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Eine Welt voller Volt

Am 26. Jänner ist International Day of Clean Energy: Die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen steigt in Österreich exponentiell an, und das ist gut so. Was heißt das im Kontext historischer Dörfer und schützenswerter Altstädte?
25. Januar 2025 - Wojciech Czaja
Hans Peter Weis versteht die Welt nicht mehr. Vor ein paar Jahren haben ihm die Baubehörde und der unabhängige Gestaltungsbeirat gesagt, er solle das neue Vordach über dem Balkon in einem satten Ziegelrot decken, so wie all die anderen Dachflächen auf dem Haus, und nun, wo er auf das bereits errichtete Vordach nachträglich eine Photovoltaik-Anlage mit fünf Modulen draufsetzen will, um sich von der EVN ein bisschen unabhängiger zu machen, soll er das Blechdach plötzlich dunkelgrau streichen.
„Und jetzt muss ich mit meinen 70 Jahren“, sagt der pensionierte, aber immer noch rüstige Bergsteiger und Bergführer, „bevor die Photovoltaik-Monteure kommen, aufs Dach raufkraxeln, 15 Meter über der Ybbs, und die Blechdeckung neu lackieren, bloß damit die PV-Paneele nicht so stark in Erscheinung treten. Ganz ehrlich? Ich bin sehr dafür, dass man die Altstadt von Waidhofen schützt und das Altehrwürdige bewahrt. Aber dieses ganze Theater für so eine kleine Anlage? Da fehlt mir echt das Verständnis.“
Das PV-Projekt von Hans Peter Weis ist kein Einzelfall. Seit der Corona-Pandemie und vor allem seit Russlands Angriff auf die Ukraine hat die sukzessive Umrüstung auf solare Stromproduktion – ob auf Fassaden oder in der Dachlandschaft – in Waidhofen an der Ybbs deutlich zugenommen. So sehr, dass die Stadt und der zuständige Gestaltungsbeirat, dem der Autor dieser Zeilen als Mitglied angehört, beschlossen haben, einen vorübergehenden Baustopp zu verhängen und in dieser Zeit Schutzzonen zu definieren und zonenabhängige Bebauungsbestimmungen festzuzurren.
Richtlinien benötigt
„Die Errichtung von PV-Anlagen und damit auch die Kollisionspunkte zwischen neuen Technologien und historischer Architektur haben im gesamten Bundesland spürbar zugenommen“, sagt Peter Aichinger-Rosenberger, Amtssachverständiger für Baukultur in der Niederösterreichischen Baudirektion. „Vor allem im Denkmalschutz, im Ortsbildschutz, in städtischen Schutzzonen und im Unesco-Welterbe benötigt diese neue Form von baulichen Fragestellungen rechtliche und gestalterische Grundlagen.“ Einige Gemeinden wie etwa Melk, Krems oder Baden, so der Experte, hätten bereits gute Lösungen, andere sind gerade dabei, entsprechende Richtlinien auszuarbeiten.
In Wien soll die Photovoltaik von derzeit 250 Megawatt Peak bis 2030 auf ein Gesamtleistungsvolumen von 800 Megawatt ausgebaut werden. Das werde nicht ohne dezentrale Großanlagen und ohne Aufrüstung bestehender Altgebäude gehen, meint der Wiener Stadtbaudirektor Bernhard Jarolim und verweist auf die geplante 500 Quadratmeter große PV-Anlage auf der Staatsoper und auf die kürzlich installierte PV-Landschaft am Wiener Rathaus, die rund 13 Prozent des Rathaus-Strombedarfs abdeckt.
Graz ist in mehrere Schutzzonen unterteilt, die Schutzzone eins ist aufgrund des historischen Stadtkerns und der intakten Dachlandschaft nahezu sakrosankt. Wer hier eine PV-Anlage errichten will, erklärt der Stadtbaudirektor und Welterbe-Beauftragte Bertram Werle, der brauche ein positives Gutachten der Altstadtsachverständigenkommission (ASVK). Die baulichen und gestalterischen Möglichkeiten sind stark limitiert und beschränken sich vor allem auf Innenhöfe und nicht öffentlich einsehbare Bauteile.
