Bauwerk

Museum Insel Hombroich
- Neuss (D)
Museum Insel Hombroich, Foto: Tomas Riehle / ARTUR IMAGES
Museum Insel Hombroich, Foto: Tomas Riehle / ARTUR IMAGES
Museum Insel Hombroich, Foto: Tomas Riehle / ARTUR IMAGES

Kunst in künstlichem Arkadien

Es scheint, als hätten die biomorphen Skulpturen von Hans Arp beim Schnitt der bizarren Buchsheckenlandschaft Modell gestanden.

1. Juni 2003 - Udo Weilacher
Tatsächlich aber war diese ehemals in exakte geometrische Formen geschnitten und gehörte zur streng axial gegliederten Parkanlage der Wuppertaler Industriellenfamilie de Weerth. Die liess in der einst sumpfigen Flussauenlandschaft der Erft, südwestlich von Düsseldorf, zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihren Landsitz erbauen.

Längst verschwunden sind die markanten Blickachsen der Parkanlage, die gemäss dem damals geltenden Ideal der Gartenkunst bis weit in die Umgebung reichten, um Einfluss und Weltoffenheit zu signalisieren. Die alten Parkbäume, darunter viele Exoten, sind zu stattlichen Baumgestalten gewachsen und umstellen das «Rosa Haus», die Industriellenvilla aus dem Jahr 1816, die um 1900 durch eine Flussumleitung endgültig in Insellage geriet.

Hätte sich die Gartendenkmalpflege des historischen Parks Hombroich angenommen, würde der Buchs wohl heute wieder in geometrischem Formschnitt das kultivierte Wesen des einstigen Gartenkunstwerks betonen und damit den Kontrast zur umgebenden, funktional geprägten Agrarlandschaft verdeutlichen. Doch Bernhard Korte, den man Mitte der achtziger Jahre mit der Neugestaltung des Parks und seiner Umgebung beauftragte, wandte sich gegen die Rekonstruktion des architektonischen Gartenstils - ganz im Sinn der damaligen Naturgartenbewegung und in Übereinstimmung mit seinem Auftraggeber: «Herrschaft über die Natur durch Schneiden, Hacken, Brechen und ästhetisches Frömmeln sind nicht mehr unbedingt angesagt», befand der Landschaftsgestalter und entschied sich für den Erhalt der «natürlichen» Formen der ausgewucherten Buchspflanzen.

Der einflussreiche Immobilienmakler und Kunstsammler Karl Heinrich Müller hatte schon seit Mitte der siebziger Jahre von einem privaten Museum geträumt, in dem er abseits von der Grossstadt seinen umfangreichen Bestand an Kunstwerken präsentieren wollte, als «Kunst parallel zur Natur». Der Bildhauer Erwin Heerich, der Maler Gotthard Graubner und der Kunsthändler Sami Tarica berieten Müller beim Ausbau seiner Kunstsammlung und entwickelten gemeinsam Pläne für neue Ausstellungspavillons.

Doch wo gibt es noch unberührte Natur in Europa? 1982 erwarb der Kunstmäzen das knapp 20 Hektaren grosse Gelände bei Hombroich; aber die intensiv genutzte Ackerlandschaft - Kulturlandschaft modernster Prägung - widersprach offensichtlich der gängigen Idealvorstellung von arkadischer Naturlandschaft. Stattdessen wünschte sich Müller einen Garten wie ein impressionistisches Gemälde von Claude Monet, und Bernhard Korte komponierte dieses Landschaftsgemälde; jedoch «nicht aus irgendeinem Designrausch», wie er betonte, sondern naturnah.

Anders als beim verfallenen Park erachtete der Landschaftsgestalter die Rekonstruktion der ehemaligen Auenlandschaft weder als unzeitgemäss noch als «ästhetisches Frömmeln». Das Studium alter Karten, archäologische Auswertung von Luftbildaufnahmen, Pollenanalysen in Humusproben und Grabungen vor Ort lieferten Basisinformationen über eine Zeit, in der die Erft noch weitgehend unbeeinflusst von menschlichem Wirken die Auenlandschaft prägte.

