Bauwerk

Adambräu – Umbau Sudhaus
Rainer Köberl, Giner + Wucherer - Innsbruck (A) - 2004

Adambräu: Industriearchitektur umgenutzt

Mit dem Einzug des Archivs für Baukunst, Architektur und Ingenieurwesen der Universität Innsbruck und dem aut.architektur und tirol in den neuadaptierten Adambräu-Turm fiel der Startschuss für eine umfassende Auseinandersetzung mit dem aktuellen und historischen Architekturgeschehen Tirols. Mit dem neuen Architekturzentrum entstand eine fachliche Schnittstelle, deren inhaltliches Spannungsfeld zwischen Alt und Neu auch anhand ihres historischen Standortes selbst erfahrbar wird.

15. Februar 2005 - Nora G. Vorderwinkler
Der Brauturm aus dem Jahr 1931 rückt in seiner neuen Rolle als Zentrum für Architektur nicht zum ersten Mal in den Mittelpunkt des architektonischen Interesses. Schon zu seiner Entstehungszeit, als das Gebiet rund um die Brauerei stark im städtebaulichen Wandel begriffen war, wurde die Fertigstellung des modernen Baues mehrfach kommentiert. Nicht nur die neuartige, nüchterne Erscheinung des Industriebaues machte von sich sprechen, sondern auch seine für damalige Verhältnisse beachtliche Höhe von 34 Metern, die das Innsbrucker Stadtbild stark prägte. Die Innsbrucker Nachrichten vom 22. August 1931 bemerkten dazu: „In einigen Wochen wird Innsbrucks Wolkenkratzer 2 im fertigen Kleide zum Himmel ragen und seiner Bestimmung – wirtschaftsfördernd zu wirken – zugeführt werden. Und unsere unvergänglichen Bergriesen werden verständnisvoll ihre Fittiche darüber breiten.“ Schöpfer des Adambräu-Turmes war der Architekt Lois Welzenbacher. Im Tirol der Zwischenkriegszeit setzte dieser mit seinen Bauten – darunter auch das Verwaltungsgebäude der Städtischen Elektrizitätswerke (1926) und das Kurhotel Seeber in Hall (1930-32) – gestalterische Akzente im Geiste der modernen Bewegung.

Mit seinem gebauten Bekenntnis zur Sachlichkeit bezog der dem Deutschen Werkbund nahestehende Welzenbacher eine klare Stellung in der lange andauernden Formensuche der heimischen Industriearchitektur. Die Innovationskraft, die von Welzenbachers Schaffen ausging, prägte das kulturelle Geschehen in solchem Maße, dass sein Werk 1932 als einziger österreichischer Beitrag bei der Ausstellung „The International Style: Architecture since 1922“ im Museum of Modern Art in New York gezeigt wurde. Die zahlreichen architektonischen Veränderungen in der Landeshauptstadt während der 1920er und 1930er-Jahre verstärkten das öffentliche Interesse am aktuellen Baugeschehen. Dieses drückte sich unter anderem in der ungewöhnlich hohen Zahl an abgehaltenen Architekturwettbewerben aus, deren planerische Beiträge häufig Gegenstand öffentlicher Diskussionen war. Das unaufhaltsame Wachstum der Stadt beeinflusste auch die Umgebung rund um das Adambräu und führte zu einschneidenden städtebaulichen Veränderungen.

Bis ins Ende des 19. Jahrhunderts war dieser Teil Wiltens in seiner Funktion als Wirtschaftsstandort definiert. Zahlreiche Produktionsstätten, darunter Mühlen und Schmieden reihten sich hier aneinander und versorgten die Stadt mit ihren Produkten. Eine begünstigende Rolle für die Ansiedlung von Industrie spielte der Sillkanal, der einst entlang der heutigen Adamgasse verlief. Dieser versorgte die Fabriken und Gewerbebetriebe mit Wasserkraft. 1890 zählte man allein auf Wiltener Gebiet 25 Gewerbebetriebe an der „kleinen Sill“, wie der Kanal allgemein genannt wurde. Im Herzen dieses Industriegebietes wurde 1825 die vierte Brauerei Innsbrucks eingerichtet: das Adambräu. Nach seinem Gründer Franz Josef Adam benannt, war die Brauerei vorerst im historischen Ansitz Windegg und seinen Nebengebäuden untergebracht. Sein Ansuchen um die Braurechte begründete Adam damit, „daß bei der gegenwärtigen schlechten Qualität des hiesigen Bieres und bei der immer zunehmenden Consumtion desselben die Errichtung einer vierten Braustätte gewünscht sein müsse“. Als die späteren Besitzer mehr als ein Jahrhundert nach der Betriebsgründung Lois Welzenbacher mit dem Neubau des Sudhauses und des danebenliegenden Kühlschiffes beauftragten, wurde der Wunsch nach Qualitätssteigerung jedenfalls in architektonischer Hinsicht zweifelsfrei erfüllt. Um die Jahrhundertwende begannen Zinshäuser und neue Verkehrswege die alten Produktionsstätten zu ersetzen. Lange Zeit war das Adambräu die letzte produzierende Industriestätte in diesem Gebiet, bevor 1994 die Brautätigkeit endgültig eingestellt wurde.

