Bauwerk
House of Schools
querkraft architekten - Linz (A) - 2024

Eine Werkstatt für die Stahlstadt
Das House of Schools von Querkraft Architekten ergänzt den Campus der Linzer Johannes-Kepler-Universität um ein freundliches Lern- und Forschungsgebäude mit viel Luft und Raum für freies Denken und Reden.
19. April 2025 - Maik Novotny
Die österreichischen Großstädte, bei denen es sich nicht um Wien handelt, sind nicht schwer zu unterscheiden. In Graz haben die Menschen dicke, drahtige Haare, schätzen gutes und reichliches Essen und reichern die Stadt mit einer enormen kulturellen Dichte an. In Innsbruck löst man Probleme, indem man sagt: Mir wurscht, ich geh jetzt auf den Berg, und praktischerweise ist die nötige Bergausrüstung auch immer in Greifweite. Die Altstadt von Salzburg ist der ideale Ort, wenn man das Gefühl erleben möchte, in einer katholischen Gruft eingesperrt zu sein.
In Linz wiederum gehen Denken und Machen eine Einheit ein. Es ist keine Stadt, die gesellschaftliche Hürden aufstellt und Territorien markiert. Hier müssen Neuankömmlinge aus Inn-, Hausruck-, Mühl- und Traunviertel nicht zuerst das feine städtische Benehmen und seine geheimen Codes lernen, um aktiv zu werden. Im Gegenteil: Es ist eine Stadt, in der pragmatische Menschen aus ländlichen Regionen ohne Umschweife die Ärmel hochkrempeln und städtisch zupacken. Montieren, fertigen, realisieren. Allerdings fahren die meisten danach wieder zurück aufs Land. Was bedeutet, dass man in Linz kaum eine Ruhe vor dem permanent nervend präsenten Autoverkehr hat.
Eine Drive-in-Stadt für das Umland.
Das spürt man auch auf dem Gelände der Johannes-Kepler-Universität, dem mit 365.000 Quadratmetern größten Hochschulcampus Österreichs. Viele Studierende pendeln aus dem oberösterreichischen Umland, im neuen Parkhaus reihen sich die Autos mit den Kennzeichen FR, LL, PE und UU aneinander. Es ist, wenn so etwas möglich ist, ein schön anzuschauendes Parkhaus mit leuchtendrotem Stiegenhaus und begrünter Fassade. Es ist Teil der „Erweiterung Campus West“, wofür 2020 ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben wurde.
Das beständige Wachsen des Campus folgt einem dezidierten Plan, bei dem die Architektur eine Hauptrolle spielt. Mit der etwas an Mies van der Rohes Berliner Neue Nationalgalerie erinnernden kohlschwarzen Kepler Hall, dem rostroten Quader des LIT Open Innovation Center und der luftig-weißen Aufstockung der Bibliothek zum Learning Center wurden zwischen 2019 und 2021 mehrere neue Bausteine fertiggestellt, alle drei von Riepl Riepl Architekten mit Präzision und tektonischer Eleganz in die rechtwinklige Grammatik der bestehenden Bauten eingefügt.
In seiner Ausgewogenheit aus architektonischem Statement und seriöser Zurückhaltung ist der JKU-Campus überzeugender als der Wiener WU-Campus mit seinen lautstark um Aufmerksamkeit ringenden eitlen Einzelskulpturen. Die Linzer Universität ist ein Ort zum Lernen und Forschen, bei dem wie auf jedem guten Campus Innen- und Außenraum eine gleichwertige Rolle spielen, und kein Freilichtmuseum der vergangenen Starchitecture-Ära.
Ruhig und introvertiert
Den Wettbewerb für die westliche Erweiterung gewannen Querkraft Architekten, die nicht nur das Parkhaus realisierten, sondern vor allem ein „House of Schools“, das mit einer Reihe von drei Bauten den Rand des Areals markiert. Im Gegensatz zu den anderen Beiträgen, die sich baulich eher breit machten, wurde der Baumbestand weitgehend erhalten und gemeinsam mit Landschaftsplaner Kieran Fraser ein grüner Übergang zum benachbarten Wald geschaffen. Das Budget für die Gesamterweiterung beträgt rund 90 Millionen Euro. Der erste dieser drei Bausteine ist bereits bezogen, die anderen folgen später.
Besucherinnen aus Wien dürften auf den ersten Blick von einem Querkraft-Déjà-vu durchflutet werden. Denn mit seinem schlanken weißen Stahlgerüst erinnert das House of Schools an den mit viel Aufmerksamkeit bedachten Innenstadt-Ikea am Westbahnhof, entworfen vom selben Team. „Das stimmt schon“, sagt Peter Sapp, einer der drei Querkraft-Gründungspartner. „Aber dort dient der weiße Rahmen vor allem der Begrünung der Fassade. Das House of Schools in Linz ist ruhiger und introvertierter. Es ist ein Gebäude, das zum Lernen und Arbeiten motivieren soll.“
Als Hauptmotivator soll hier der Raum dienen, der sich zwischen den Büros der Forschenden und Lehrenden aufspannt. Ein luftiges Atrium voller Tageslicht, in dem sich Stiegen, Galerien, Podeste und Stege übereinanderschichten, farblich dezent untermalt durch die in Chirurgenkittelgrün gehaltenen Innenwände der Büros. Während die zweischichtige Außenhülle aus weißem Stahl sich um Sonnenschutz und grüne Berankung kümmert, spannt im Inneren ein Stahlbetongerüst mit luftiger Zehn-Meter-Spannweite einen großen Raum auf, in dem man zwanglos an den hier angesiedelten Instituten vorbeiflanieren kann. Ein House für die Schools.
