Bauwerk

Centre Pompidou
Renzo Piano, Richard Rogers - Paris (F) - 1977
Centre Pompidou, Foto: Margherita Spiluttini

Politur eines Kulturjuwels

Das „Beaubourg“, wie das Centre Georges Pompidou genannt wird, zeigt sich 2000 im neuen Glanz: Um eine Milliarde Schilling wurde der Kulturtanker flott gemacht.

3. Januar 2000 - Olga Grimm-Weissert
Am 1. Jänner 2000 um elf Uhr öffnete das rundum neu strukturierte Centre Georges Pompidou wiederum seine Pforten. Architekt Renzo Piano, der das 1977 eröffnete Centre gemeinsam mit Richard Rogers entworfen hatte, übernahm auch die Konzeption der Umbauten, die 1152 Milliarden Schilling kosteten und zwei Jahre dauerten, während derer das Centre seinen Betrieb teilweise aufrecht erhielt. Erst seit Sommer blieb das pluridisziplinäre Zentrum geschlossen.

Seine Wiedereröffnung am 1.1.2000 hatte Symbolwirkung für die Zukunftsorientierung im Sinne des „Beaubourg-Effektes“, wie Philosoph Jean Baudrillard den Erfolg des Centre einmal nannte. Das Centre Pompidou, nach der Straße an seiner Rückseite auch „Beaubourg“ genannt, erlangte weltweit Modellcharakter. Die Koexistenz des modernen Museums, des Centre de Création Industrielle, der zeitgenössischen Musik im IRCAM (Institut de Recherche et de Coordination Accoustique-Musique), einer Bibliothek mit freiem Zugang, die auch am Sonntag geöffnet ist, von Sälen für Tanz, Theater, Film oder Kolloquien ist eine Erfolgsformel.

Da aber statt der täglich erwarteten 5000 Zuschauer im Schnitt 25.000 das Pompidou besuchten, machten Abnützungserscheinungen Bauarbeiten erforderlich. Man benützte diese zu einer klareren Strukturierung der sechs Stockwerke.

Die Büros, ursprünglich nicht in den Räumen des Centre vorgesehen, wurden ausgegliedert, was sowohl der Bibliothek, die nun über zwei Stockwerke verteilt ist, wie auch dem Museum zugute kommt, das über zwei Stockwerke verfügt. Das Forum im Erdgeschoß, früher ein schwierig zu nützendes Loch, gewährt nun einen übersichtlichen Eingang. Die famose Rolltreppe an der Fassade, die einen herrlichen Blick auf Paris ermöglicht, ist nicht mehr kostenlos zu benützen, was die Touristen sicher ärgern wird. Auch die Öffnungszeiten wurden geändert: Man kann bereits ab elf Uhr, dafür aber nur noch bis 21 Uhr im „Beaubourg“ Kultur tanken.

Den Bühnenkünsten, die zuletzt unter akutem Budgetmangel litten und dementsprechend nicht mehr kreativ dem Zeitgeist Paroli boten, wird mit der neuen Beaubourg-Formel mehr Platz eingeräumt, budgetär wie räumlich. Werner Spies, seit zwei Jahren Direktor des, wie er meint, „virtuellen Museums“, da es seit seinem Amtsantritt nur auf Sparflamme mit kleinen Ausstellungen funktionierte, ist sehr zufrieden mit seinen neuen Räumen und der „offenen Hängung“ der Werke. Er konfrontierte z. B. Bacon mit Giacometti, was er den „Dialog“ zwischen zwei Jahrhundert-Künstlern nennt.

Als Verantwortlicher des Werkverzeichnisses von Max Ernst räumte der deutsche Kunsthistoriker und Ex-FAZ-Redakteur Ernst einen privilegierten Platz ein. Pikanterweise haben die französischen Gewerkschaften gleich für den Eröffnungstag einen Streik angesagt: Das Aufsichtspersonal des Centre ist mit seinen Arbeitszeiten nicht zufrieden und fühlt sich von den jeweiligen Direktoren missachtet, „die die Leitung von Beaubourg nur als Trittbrett für eine lukrativere Karriereleiter benützen, ohne sich um die Kontinuität zu scheren“.

Die erste große Ausstellung, Le temps, vite (Die Zeit, schnell), wird am 13. Jänner eröffnet und die Probe aufs Exempel werden, ob der derzeitige Präsident des Centre, Jean-Jacques Aillagon, der mehr Einfluss auf die Programmierung hat als seine Vorgänger, mit den Marksteine setzenden Ausstellungen der 80er Schritt halten kann.

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