Rasante Entwicklung
Noch strenger ist Salzburg, wo innerhalb der barocken Altstadt bis heute keine PV-Nachrüstungen genehmigt wurden. „Die Dachlandschaft der Innenstadt findet Erwähnung im Welterbe und ist von allen Hausbergen gut einsehbar“, sagt Eva Hody, Landeskonservatorin für Salzburg im österreichischen Bundesdenkmalamt. „Daher müssen wir hier besonders streng sein. Aktuell haben wir blendfreie Klebepaneele in Begutachtung. Ich denke, das könnte bald eine gut integrierbare Lösung werden.“
Für besonders sensible Bereiche bietet der Markt außerdem sogenannte Dünnschichtpaneele, die matt, blendfrei und in unterschiedlichen Farben erhältlich sind. Deren Nachteil ist die geringe solare Ernte, die weit unter dem Output eines klassischen, vollkristallinen Hochleistungsmoduls liegt.
In den letzten Jahren hat der PV-Ausbau in Österreich exponentiell zugelegt. Allein 2023 wurden 2600 Megawatt Photovoltaik neu installiert – so viel wie in Summe in den fünf Jahren zuvor. Laut E-Control und Klimaschutzministerium verfügt Österreich heute über etwa 8700 Megawatt netzgekoppelter Photovoltaik. Hinzu kommt eine nicht erfassbare Dunkelziffer von nicht einspeisenden Insellösungen.
„Es wird immer mehr, und das ist gut so“, sagt Markus Bischofer, Bürgermeister des Tiroler Vorzeigedorfs Alpbach. „Aber wir sind eine schöne, touristisch attraktive Gemeinde, und deswegen brauchen wir auch restriktive Vorschriften.“ Vor zwei Jahren wurden neue Bebauungsbestimmungen erlassen: Erlaubt sind ausschließlich matte Paneele in dachparalleler Schräglage. Alles andere ist strengstens untersagt. Wer ein Veto kriegt und sich dadurch ökologisch benachteiligt fühlt, kann in eine Gemeinschaftsanlage investieren, die Albach zu genau diesem Zweck ein paar Kilometer außerhalb errichtet hat. Ein gangbarer Weg zum internationalen Tag der sauberen Energie.
„Und jetzt muss ich mit meinen 70 Jahren“, sagt der pensionierte, aber immer noch rüstige Bergsteiger und Bergführer, „bevor die Photovoltaik-Monteure kommen, aufs Dach raufkraxeln, 15 Meter über der Ybbs, und die Blechdeckung neu lackieren, bloß damit die PV-Paneele nicht so stark in Erscheinung treten. Ganz ehrlich? Ich bin sehr dafür, dass man die Altstadt von Waidhofen schützt und das Altehrwürdige bewahrt. Aber dieses ganze Theater für so eine kleine Anlage? Da fehlt mir echt das Verständnis.“
Das PV-Projekt von Hans Peter Weis ist kein Einzelfall. Seit der Corona-Pandemie und vor allem seit Russlands Angriff auf die Ukraine hat die sukzessive Umrüstung auf solare Stromproduktion – ob auf Fassaden oder in der Dachlandschaft – in Waidhofen an der Ybbs deutlich zugenommen. So sehr, dass die Stadt und der zuständige Gestaltungsbeirat, dem der Autor dieser Zeilen als Mitglied angehört, beschlossen haben, einen vorübergehenden Baustopp zu verhängen und in dieser Zeit Schutzzonen zu definieren und zonenabhängige Bebauungsbestimmungen festzuzurren.
