Bauwerk

AR/WO X
Ganahl Ifsits Architekten - Wien (A) - 1998

AR/WO X - Formel für Büros vor der Haustür

Die geförderten Wohnungen in Wien werden immer kleiner, die steuerliche Entlastung für den Arbeitsplatz zu Hause schwindet. Einen Ausweg bietet das Projekt „AR/WO X“ in Wien-Favoriten an. Dort entsteht eine Wohnanlage im bunten Förderungsmix mit selbständigen Bürotrakten, vielfältigen Geschäftslokalen und anspruchsvoller Architektur.

5. Juni 1999 - Gert Walden
Über Jahrzehnte hinweg hat die Gemeinde umweltschädigende Betriebsstätten aus der Stadt hinausgeekelt. Jetzt wo, viele Bezirke Gefahr laufen, sich in reine Schlafsiedlungen zu verwandeln, werden neuen Maßnahmen der Sicherung von „sauberer“ Wertschöpfung gesetzt. Unter dem Marketingtitel „AR/WO X“ ist nun ein Pilotprojekt im 10. Bezirk an der Fernkorngasse baugenehmigt, das durch die Vielschichtigkeit des Konzepts beeindruckt.

Zunächst die Finanzierung des Projekts, das vom Österreichischen Sieldungswerk und der Mischek-Gruppe getragen wird: das 350-Millionen-Schilling-Vorhaben (25,436 Mio.EURO) gewährt über alle in Wien möglichen Förderungsschienen Zugang zu den Büros und Wohnungen in Miete oder Eigentum, weil die Subventionspolitik der Bundeshauptstadt seit Hans Mayr dies in beiden Fällen möglich macht. Auch freifinanzierte Wohn- und Arbeitsstätten sind erhältlich. Die Wohnungstypen selbst sind mit den Maisonetten und Geschoßwohnungen auf rund 12.000 Quadratmeter Nutzflächen ebenfalls gemischt. Die Büros kommen auf 3.210 Quadratmeter, knapp gefolgt von den Geschäftsflächen mit 3.070 Quadratmetern.

Doch das Projekt der Architekten Hanno Ganahl, Walter Ifsits und Werner Larch ist mehr als nur eine Fortsetzung der Gewerbehof-Idee, wie sie in den 80er Jahren verfolgt wurde. Mit der Option, die Büroflächen als Gründerzentrum zu verwenden - der Erfolg ist österreichweit bestätigt - könnte auch Arbeit für die Anrainer abfallen.

Die zweite Möglichkeit besteht in der unmittelbaren, kleinteiligeren Nutzung der Arbeitsstätten für die Bewohner der neuen Anlage, die voraussichtlich 2001 fertiggestellt sein wird. Damit könnte dem Dilemma der immer kleiner werdenden geförderten Wohnungen und der schwindenden steuerlichen Entlastung begegnet werden. Denn das Büro vor der Haustür ist sicherlich die ideale Möglichkeit einer sinnvollen Trennung zwischen zu kleinen Wohn- und Arbeitsräumen.


Lüftung im Bezirk

Damit ist aber die Effizienz der Planung noch nicht vollständig beschrieben. Bauträger und Architekten bringen nicht nur eine Durchmischung der Lebenswelten in diesen monofunktionalen Bezirk. Sie durchlüften ihn in physischer und psychischer Hinsicht. Die traditionelle, hermetische Blockrandbebauung, wie sie für Favoriten typisch ist, wird mit den zwei parallelen Zeilen aufgebrochen. Die gesamte Anlage ist als Passage in mehreren Schichten nutzbar und wenn die Geschäftslokale sowie die Büros funktionieren, entsteht ein lange in Wien vermißtes multifunktionales Ambiente, das eine offene Stadt in der Stadt bildet.


In der Diagonale

Diese Idee der Interaktion wird von den Architekten in der Disposition der Flächen mit äußerster Konsequenz umgesetzt. Um den Preis einer ungünstigeren Belichtung für einen Wohntrakt ist nämlich ein Büroriegel westseitig über Stege angedockt. Die diagonale Anlage von Büros und Wohnungen sowie der Sicht-und Rufkontakt für beide Arten von Nutzflächen zum Hof hin bleibt damit gewahrt.

Die rigide Zeilenbauweise der alten Moderne wird in dieser neumodernen Architektur gezielt hinterfragt, um ein städtisches Leben mit allen seinen Facetten und einem Mittelpunkt - dem ansteigenden Hof - anzustreben. Dazu zählt auch das Erlebnis zahlreicher Bepflanzung und kleiner, überschaubarer Bereiche, welches sich von der monotonen Wahrnehmung der „Plattenseen“ und dem sozialen „Abstandsgrün“ der Bauten aus den fünfziger bis siebziger Jahre deutlich unterscheidet.

Die Wohnungen selbst sind wie die gesamte Anlage von einer planerischen Strenge, die ohne jede postmodernen Kapriolen auskommen. Knappe Schlafzimmer und großzügige Aufenthaltsräume mit durchgehenden Loggien kennzeichnen die Geschoßwohnungen, während die Maisonetten die Dreidimensionalität der eigenen vier Wände auf elementar-reduzierte Weise vermitteln.

Die Fassadenarchitektur zu den Straßen und zum Hof hin sind auf der Höhe der Zeit. Ihre Instrumentierung lebt aus subtilen rhythmischenVerschiebungen der Fensterbänder und den Andeutungen von Ecksituationen, während die horizontale Gliederung ein altes Wiener Gründerzeitthema wiederholt. Die große städtebauliche Geste ist nicht Angelegenheit der Architekten. Vielmehr wissen sie um die Vorteile unterschiedlicher Bauepochen bescheid und versuchen daraus ein Ganzes zu gewinnen.

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