Im Foyer fläzt sich eine Gruppe Studierender entspannt debattierend auf gemütlichen Fauteuils, andere sind am Tisch in ernsthafte Gruppenarbeit vertieft. Aufgefächerte Konzeptpapiere, Fachdialoge in oberösterreichischem Dialekt. Weiter oben besiedeln ovale Besprechungsinseln die Plattformen, bei Benutzung zieht man einfach den Vorhang zu. Klettert man ein Geschoß weiter, kann man von oben hineinspähen. In der Lounge in der vierten Etage zeugt ein offenbar liebevoll gepflegtes Zitronenbäumchen schon von der Aneignung durch die Benutzer. Eine Mischung aus Werkstatt und Wohnzimmer, mit vielen Durchblicken in die Büros und von dort ins Freie.
Nicht wenige Türen zu diesen Büros stehen offen. „Das ist typisch für dieses Haus“, sagt eine Mitarbeiterin des Instituts für Organisation, die sich gerade einen Kaffee an der offenen Küche auf Ebene 2 holt. „Wir sind sehr begeistert von den Möglichkeiten der Kommunikation hier“, freut sie sich. „Früher waren die Kolleginnen und Kollegen unsichtbar in irgendwelchen Kammerln versteckt, hier ist der alltägliche Austausch ganz einfach.“ Und wer könnte den Erfolg der räumlichen Organisation besser beurteilen als das Institut für Organisation?
Die lichtdurchflutete Geborgenheit, das absichtliche Freilassen von Lücken (das Stahlbetongerüst ließe sich, wenn später nötig, noch mit weiteren Plattformen ausfüllen), das einladend Unvollendete, all das erzeugt eine Atmosphäre des freien Denkens und Redens. Das spendet Trost in Zeiten, da in den USA die Universitäten und die Bildung an sich von den Demokratiezerstörern und Faschisten zum Feind erklärt werden. Ein tragkräftiger und tatkräftiger Baustein für die Stahlstadt und ihre Bildungslandschaft.
In Linz wiederum gehen Denken und Machen eine Einheit ein. Es ist keine Stadt, die gesellschaftliche Hürden aufstellt und Territorien markiert. Hier müssen Neuankömmlinge aus Inn-, Hausruck-, Mühl- und Traunviertel nicht zuerst das feine städtische Benehmen und seine geheimen Codes lernen, um aktiv zu werden. Im Gegenteil: Es ist eine Stadt, in der pragmatische Menschen aus ländlichen Regionen ohne Umschweife die Ärmel hochkrempeln und städtisch zupacken. Montieren, fertigen, realisieren. Allerdings fahren die meisten danach wieder zurück aufs Land. Was bedeutet, dass man in Linz kaum eine Ruhe vor dem permanent nervend präsenten Autoverkehr hat.
Eine Drive-in-Stadt für das Umland.
Das spürt man auch auf dem Gelände der Johannes-Kepler-Universität, dem mit 365.000 Quadratmetern größten Hochschulcampus Österreichs. Viele Studierende pendeln aus dem oberösterreichischen Umland, im neuen Parkhaus reihen sich die Autos mit den Kennzeichen FR, LL, PE und UU aneinander. Es ist, wenn so etwas möglich ist, ein schön anzuschauendes Parkhaus mit leuchtendrotem Stiegenhaus und begrünter Fassade. Es ist Teil der „Erweiterung Campus West“, wofür 2020 ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben wurde.
Das beständige Wachsen des Campus folgt einem dezidierten Plan, bei dem die Architektur eine Hauptrolle spielt. Mit der etwas an Mies van der Rohes Berliner Neue Nationalgalerie erinnernden kohlschwarzen Kepler Hall, dem rostroten Quader des LIT Open Innovation Center und der luftig-weißen Aufstockung der Bibliothek zum Learning Center wurden zwischen 2019 und 2021 mehrere neue Bausteine fertiggestellt, alle drei von Riepl Riepl Architekten mit Präzision und tektonischer Eleganz in die rechtwinklige Grammatik der bestehenden Bauten eingefügt.
In seiner Ausgewogenheit aus architektonischem Statement und seriöser Zurückhaltung ist der JKU-Campus überzeugender als der Wiener WU-Campus mit seinen lautstark um Aufmerksamkeit ringenden eitlen Einzelskulpturen. Die Linzer Universität ist ein Ort zum Lernen und Forschen, bei dem wie auf jedem guten Campus Innen- und Außenraum eine gleichwertige Rolle spielen, und kein Freilichtmuseum der vergangenen Starchitecture-Ära.