Richtlinien benötigt
„Die Errichtung von PV-Anlagen und damit auch die Kollisionspunkte zwischen neuen Technologien und historischer Architektur haben im gesamten Bundesland spürbar zugenommen“, sagt Peter Aichinger-Rosenberger, Amtssachverständiger für Baukultur in der Niederösterreichischen Baudirektion. „Vor allem im Denkmalschutz, im Ortsbildschutz, in städtischen Schutzzonen und im Unesco-Welterbe benötigt diese neue Form von baulichen Fragestellungen rechtliche und gestalterische Grundlagen.“ Einige Gemeinden wie etwa Melk, Krems oder Baden, so der Experte, hätten bereits gute Lösungen, andere sind gerade dabei, entsprechende Richtlinien auszuarbeiten.
In Wien soll die Photovoltaik von derzeit 250 Megawatt Peak bis 2030 auf ein Gesamtleistungsvolumen von 800 Megawatt ausgebaut werden. Das werde nicht ohne dezentrale Großanlagen und ohne Aufrüstung bestehender Altgebäude gehen, meint der Wiener Stadtbaudirektor Bernhard Jarolim und verweist auf die geplante 500 Quadratmeter große PV-Anlage auf der Staatsoper und auf die kürzlich installierte PV-Landschaft am Wiener Rathaus, die rund 13 Prozent des Rathaus-Strombedarfs abdeckt.
Graz ist in mehrere Schutzzonen unterteilt, die Schutzzone eins ist aufgrund des historischen Stadtkerns und der intakten Dachlandschaft nahezu sakrosankt. Wer hier eine PV-Anlage errichten will, erklärt der Stadtbaudirektor und Welterbe-Beauftragte Bertram Werle, der brauche ein positives Gutachten der Altstadtsachverständigenkommission (ASVK). Die baulichen und gestalterischen Möglichkeiten sind stark limitiert und beschränken sich vor allem auf Innenhöfe und nicht öffentlich einsehbare Bauteile.
Rasante Entwicklung
Noch strenger ist Salzburg, wo innerhalb der barocken Altstadt bis heute keine PV-Nachrüstungen genehmigt wurden. „Die Dachlandschaft der Innenstadt findet Erwähnung im Welterbe und ist von allen Hausbergen gut einsehbar“, sagt Eva Hody, Landeskonservatorin für Salzburg im österreichischen Bundesdenkmalamt. „Daher müssen wir hier besonders streng sein. Aktuell haben wir blendfreie Klebepaneele in Begutachtung. Ich denke, das könnte bald eine gut integrierbare Lösung werden.“
Für besonders sensible Bereiche bietet der Markt außerdem sogenannte Dünnschichtpaneele, die matt, blendfrei und in unterschiedlichen Farben erhältlich sind. Deren Nachteil ist die geringe solare Ernte, die weit unter dem Output eines klassischen, vollkristallinen Hochleistungsmoduls liegt.
In den letzten Jahren hat der PV-Ausbau in Österreich exponentiell zugelegt. Allein 2023 wurden 2600 Megawatt Photovoltaik neu installiert – so viel wie in Summe in den fünf Jahren zuvor. Laut E-Control und Klimaschutzministerium verfügt Österreich heute über etwa 8700 Megawatt netzgekoppelter Photovoltaik. Hinzu kommt eine nicht erfassbare Dunkelziffer von nicht einspeisenden Insellösungen.
„Es wird immer mehr, und das ist gut so“, sagt Markus Bischofer, Bürgermeister des Tiroler Vorzeigedorfs Alpbach. „Aber wir sind eine schöne, touristisch attraktive Gemeinde, und deswegen brauchen wir auch restriktive Vorschriften.“ Vor zwei Jahren wurden neue Bebauungsbestimmungen erlassen: Erlaubt sind ausschließlich matte Paneele in dachparalleler Schräglage. Alles andere ist strengstens untersagt. Wer ein Veto kriegt und sich dadurch ökologisch benachteiligt fühlt, kann in eine Gemeinschaftsanlage investieren, die Albach zu genau diesem Zweck ein paar Kilometer außerhalb errichtet hat. Ein gangbarer Weg zum internationalen Tag der sauberen Energie.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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