, der den Bezug zur Stadt und zur Landschaft verstärkt. Galfetti hat mit seiner Transformation des Castelgrande Qualitätsmassstäbe gesetzt, an denen sich die Tessiner Architektur bis heute messen lassen muss.

Ein 500 Meter-Gebäude verbindet Stadt und Landschaft

In seinen eigenen Worten kann «der Verlust der historischen Städte nur kompensiert werden durch den Bau von Gebäuden als Städten en miniature». Die von ihm propagierte Einflussnahme der Architektur auf die Stadtentwicklung, eine der grossen Errungenschaften der Postmoderne, hat hier ihre Wurzeln. Aus dieser Entwurfshaltung ergibt sich auch die Vielgestaltigkeit von Galfettis Bauten, die auf ganz unterschiedliche Kontexte reagieren.

Ein wichtiger Teil von Galfettis Laufbahn war die Bekanntschaft mit Flora Ruchat-Roncati, der prominentesten Vertreterin der sogenannten Tessiner Schule. Ruchat-Roncati, Galfetti und Ivo Trümpy realisierten zusammen Bauten im Tessin, die ausgehend vom Werk Le Corbusiers zum Ziel hatten, den jeweiligen Ort in die Region einzubinden. Das bekannteste Beispiel dieser Arbeiten ist das Bagno Publicco von Bellinzona, welches das Trio Ende der sechziger Jahre entwarf und das zu einem Schlüsselwerk der neuen Tessiner Architektur wurde: Die Bauten des Freibads durchziehen ihr Gelände axial und verbinden die peripheren, stadtseitigen Wohnquartiere mit dem Flussufer.

Das sechs Meter über dem Boden aufgeständerte, 500 Meter lange «Weg-Gebäude» verbindet die Stadt mit ihrem Fluss über eine Kantonsstrasse hinweg. Der Steg schafft zugleich eine neue Beziehung zwischen den Bergen und der Landschaft und organisiert das ganze Gelände neu. Die Stahlbeton-Fussgängerbrücke wirkt dabei städtisch, während der Liegebereich der Landschaft zugeordnet wurde. Einläufige Treppen verbinden die Promenade mit dem tiefer liegenden Freibad. Die «promenade architecturale» verankert die mal geometrisch, mal organisch geformten Bassins und die expressiven Betonplastiken des Sprungturms und der Rutschbahn in der flachen, durch Bäume und Berge gerahmten Flusslandschaft. Die lange Passerelle, das zentrale Element des Bads, bietet Aussichten und verschmilzt Gebäude und Landschaft.

Bellinzonas Bagno Publicco stellte die Zeichen der Zeit auf eine zeitgemässe, menschenfreundliche Architektur, entgegen der High-Tech-Euphorie der 1960er Jahre. Dass die Landschaft, zusammen mit der Geschichte und Erinnerung des Ortes, selbst bei kleinen Bauten die Hauptrolle behält, demonstrierte Galfetti am Castelgrande. Sein Werk steht sowohl für die Rückbesinnung auf baumeisterliche Tätigkeit und Handwerk im Kleinen als auch für Sensibilität gegenüber dem Städtebau im grossen Massstab und wirkt bis heute nach. Sein Sohn Michele Galfetti machte beim Tessiner Sender RSI, wo er angestellt ist, den Tod in der Nacht auf heute Montag bekannt.

Publikationen

2023

Gewers Pudewill
Tailor Made Architektur

Neue Bauten seit 2019 des vielfach ausgezeichneten Berliner Büros Gewers Pudewill
Hrsg: Ulf Meyer
Verlag: Park Books

2023

Urban building by Tadao Ando
weisenburger headquarters in Karlsruhe

Der Bürokomplex in Karlsruhe gilt als Tadao Andos erster urbaner Entwurf in Deutschland. Die Publikation gibt exklusive Einblicke in die Entstehung und Planung des Bauwerks. Architekturfotografien und Gebäudepläne zeigen Andos gestalterische Formel: die Reduktion auf das Wesentliche, Sichtbeton im Maß
Autor: Ulf Meyer
Verlag: avedition GmbH

2018

Oslo Architectural Guide
Architectural Guide

„The alternating cultural centres, bustling commercial quarters, and tranquil residential complexes all make cycling along Oslo’s new harbour promenade the ultimate urban experience.“ Falk Jaeger Once known only for its natural surroundings, Oslo is now firmly on the map for its architecture. Contemporary
Autor: Ulf Meyer, Henning Nielsen
Verlag: DOM publishers

2018

Helsinki Architekturführer
Bauten und Projekte von 1917 bis heute

Die nördlichste Pilgerstätte für die Anhänger guter Gestaltung bietet eine hohe Dichte an kreativem Potenzial, so dass auch die finnische Architektur in den vergangenen Jahren ihre internationale Bedeutung ausbauen konnte. Darüber hinaus trägt das immer wieder preisgekrönte finnische Design dazu bei,
Autor: Ulf Meyer
Verlag: DOM publishers

2018

Tokio
Architekturführer

Der erste Architekturführer Tokio in deutscher Sprache präsentiert in seiner zweiten, erweiterten Auflage knapp 300 der interessantesten und spektakulärsten Gebäude, die in den vergangenen 100 Jahren in Tokio entstanden sind. Kenntnisreich wird die faszinierende zeitgenössische Baukunst der japanischen
Autor: Ulf Meyer
Verlag: DOM publishers

2015

JSWD Architekten
Portfolio

Das Kölner Architekturbüro JSWD macht vor, wie nachhaltig das Bemühen um eine internationale Aufstellung belohnt werden kann: In Italien, Luxemburg, Belgien, der Schweiz und Österreich bearbeiten JSWD Architekten derzeit – zum Teil mit europäischen Partnern – große Projekte. Dabei steht das Verständnis
Autor: Ulf Meyer
Verlag: JOVIS

2012

Architekturführer Taiwan

Die kreative Architektur-, Design- und Stadtkulturszene Taiwans hat im Ausland bisher nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit erfahren. Als Band der bei DOM publishers herausgegebenen Reihe Architekturführer widmet sich dieses Buch der Architektur und Stadtkultur in der Inselrepublik Taiwan. Vorgestellt
Hrsg: Ulf Meyer
Verlag: DOM publishers

2010

CBA Christian Bauer

Luxemburg hat sich in den letzten Jahren zu einer Hochburg zeitgenössischer Baukunst gemausert. Neben den Arbeiten prominenter internationaler Architekten, sticht das Œuvre des Luxemburger Büros christian bauer & associés architectes heraus. Der Wirkungskreis des Büros reicht mit seinen Projekten – seien
Autor: Ulf Meyer
Verlag: JOVIS