Als Vorbild für die Rekonstruktion der Landschaft diente eine Karte von 1807, als vorindustrielle bäuerliche Mischstrukturen eine scheinbar bukolische, vielfältige Landschaft formten. Folglich wurden die Altwasserarme der Erft wieder freigelegt, der Wasserspiegel zur Vernässung des Areals wieder angehoben, Teiche und neue Inseln angelegt. Um das landschaftsästhetische Idealbild perfekt abzurunden, pflanzte man neben typischen Auengehölzen wie Schwarzpappeln und Erlen auch zahlreiche 30- bis 40-jährige Kopfweiden, Zeugen traditioneller Kulturtechnik und früher landschaftsbestimmende Baumgestalten, wie man sie aus vielen romantischen Landschaftsgemälden kennt.

Glücklicherweise entschlossen sich die Initiatoren des Kunstprojekts nicht dazu, das arkadische Landschaftsbild analog zum landschaftsgestalterischen Ansatz mit traditionell bäuerlicher Architektur des frühen 19. Jahrhunderts zu vervollkommnen; sonst wäre Hombroich womöglich unter Stadtflüchtigen als illusionistisches Bauernhaus- oder Kulturlandschaftsmuseum bekannt geworden, nicht aber als Kunstlandschaftsprojekt.

Zwar blieb die historische Industriellenvilla erhalten, wurde restauriert und umgenutzt als Ausstellungsgebäude für Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen alter Meister, und in einer ehemaligen Scheune richtete der Künstler Anatol Herzfeld sein Atelier ein. Doch zwischen 1982 und 1994 schuf der Düsseldorfer Bildhauer Erwin Heerich elf einfache Ausstellungspavillons, «Kapellen in der Landschaft», wie Karl Heinrich Müller sie nennt, die an Kunstobjekte der Minimal Art erinnern und mit grosser Sensibilität in die harmonisch gestaltete Landschaft eingebettet wurden.

Im Sinn der Ideologie der klassischen Moderne wurden die skulpturalen Bauwerke wie kunstvolle Einzelobjekte in die «fliessende», vermeintlich unberührte Landschaft gesetzt, die durch ein weitläufiges, verschlungenes Wegnetz erschlossen wird. Das Verlassen dieser Wege ist laut Landschaftsschutzbehörde nicht gestattet, und so bewegt man sich auf Kieswegen durch eine Kunstlandschaft aus Architektur und Landschaftsgestaltung, um im Inneren der meist fensterlosen, jedoch von oben beleuchteten Pavillons Kunst- und Kulturgegenstände sowie Gemälde aus verschiedensten Zeiträumen und Kulturkreisen zu besichtigen. Ein besonders intensiver Dialog zwischen Architektur und Landschaft, zwischen Innen- und Aussenraum entsteht im sogenannten Turm, einem kompakten Backsteingebilde auf quadratischem Grundriss, welches plötzlich mitten im Weg steht. Im Inneren des Turms sucht man vergeblich nach Kunst. Durch vier hohe, schmale Fenster, die zunächst wie Gemälde im leeren Raum wirken, geniesst man gerahmte Blicke in den Park: die Farben intensivieren sich scheinbar, man nimmt die Geräusche der Umgebung deutlicher wahr, fühlt, wie die Sinne geschärft werden.

Der Kulturraum Hombroich ist ein Prozess, und so wächst das Projekt weiter, verbindet kulturelle und wissenschaftliche Initiativen miteinander, erobert neuen Raum: Nach dem Erwerb einer stillgelegten Raketenstation 1995 und der Renovation militärischer Gebäude in nächster Nachbarschaft zum Park wurden weitere Gebäude nach den Entwürfen von Erwin Heerich und Per Kirkeby errichtet.

Auch auf dem neuen Konversionsgelände wird sich die Frage nach dem zeitgemässen Umgang mit Natur und Landschaft stellen, und man darf gespannt sein, ob wiederum traditionelle, idyllische Leitbilder aus vergangenen Jahrhunderten als Antwort auf die Herausforderungen der Gegenwart zitiert werden.

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Bildagentur

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