Nach der Stillegung der Brauerei fand der Welzenbacherbau erneut Eingang in die Schlagzeilen. Auf dem Wiltener Industrie-Areal drohte nun dem letzten Relikt aus vergangenen Zeiten, gemeinsam mit der nahegelegenen Klosteranlage des Karmeliterinnenordens, der Abriss. In den Jahren zuvor waren mehrgeschoßige Wohnbauten bereits in bedrohliche Nähe dieser Altbestände gerückt, sodass das brachliegende, locker bebaute Adambräu-Areal schon bald zum Sanierungsgebiet erklärt wurde. Die Umwidmung des Gewerbegebietes sowie die Erarbeitung eines Bebauungsplanes waren schon im Gange, als im Juni 1995 der Denkmalbeirat der Stadt beschloss, das Sudhaus samt danebenliegendem Kühlschiff unter Denkmalschutz zu stellen. Da die Frage einer künftigen Nutzung zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt war, wurden die Regeln einer denkmalgerechte Sanierung eher locker gehandhabt: Demnach sollte zwar die Hülle des Turmes gewahrt bleiben, auf die Erhaltung der übrigen Details wurde nicht explizit Wert gelegt. Es kann also rückblickend als glückliche Fügung gewertet werden, dass aus dem ehemaligen Brauereiturm ein Zentrum für Architektur wurde, und dass die künftigen Nutzer auf diese Art Einfluss auf die Sanierung nehmen konnten. Heute ist das Sudhaus weitestgehend in seiner Originalform erhalten.

Der „Beinahe-Abriss“ des Adambräu-Turmes macht deutlich, wie sehr die Bedeutung von Welzenbachers architektonischen Schaffen mit der Zeit in Vergessenheit geraten war. Die wieder aufgenommene Debatte hatte die Rettung weiterer Bauten zur Folge, die von Umbau- oder Abrissplänen bedroht waren. So gelang es etwa im Jahr 2000 dank einer privaten Initiative, das Turmhotel Seeber in Hall in seinem ursprünglichen Zustand zu erhalten. Da die Zahl der von Welzenbacher ausgeführten Bauten ohnehin nicht groß ist und bereits einige davon durch Kriegsschäden oder durch Abbruch unwiederbringlich verloren gegangen sind, kann der Erhaltung weiterer Werke nicht genug Bedeutung beigemessen werden. Die Geschichte des Brauturmes trägt vom Zeitpunkt seiner Entstehung an die Spuren einer lebendigen Architekturdebatte, die das enge Zusammenspiel gegenwärtiger Entwicklungen mit der Geschichte einer Stadt verdeutlicht.

Der Zeitpunkt der Eröffnung des Adambräus fällt günstig. Nachdem das Interesse an österreichischer Architektur bis vor wenigen Jahren auf Graz und Vorarlberg fokussiert war, ist der Funke nun auch nach Tirol übergesprungen. Der Aufschwung zeigt sich in der verstärkten Präsenz der Tiroler Architektur, die mit der Vorstellung zahlreicher heimischer Bauobjekte auf der Architekturbiennale von Venedig im vergangenen Jahr einen vorläufigen Höhepunkt erlangte. Mit der Entdeckung des Neuen geht die Erforschung der historischen Hintergründe einher. Sensible Bauaufgaben wie der Neubau der Berg Isel-Sprungschanze oder die Erschließung der Nordkettenbahn fordern eine historische Auseinandersetzung. Mit der räumlichen Nähe des Archivs für Baukunst zum aut entstanden ideale Voraussetzungen, um die fachliche Diskussion voranzutreiben und das Bewusstsein für architekturspezifische Themen zu beleben. Die Synergien, die durch dieses österreichweit einzigartige Zusammenspiel ausgelöst werden können, bieten eine große Chance für die Positionierung Innsbrucks auf dem kulturellen Feld.

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Für den Beitrag verantwortlich: 20er - Die Tiroler Straßenzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Steffen Arorasteffen.arora[at]zwanzger.at