Bauwerk

SI+ Golden Nugget
AllesWirdGut, rainer pirker ARCHItexture - Wien (A) - 2003
SI+ Golden Nugget, Foto: Hertha Hurnaus
SI+ Golden Nugget, Foto: AllesWirdGut Architektur ZT GmbH

Goldnugget in der Schutzzone

Eine Villa in Hietzing von AllesWirdGut, Rainer Pirker und werkraumwien

28. Februar 2004 - Oliver Elser
Wer das Glück hat, hier bauen zu können, der hat es geschafft. Nur ein paar Häuser weiter liegt hinter einer Mauer der Schlosspark Schönbrunn. Die Seitenstraße ist ruhig, und es gibt kein Gegenüber. Auf dem Grundstück stehen alte Bäume, und die Nachbarn rechts und links sind freundliche Altbauten, die einem das Gefühl geben, dass Tradition hier geschätzt wird. Kein Neubau weit und breit, der als Parvenu aus der Reihe tanzt und die Aussicht stören würde.

Als die Architekten den Entwurf einreichten, wird manche Alarmglocke geschrillt haben. Nicht nur die Abteilung für Stadtbildpflege nahm sich die Pläne vor, auch der Gestaltungsbeirat der Stadt Wien trat zusammen und prüfte, was sonst nur bei größeren Projekten passiert.

Alle Rahmenbedingungen waren penibel, wenn auch manchmal mit etwas gewagten Argumenten eingehalten worden. Was innerhalb der Ermessensspielräume lag, die verschränkten Außenformen und die goldene Aluminiumfassade, fand die Zustimmung der Fachkollegen im Beirat. Bei einigen Nachbarn kamen die Pläne weniger gut an, aber das ist ja das Schöne an der Demokratie, dass einem die nicht vorschreiben können, wie man zu leben hat.

Das Bauherrenpaar, eine junge Familie mit zwei Kindern, lebte bisher in einer Vier-Zimmer-Altbauwohnung. Auf der Suche nach geeigneten Architekten beauftragten sie eine Auswahl von Büros mit einem Vorentwurf. Gegen Spesenübernahme, was in Zeiten, in denen nicht nur jüngere Architekten nach Aufträgen schnappen wie ein Ertrinkender nach Luft, keine Selbstverständlichkeit ist. Der Zuschlag ging an eine Arbeitsgemeinschaft aus Rainer Pirker, der Gruppe AllesWirdGut, kurz awg, und dem Statikbüro werkraumwien.

Damit begann eine Zeit, die Friedrich Passler von AllesWirdGut so beschreibt, dass es wohl keinen Bau auf der Welt gibt, bei dem die Bauherren so intensiv mit den Architekten über den Plänen und vor dem Modell gesessen hätten. Zeitweise habe sich der Ehemann quasi hauptberuflich um die Entstehung des Hauses gekümmert. Und für awg sei es eine Selbstverständlichkeit, auf die Wünsche der Auftraggeber einzugehen.

Die bisherigen Projekte der fünf jungen, um 1970 herum geborenen Architekten gingen fast ausschließlich auf Wettbewerbe zurück, bei denen die Bauherren eigentlich nicht so recht wussten, was sie sich wünschen sollten. Und awg zeigte ihnen, was sie haben können, wenn sie über den eigenen Schatten springen. Wird ja alles gut, und wirklich, das wurde es auch.

Bei dem ersten Bau, einem Dorfgemeinschaftszentrum in Fliess in Tirol, gelang einem dort geborenen Mitglied der Gruppe, den Bürgermeister zu überzeugen, doch lieber einen Wettbewerb auszuschreiben, statt beim erstbesten Baumeister anzuläuten. Der erste Preis ging an den Initiator des Wettbewerbs, der gerade in den Niederlanden arbeitete und mit dem Sieg in der Tasche ein paar ehemalige Studienkollegen aus dem Zeichensaal der TU Wien zusammentrommelte. Viel Erfahrung hatten sie nicht, dafür einen an der niederländischen Architekturszene geschärften Sinn, in Konzepten und Szenarien zu denken, die erst in einem zweiten Schritt zu gebauter Form konkretisiert werden. In das minimale Volumen des Baukörpers wurde ein Maximum unterschiedlicher Räume hineingepackt, ohne auf natürliche Belichtung in allen Bereichen zu verzichten. Niemals hätte man in Fliess so etwas zu träumen gewagt, aber für Ort und Aufgabe war das Resultat genau das Richtige.

Zurück nach Hietzing. Die Villa ist in ihrer Komplexität mit dem Dorfhaus in Fliess vergleichbar, obwohl awg seither auch viel einfachere Projekte verwirklicht hat. Hier trafen sich die Lust der Architekten an der Vielfältigkeit räumlicher Situationen und die sehr genauen Vorstellungen der Bauherren, was ihr Haus alles können sollte.

Alle Entscheidungen gingen vom Garten aus. Um diesen so wenig wie möglich anzutasten, steht der Baukörper an der vorderen Grundstückskante. Aufgrund der Hanglage bot sich im Erdgeschoß eine Garage an. Doch während die Nachbarn in dunklen Kästen parken, tritt man hier in einen offenen Hof, auf den das Haus so aufgesetzt ist, als würde es gleich abheben. Durch Glaswände hindurch zeichnet sich bereits der Garten ab, der sich in diesem Bereich senkt, um Licht hierher zu führen und einen Freiluftbereich vor der Sauna zu schaffen. Die Treppe ins erste Geschoß verläuft parallel zur Straße, ist aber nicht die einzige Möglichkeit hinaufzugelangen, da eine Option vorzusehen war, das Haus später teilen zu können. Der Küchen-, Wohn- und Essbereich liegt auf dem Niveau des Gartens und ist zu dieser Seite vollständig verglast. Darüber schwebt, nur von schlanken Stützen gehalten, das „Nugget“, ein eher geschlossener, mit goldenen Aluminiumplatten verkleideter Baukörper, der Bade-, Schlaf- und Kinderzimmer enthält. Jeder dieser Lebensbereiche ist fein ausdifferenziert. Mit Niveausprüngen im Boden, Einbaumöbeln und bisweilen ausgestülpten Fenstern, die beispielsweise eine Blickverbindung aus der Badewanne in den Garten schaffen. Dieselbe Sorgfalt wiederholt sich im Außenbereich: Es gibt eine Terrasse für das Frühstück, eine vor dem Essbereich, dann noch den Garten mit Pool, darin eingegraben die Saunaterrasse und schließlich noch die Dachterrasse.

Die Vermutung, dass der Gestaltungswille vielleicht ein wenig überhand genommen hat, stößt an die harte Grenze der Privatsphäre mit ihren unantastbaren Wünschen und Vorstellungen. Die gilt gleichermaßen für Architekten und Kritiker. In wessen Namen sollte man etwas anderes verlangen?

Die Bauherren haben bekommen, was sie wollten, und das in einer konzeptionellen und räumlichen Denkweise, die zum Interessantesten zählt, was die österreichische Architektur gegenwärtig zu bieten hat. Das Haus passt wie ein Maßanzug. Zu den Bewohnern, ihrem Grundstück und zum Gelbstich der Häuser in der Umgebung.

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