Bauwerk

Stadtpark Interpolis - Versicherung
West 8 - Tilburg (NL) - 1999
Stadtpark Interpolis - Versicherung, Foto: Rita Weilacher
Stadtpark Interpolis - Versicherung, Foto: Rita Weilacher
Stadtpark Interpolis - Versicherung, Foto: Rita Weilacher
Stadtpark Interpolis - Versicherung, Foto: Rita Weilacher

Ein Waldpark mit Computerschnittstelle

1. September 1999 - Udo Weilacher
Die niederländische Landschaft ist eine Erfindung ihrer Bewohner. In jahrhundertelangem Kampf trotzten sie systematisch den Naturgewalten des Meeres nutzbares Land ab. Der rational-technologisch geprägte Umgang mit Natur und Landschaft charakterisiert auch die niederländische Landschaftsarchitektur, zu deren renommiertesten Vertretern das Rotterdamer Büro West 8 zählt. Prominenter Kopf und Gründer von West 8, benannt nach der vorherrschenden Windrichtung und -stärke in Rotterdam, ist der 39jährige Landschaftsarchitekt Adriaan Geuze. Mit seinem Team aus Landschaftsarchitekten, Architekten, Designern und Botanikern zeichnet er verantwortlich für eine Reihe von Projekten, die mit ihrer experimentierfreudigen Kombination aus künstlerisch-landschaftsarchitektonischer Radikalität und ökologischer Sensibilität internationales Aufsehen erregten.

Für die Zentrale der Interpolis-Versicherung in Tilburg, ein mächtiger Neubau des niederländischen Architekturbüros Abe Bonnema, schuf West 8 1998 einen etwa zwei Hektar grossen Stadtpark. Das dreieckige Areal spannt sich zwischen dem 170 Meter langen Versicherungsgebäude im Norden, den Neubauten des Tivoli-Parkhauses und des Musikzentrums Popcluster im Osten und der Wohnbebauung im Südwesten auf. Stechpalmenhecken und ein dunkelgrün lackierter Stahlzaun bilden die Begrenzung zu den Strassen der Umgebung. Natur und Künstlichkeit im Dialog: bald zieren stählerne Ilexblätter die Zaunstäbe, bald wurden die Blattformen aus den Stahlplatten ausgestanzt.

Unter dem brückenartig aufgeständerten Gebäudetrakt beim monumentalen Bürohauseingang befindet sich auch der zentrale Parkeingang. Eine holzgedeckte Brücke, architektonisch aufgefaltet, spannt den Bogen vom schattigen Vorplatz zum sonnigen Stadtgarten. Sie überquert ein grosses, an das Gebäude grenzendes Plateau, das mit schweren, bruchrauhen Schieferplatten verkleidet ist. Nach den Plänen der Architekten sollte hier ein grosses Wasserbecken den Bau mit seinen beiden über 80 Meter hohen Türmen spiegeln. West 8 setzte aber mit einer kargen Felslandschaft, gegliedert durch lineare Bruchkanten, ein Gegengewicht zur Architektur. Ein lichter Hain aus Magnolien, besonders sein weisser Frühlingsflor, nimmt dem schwarzen Plateau die Schwere. Das surreale Environment wird durch einen gerichteten Schwarm grünspanfarbener Stellagen ergänzt; ein «Kunst am Bau»-Projekt des niederländischen Künstlers Niek Kemps, das auf Drängen des Bauherrn appliziert wurde.

Der Schwarm kreuzt die Richtung der Brücke und unterstreicht die Verbindung zwischen Platz und Park. Man glaubt, bemalte Glasplatten seien hier auf Trocken- oder Transportgestellen vorübergehend abgestellt worden. Tatsächlich tragen die stählernen Stellagen grosse grünliche Glasscheiben, bedruckt mit halbtransparenten Bildern von Werkstätten, Arbeits- und Lagerräumen. Vielleicht ein erster Hinweis, dass dieser Park nicht nur dem Freizeitvergnügen gewidmet ist?

Am Ende der Brücke betritt man den weichen Bodenbelag aus rotbraunem Rindenmulch. Angelehnt an den Grundriss des Bürogebäudes, sind Wege- und Rasenflächen im architektonisch zersplitterten Layout konzipiert. Dieses entwickelt sich durch tektonische Verwerfungen entlang der betonierten Grundrisslinien, die manchmal zu dunkelgrauen Stütz- und Sitzmauern werden, zu einem räumlichen Gefüge. Eingelassene Holzroste sollen zum Verweilen auf den Mauern einladen, während man die bewährte Parkbank in der Anlage vergeblich sucht.

Zwischen 20 und 85 Meter lange, schmale Wassertische setzen bemerkenswerte Akzente und unterstreichen subtil den ständigen Perspektivenwechsel im Park. Auch sie bestehen aus schiefergrauen Betonwannen, deren Querschnitt sich nach oben erweitert und breite Beckenränder ausbildet. Wind fegt über die Wasserflächen, kräuselt deren Spiegel und versetzt die zarten Seerosenblüten in Schwingung. Die Wassertische, heisst es im Erläuterungstext, bilden als Lebensraum für Wasserlilien und Frösche das zentrale Thema des Gartens.

Eigentlich braucht die Komposition von West 8 keine derartig pseudo-ökologischen Rechtfertigungen. Das ausgelassene Spiel der Kinder am Wasser, die konzentrierten Boulespieler auf ihrer Sandbahn und die Erholungssuchenden beim Picknick auf den Rasenflächen sind wesentlich überzeugender. Noch ist der locker gepflanzte Nadelwald zu jung, als dass er ausreichend Schatten oder gar dem grossen Bürokomplex, wie vorgesehen, räumlich die Stirn bieten könnte. Die Douglasienpflanzung wirkt ein wenig öde, und es braucht Phantasie, sich den nordisch anmutenden Waldpark in Zukunft vorzustellen. Einen unverwechselbaren Charakter hat der Park schon heute, aber er soll nicht nur Erholungsfläche sein. Strom- und Computeranschlüsse sollen, sofern die Sicherheitsaspekte einmal geklärt sein werden, den Mitarbeitern den Zugang zum Hauptcomputer der Firma ermöglichen und ihnen die Arbeit im Park erlauben.

Das Verhalten des Menschen, seine Umweltansprüche, sein Lebensstil und sein Selbstverständnis haben sich so stark gewandelt, dass das alte Leitbild städtischen Grünraumes, besonders des Stadtparks des 19. Jahrhunderts, ausgedient hat. Der Mensch des ausgehenden 20. Jahrhunderts, erkennt Geuze, ist selbstbewusst, mobil, nutzt die Potentiale neuer Technologien und nimmt erfinderisch alle Arten von Freiräumen in Besitz. Den Meistern der hyperrealistischen Pop-Landschaften ist in Tilburg ein ungewöhnlich selbstverständlicher Park gelungen.

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