Bauwerk

Haus und Büro H.
Michael Homann - Graz (A) - 2003
Haus und Büro H., Foto: Zita Oberwalder
Haus und Büro H., Foto: Zita Oberwalder
Haus und Büro H., Foto: Zita Oberwalder

Urbaner Pionier im Grünen

Im sehr ländlich anmutenden Grazer Stadtteil Ries setzte Architekt Michael Homann mit seinem Büro-und Wohnhaus in jeder Hinsicht neue Maßstäbe. Mit großen Terrassen, Glasflächen und Lichtschacht öffnet sich das Gebäude zur Natur.

3. Juli 2004 - Isabella Marboe
Am Hauptverkehrsstrang in die Oststeiermark, unweit des Landeskrankenhauses, entfaltet Graz im Stadtteil Ries kaum vier Kilometer vom Zentrum überraschend rurales Ambiente. Eine Bushaltestelle bindet die Gegend an der Stiftingtalstraße öffentlich an, ein würdig verfallendes Gasthaus legt noch Zeugnis von einst hoher Ausflüglerfrequenz ab, gegenüber säumt ein vereinsamtes Marterl tiefen Wiesengrund. Westlich der Bushaltestelle mündet der Posthofweg ein, der ins südliche, von Bauern beackerte und wenigen Einfamilienhäusern bebaute Hinterland führt. Hier hätte Michael Homann einem Bauherrn planen sollen, der Auftrag platzte, doch die reizvolle Gegend hatte es dem Architekten angetan.

Er suchte nach einem Büro in Graz, die familiäre Wohnsituation war nicht optimal, also warum nicht das eigene Haus entwerfen und bauen? Homann kaufte das idyllische Hinterende der Wiese, das eine vom Posthofweg abzweigende Sackgasse erschließt. Unmittelbar dahinter fließt ein Bächlein am Waldsaum, der östliche Nachbargrund ist unbebaut, dahinter lebt ein Vollerwerbsbauer. Die Zufahrt liegt an der ca. 18 Meter breiten Schmalseite des Grundes, der sich nach Nordwesten feldwärts erstreckt und am Wald zuspitzt, wo das Gelände fast 30 Grad ansteigt.

Der Keller ist in den Hang geschoben, aus dem heizungsbergenden Sockel erwächst straßenseitig mit Nurglasfassade vor Stahlstützen das mit Sichtbetonkern und versiegeltem Betonestrich hochreduzierte Büro. Es bildet mit eigenem Eingang eine vom Wohnen darüber getrennte, autonome Einheit. Eine mit dem Hang ansteigende, abgesetzte Sichtbetonwand schafft rund um den Ateliersockel im Westen einen, von der Terrasse darüber teils gedeckten Weg. Er spendet angenehm diffuse Helligkeit und weitet sich im Norden am meditativen Lichthof zum Himmel. Mild fällt die Sonne auf die rauen Oberflächen, verbreitet dahinter ruhigkonzentrierte Atmosphäre. Hier werden Modelle gebaut oder Besprechungen abgehalten, im vollverglasten Südwesten sind die Arbeitsplätze mit Blick auf Waldsaum und anfahrende Kunden. Hier ist unter der südlichen Wohnraumterrasse ein schöner, bekiester Vorplatz. Im mittigen Betonblock mit Teeküche und Sanitäreinheit führt eine Treppe mit dezentem Sichtkontakt ins Private.

Es beginnt ein Niveau darüber, was an der horizontalen Lärchenholzlattenverkleidung des klaren Baukörpers, der wunderbar mit der Natur harmoniert, ablesbar ist. Im Osten ist der Hang mit burgenländischen Serpentinsteinen aufgefüllt, Sichtbetonstufen führen in den einladend vorgesetzten Windfang mit eingeschobenem WC. Dahinter schwebt die einläufige, an zarten Stahlträgern rudimentär abgehängte Holztreppe an der nordseitigen Mattglaswand nach oben. Semitransparent trennt sie die Küche vom Wohnraum, man blickt durchs die komplett verglaste, gemeinsame Südwestfront über die zweite Westterrasse in Landschaft und Raum.

Sehr differenziert ist die Küche: von der Herd- und Spülzeile im Norden blickt man überm Lichtschacht aufs Feld, dahinter bildet ein Übereckfenster in der massiven Nordostwand eine Sitznische mit Ablagefläche. Von unten nach oben verdichtet sich das Private. In der zweiten Wohnebene sind im Norden der komplett mit OSB-Platten verkleidete Schlafraum mit Bad, die zwei Kinderzimmer teilen sich einen weiteren, vom schilfmattengedeckten Holzlattenrost beschatteten Südbalkon. Reizvoll lädt das oberste Treppenpodest unter den 45 Grad Solarzellen des versteckten Sonnendecks am Dach zum Träumen ein. Mit viel Glas und seiner Terrassenlandschaft öffnet sich dieses Haus zur Natur, als Lebensraum zum Wohnen und Arbeiten wird es im ländlichen Ries zum urbanen Pionier.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Susanne Homann

Tragwerksplanung

Fotografie