Ruhig und introvertiert
Den Wettbewerb für die westliche Erweiterung gewannen Querkraft Architekten, die nicht nur das Parkhaus realisierten, sondern vor allem ein „House of Schools“, das mit einer Reihe von drei Bauten den Rand des Areals markiert. Im Gegensatz zu den anderen Beiträgen, die sich baulich eher breit machten, wurde der Baumbestand weitgehend erhalten und gemeinsam mit Landschaftsplaner Kieran Fraser ein grüner Übergang zum benachbarten Wald geschaffen. Das Budget für die Gesamterweiterung beträgt rund 90 Millionen Euro. Der erste dieser drei Bausteine ist bereits bezogen, die anderen folgen später.
Besucherinnen aus Wien dürften auf den ersten Blick von einem Querkraft-Déjà-vu durchflutet werden. Denn mit seinem schlanken weißen Stahlgerüst erinnert das House of Schools an den mit viel Aufmerksamkeit bedachten Innenstadt-Ikea am Westbahnhof, entworfen vom selben Team. „Das stimmt schon“, sagt Peter Sapp, einer der drei Querkraft-Gründungspartner. „Aber dort dient der weiße Rahmen vor allem der Begrünung der Fassade. Das House of Schools in Linz ist ruhiger und introvertierter. Es ist ein Gebäude, das zum Lernen und Arbeiten motivieren soll.“
Als Hauptmotivator soll hier der Raum dienen, der sich zwischen den Büros der Forschenden und Lehrenden aufspannt. Ein luftiges Atrium voller Tageslicht, in dem sich Stiegen, Galerien, Podeste und Stege übereinanderschichten, farblich dezent untermalt durch die in Chirurgenkittelgrün gehaltenen Innenwände der Büros. Während die zweischichtige Außenhülle aus weißem Stahl sich um Sonnenschutz und grüne Berankung kümmert, spannt im Inneren ein Stahlbetongerüst mit luftiger Zehn-Meter-Spannweite einen großen Raum auf, in dem man zwanglos an den hier angesiedelten Instituten vorbeiflanieren kann. Ein House für die Schools.
Im Foyer fläzt sich eine Gruppe Studierender entspannt debattierend auf gemütlichen Fauteuils, andere sind am Tisch in ernsthafte Gruppenarbeit vertieft. Aufgefächerte Konzeptpapiere, Fachdialoge in oberösterreichischem Dialekt. Weiter oben besiedeln ovale Besprechungsinseln die Plattformen, bei Benutzung zieht man einfach den Vorhang zu. Klettert man ein Geschoß weiter, kann man von oben hineinspähen. In der Lounge in der vierten Etage zeugt ein offenbar liebevoll gepflegtes Zitronenbäumchen schon von der Aneignung durch die Benutzer. Eine Mischung aus Werkstatt und Wohnzimmer, mit vielen Durchblicken in die Büros und von dort ins Freie.
Nicht wenige Türen zu diesen Büros stehen offen. „Das ist typisch für dieses Haus“, sagt eine Mitarbeiterin des Instituts für Organisation, die sich gerade einen Kaffee an der offenen Küche auf Ebene 2 holt. „Wir sind sehr begeistert von den Möglichkeiten der Kommunikation hier“, freut sie sich. „Früher waren die Kolleginnen und Kollegen unsichtbar in irgendwelchen Kammerln versteckt, hier ist der alltägliche Austausch ganz einfach.“ Und wer könnte den Erfolg der räumlichen Organisation besser beurteilen als das Institut für Organisation?
Die lichtdurchflutete Geborgenheit, das absichtliche Freilassen von Lücken (das Stahlbetongerüst ließe sich, wenn später nötig, noch mit weiteren Plattformen ausfüllen), das einladend Unvollendete, all das erzeugt eine Atmosphäre des freien Denkens und Redens. Das spendet Trost in Zeiten, da in den USA die Universitäten und die Bildung an sich von den Demokratiezerstörern und Faschisten zum Feind erklärt werden. Ein tragkräftiger und tatkräftiger Baustein für die Stahlstadt und ihre Bildungslandschaft.
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Das Projekt ist aus dem Verfahren Linz - JKU Erweiterung Campus West hervorgegangen1. Rang, Gewinner, 1. Preis
Querkraft Architekten ZT GmbH
2. Rang, Preis
Tritthart + Herbst Architekten – Ziviltechniker OG, Jasmin Leb-Idris
3. Rang, Preis
LOVE architecture and urbanism ZT GmbH
Anerkennung
Luger & Maul ZT GmbH, Dietrich | Untertrifaller Architekten ZT GmbH
Anerkennung
Pichler & Traupmann Architekten ZT GmbH
Anerkennung
AllesWirdGut Architektur ZT GmbH, HERTL.ARCHITEKTEN ZT GMBH