Bauwerk

RZB-Haus Michaelerplatz
Karl Langer - Wien (A) - 1999
RZB-Haus Michaelerplatz, Foto: Gisela Erlacher
RZB-Haus Michaelerplatz, Foto: Gisela Erlacher
3. Juni 2003 - newroom
Das Palais Herberstein am Michaelerplatz wurde umgebaut und aufgestockt – Stimmen einer öffentlichen Empörung erheben sich bereits . Grundlos.

Bei Friedrich Nietzsche, meinte Kurt Tucholsky, findet man immer ein passendes Zitat. Bei Kurt Tucholsky, Ludwig Wittgenstein und Adolf Loos auch. Zum Fortschritt in der Architektur meinte Loos: „Eine Veränderung, die keine Verbesserung ist, ist eine Verschlechterung.“ Die Verbesserungen im und am Palais Herberstein am Michaelerplatz sind zahlreich und beachtlich, von außen betrachtet aber nicht besonders auffallend....

Mit dem Umbau wurde der junge, kaum bekannte Architekt Karl Langer beauftragt. Er hat einen geladenen Wettbewerb gewonnen. Davor, sagt er, habe er keinen einzigen Herrn aus der Direktionsetage der Bank gekannt. Er habe bloß das beste Umbaukonzept vorgelegt. Das dürfte stimmen.

Langers Draufaufstockung am Palais Herberstein sieht man von der Herrengasse aus nur als Stückchen einer Feuermauer. Vom Kohlmarkt aus erblickt man bloß ein Stückchen des gesimsartig abgeschrägten, in dieser Richtung spitz auskragenden Daches. Am Michaelerplatz selbst ist das Dach erst beim Portal der Michaelerkirche zu sehen und dann zunehmend besser vom Anfang der Augustinerstraße bis zum Gewölbe der Spanischen Reitschule. Der Aufbau wirkt: eindrucksvoll, widersprüchlich, entschieden und zurückhaltend, in dieser Reihenfolge.

Teils verglast und durchsichtig teils mit Lamellenblech abgedeckt, erscheint der neue Aufbau von dort aus gesehen wie ein Dachpavillon, der auf das schräge, grün lackierte Blechdach der früheren Aufstockung aufgesetzt wurde. Fast schwebend, eine Art Altan, erinnert er, leicht übertrieben, an die Architektur der präzisen Reduktion von Mies van der Rohe. Von dieser architekturgeschichtlichen Auffassungsecke kommt die Aufstockung auf jeden Fall (Karl Langer hat über Ludwig Wittgenstein dissertiert). Das Dach des Pavillons, eine scharfe und deutliche Kante, stößt im scharfen Winkel, der dem scharfen Winkel des Gebäudes am Eck des Michaelerplatzes und der Herrengase entspricht, empor, negiert die Rundung der Gebäudeecke und die abgerundete Neigung des Blechdaches der ersten Aufstockung, schafft einen scharfen , beinahe aggressiven Kontrapunkt zu all der neubarocken Bewegtheit und Abgerundetheit in der unmittelbaren Umgebung.

Im Prinzip hat der Architekt die Haltung von Adolf Loos übernommen, als dieser sein Haus am Michaelerplatz konzipiert hatte. Diese Haltung ist nur scheinbar aggressiv. In Wirklichkeit ist es eine defensiv-trotzige, durchaus männliche Haltung, als Antwort auf das Übermaß der neu-barocken – also weiblichen – Formen rundherum und die Nemecic-Aufstockung darunter. Karl Langer hat das Palais Herberstein mit viel Gespür für und ohne übertriebene Rücksicht auf das heikle Stadtbild aufgestockt. Seine einzige Inkonsequenz: Er ließ die malerischen Kamine als Stümpfe stehen. Nun sehen sie wegen ihrer länglichen Form wie surreale weiße Särge aus.

Im Aufbau befinden sich Räume für die Haustechnik, Sitzungszimmer und ein Betriebsspeisesaal. Der Ausblick ist einzigartig, in alle Richtungen offen. Man muss es dem Bauherr hoch anrechnen, dass diese Hochlage nicht einem Direktor für dessen privates Penthouse vorbehalten wird – wie etwa im Fall des von Harry Glück für die BAWAG umgebauten Kachelhauses am Fleischmarkt. Auch wenn der Aufbau am Michaelerplatz nicht öffentlich zugänglich ist, so wird sich doch eine Möglichkeit finden, um hinaufsteigen zu können.

Wie architektonisch vortrefflich Karl Langer den Eingangsbereich gelöst hat, lässt bereits der Einblick in den zum Entrée umgebauten und mit Pawlatschengängen versehenen Lichthof erahnen: Von dort aus ist zu sehen, wie das Palais innen verändert wurde. Im Sinn von Loos: eine Verbesserung. Erheblich und vorbildlich. (Text: Jan Tabor)

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