Akteur

Jabornegg & Pálffy
Wien (A)

Nachdenken. Ganz einfach.

Die Architekten Jabornegg & Pálffy sind eine Liga für sich. Ab nächster Woche führen sie das in einer Ausstellung im Münchner Architekturmuseum vor

20. Juni 2009 - Ute Woltron
Die Welt ist alles, was der Fall ist, und dieser Satz von Ludwig Wittgenstein lässt sich auch in der Welt der Architektur zur Anwendung bringen. Denn was ist Architektur?

Mittlerweile alles, was der Fall ist - zumindest möchte das eine große, von unendlich vielen Begehrlich- und Eitelkeiten gespeiste Marketing-, Medien- und PR-Maschinerie die geneigte Öffentlichkeit glauben lassen.

Sie hat in den vergangenen Jahren die Disziplin erfasst und begonnen, die Architektur gnadenlos nach ihrem Diktat vor sich herzutreiben. Selbst manch kunstvoll ausgepinselte Nasszelle - landläufig Klo genannt - ward in dieser Epoche des Marktschreierischen zum architektonischen Meisterwerk erklärt.

Die Selbst- und Fremdbespiegelung der Architektur zeigt dabei Rückbezüglichkeit: Die Architektur begann ihr eigenes Image im Dienste der Vermarktbarkeit in bunten Bildern mitzuplanen. Das Bild wurde wichtiger als das, was es abbildet. Ein Spiegel im Spiegel.

„Um zu erkennen, ob das Bild wahr oder falsch ist, müssen wir es mit der Wirklichkeit vergleichen“, sagt Wittgenstein, und im Falle der Architektur von Christian Jabornegg und András Pálffy fällt dieser Vergleich vergnüglich aus. Die Spaziergänge durch ihre Architekturen machen einmal mehr bewusst, dass Architektur vor allem die Kunst des Dreidimensionalen ist und keine Abbildung dem Raumempfinden auch nur irgendwie gerecht werden kann.

Wie sie den Raum erspüren, die Wege lenken, die Materialien einsetzen; wie bedächtig sie die Inhalte dieser Räume abwägen und zu den entsprechenden Formen finden, zeugt von einer großen Ruhe und jenem langen Atem, der Architektur von dem einfach Hingebauten so grundlegend unterscheidet.

Die beiden Wiener Architekten haben, ohne die breitere Öffentlichkeit davon ständig in Kenntnis zu setzen, in den vergangenen zwanzig Jahren ein außergewöhnliches OEuvre hingelegt. Tatsächlich zählen ihre Arbeiten wie etwa der Umbau der Wiener Schöllerbank, das Museum Judenplatz, die Überdachung des Passionsspielhauses Oberammergau und die Freilegung der mittelalterlichen Gemäuer von Stift Altenburg zum Feinsten, was die heimische Architekturszene zu bieten hat.

Man kann darüber spekulieren, ob die selbstgewählte Medienabstinenz der beiden die Qualität der solchermaßen in Ruhe und Reflexion entstandenen Arbeiten nicht geradezu befördert hat. Doch jetzt, befand Winfried Nerdinger, der unter anderem als Direktor des Architekturmuseums der Technischen Universität München überlegt tätig ist, sei der Abstinenz schon auch einmal Genüge getan.

Kommende Woche eröffnet in München also die erste große Jabornegg-&-Pálffy-Ausstellung. Doch auch die entzieht sich weitestgehend multimedialem Geflimmer. Sie zeigt vor allem eines: die Architektur als Modell. Denn mit Abbildungen muss man, wie gesagt, vorsichtig sein. Das Modell aber ist eine alte, erprobte Diszi-plin für sich, die Architektur in ein nach eigenen Gesetzmäßigkeiten lesbares Medium transponiert. 32 Modelle von 28 Projekten sind zu sehen - Riesendinger , präzise von der eigenen Crew des Architekturbüros in monatelanger Feinarbeit aus Lindenholz und Metall herausgearbeitet. Die Schau trägt den Untertitel Bauen im Bestand, denn gerade in dieses schwierige Gebiet haben sich Jabornegg und Pálffy im Speziellen vertieft. Ein altes Haus kann man zu Tode restaurieren. Man kann es aufschminken und mit Krücken mühselig in die Gegenwart hinken lassen. Man kann ihm aber auch mit radikalem Respekt begegnen: Die Kunst, sich vor altem Gemäuer nicht nur ehrfürchtig zu verneigen, sondern aus historischen Bauten das Beste hervorzustreichen und mit dem Neuen zu verheiraten, ist dann geglückt, wenn sich die Elemente gegenseitig bedingen und verstärken. Veranschaulicht wird das beispielsweise im Fall Museum Judenplatz mit den unterirdischen Ausstellungsräumen für die Grabungsfunde der dort freigelegten Synagoge. Dort vermählen sich die verschiedensten Bauzeitalter zu einem schlüssigen Ganzen. Noch nicht gebaut, doch vielversprechend ist auch der Wettbewerbsgewinn für die Erweiterung von Schloss Esterházy in Eisenstadt. Der geplante Zubau dockt behutsam an den Bestand an, erweitert diesen um diverse Ausstellungsräume und macht zudem durch Einschnitte und Durchgänge eine wesentlich flexiblere Bespielung der bestehenden historischen Räumlichkeiten möglich. Bei der gerade in Bau befindlichen Waygood Gallery im britischen Newcastle upon Tyne werten die Architekten ein denkmalgeschütztes Industriegebäude durch chirurgisch präzise Ein- und Aufbauten zu neuen Ausstellungsräumen und Ateliers auf.

Im Nachhinein betrachtet wirken die Architekturen von Jabornegg & Pálffy stets so logisch und einfach, und gerade darin besteht ihre große Raffinesse. Wie das geht? „Lang Nachdenken“, sagt Jabornegg. „Einen Zwang, nach dem Eines geschehen müsste, weil etwas anderes geschehen ist, gibt es nicht“, sagt Wittgenstein: „Es gibt nur eine logische Notwendigkeit.“ Die zu erkennen und umzusetzen, haben die beiden perfektioniert.

[ Jabornegg & Pálffy. Bauen im Bestand. 25. 6.- 27. 9., Pinakothek der Moderne, zur Ausstellung erscheint im Verlag Niggli ein Katalog ]

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András Pálffy

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Jabornegg & Pálffy , Foto: Jabornegg & Pálffy