Bauwerk

Bahnhof Baden
Henke Schreieck Architekten - Baden (A) - 2004
Bahnhof Baden, Foto: Margherita Spiluttini
Bahnhof Baden, Foto: Margherita Spiluttini

Abschied von der Masse

Ein Dach mit zeichenhafter Kraft, ein Damm als Element der räumlichen Struktur. Ansonsten Klarheit und kluge Angemessenheit. Der Bahnhof von Baden bei Wien nach dem Umbau.

30. April 2005 - Walter Zschokke
Schnurgerade zieht die Südbahn ihre Linie von Nordost nach Südwest durch das Badener Stadtgebiet. Im flachen Vorfeld des Helenentals verläuft die Trasse auf einem Damm. Denn die ersten Bahningenieure suchten jeden unnötigen Höhenunterschied, der kräftezehrende Steigungen zur Folge gehabt hätte, zu vermeiden. So bildet der Bahndamm ein unübersehbares Element der Stadtstruktur in den Erweiterungsgebieten des 19. und 20. Jahrhunderts. Nun könnte man meinen, der Damm trenne das Stadtgebiet. Das ist jedoch weniger der Fall, als wenn die Trasse zu ebener Erde verlaufen würde, wie ein Blick nach Wiener Neustadt beweist. Denn die Hochlage der Bahn erlaubt zahlreiche Durchstiche durch das Hindernis, so dass zwar die Blicke, nicht aber die Verkehrsbeziehungen unterbrochen werden. So schafft der Damm eine räumlich ordnende, aber kaum eine funktionale Trennung.

Die zum historischen Stadtkern periphere Lage des Bahnhofs veränderte das Stadtgefüge in den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten. Auf der Stadtseite befand sich das repräsentative dreigeschoßige Aufnahmegebäude mit den Servicestellen für den Bahnbetrieb sowie Büros und Dienstwohnungen in den oberen Geschoßen. Mit dem Wandel der Rolle der Eisenbahn seit dem Aufkommen des motorisierten Straßenverkehrs sowie den neuerlichen Veränderungen im Zuge einer Intensivierung des Pendlerverkehrs im Großraum Wien sank die Bedeutung der Bahnhöfe in der Hierarchie gesellschaftlicher Wertvorstellungen.

Zwischenzeitlich glaubte man, an den entsprechenden Stellen vom urbanen Potenzial eines Bahnhofs prinzipiell profitieren zu können, und plante, diese Orte hoher Personenfrequenz zu Einkaufszentren aufzurüsten. Dies erwies sich jedoch nur für zentrale, in hoch verdichteter urbaner Lage befindliche Anlagen als sinnvoll, während kleinere Bahnhöfe, mangels längeren Aufenthalts der stets in Eile befindlichen Pendler, zu möglichst rational organisierten Stationen umfunktioniert werden müssen, selbst wenn beziehungsweise gerade wenn sie als regionale Umsteigeknoten von Bahn auf Bus und umgekehrt dienen.

Allerdings bedeutet dies eine Reduktion der erforderlichen Baumasse, wodurch die stadträumliche Präsenz sowie auch die mögliche Rolle im urbanen Gemenge abgebaut und zurückgestuft werden. Bei Erneuerungen oder Neuplanungen stehen die Architekten daher vor der Aufgabe, mangels möglicher Masse mit viel subtileren Mitteln städtebauliche Signifikanz zu erzeugen. Gerade dafür erweist sich die Hochlage der Bahntrasse in Baden als Vorteil. Denn als übergeordnetes stadträumliches Strukturelement ist der Damm, teils mit Mauern, welche die Böschungen befestigen, bereits vorhanden. Es galt daher, den Ort aufzuzeigen, wo der Austausch zwischen den Verkehrssystemen stattfindet. Natürlich ist dieser bereits durch die darauf ausgerichtete Stadtstruktur und die Tradition vorgegeben. Dennoch war es wichtig, ein Zeichen zu setzen. Das ist dem Wiener Architektenteam Dieter Henke und Marta Schreieck in doppelter Hinsicht gelungen. Einerseits mit einer nichts zu wünschen übrig lassenden Klarheit, andererseits mit kluger Angemessenheit im Umgang mit dem Vorhandenen.

Als von weitem erkennbares Zeichen dient das Dach, das in Form zweier flacher Paneele über dem Bahndamm zu schweben scheint. Weit auskragend, beschirmt es die Eingänge, so dass keinerlei Zusatzelemente wie etwa kleine Vordächer vonnöten sind, welche die Wirkung des großen Daches schwächen würden. Bei Eintreten der Dämmerung wird dessen Unterseite angestrahlt, so dass der leuchtende Schirm auch bei Dunkelheit seine zeichenhafte Kraft bewahrt.

Der Damm ist platzseitig mit einer Mauer befestigt und weist damit eine Fassade auf. Rechter Hand ist es eine aus Naturstein gemauerte Reihe eleganter Korbbögen, deren Bogenfelder teils mit Mauerwerk verblendet, in Stationsnähe jedoch für kleine Geschäfte geöffnet sind. Damit wird sowohl dem städtebaulichen Element des Dammes als auch dem historischen Bestand Rechnung getragen, und beides in die Neukonzeption selbstverständlich integriert. Das Bahnreisezentrum, ein Kiosk, ein Laden mit Backwaren für Reiseverpflegung, einige Automaten und die Toiletten finden im Volumen des Bahndamms ihren Platz. Zu beiden Seiten sind zahlreiche gedeckte Abstellplätze für Fahrräder neu errichtet worden, damit jene Pendler aus dem Nahbereich, die mit dem Fahrrad kommen, auch bei zwischenzeitlichem Regen mit einem trockenen Sattel rechnen dürfen. Für jene, die mit dem Auto zur Station fahren, steht auf der Leesdorfer Seite schon länger ein Parkdeck zur Verfügung. Über eine Brücke gelangt man direkt zum südlichen Bahnsteig.

Die kurz gehaltenen Erschließungswege der Bahnreisenden - der Bahnhof Baden weist eine hohe Benützerfrequenz auf - werden mit einer Glasmembran vor Wind und Schlagregen geschützt. Sie folgt der Rechteckform des Daches und hängt vor der sowohl statisch als auch gestalterisch minimierten Fassadenkonstruktion. Keinerlei Hinterspannungen oder verspielt gestylte Befestigungselemente stören die architektonische Wirkung: Da sind die schlanken Dachstützen, deren kräftige Querschnitte Dachgewicht und Windlasten aufnehmen, ohne dass sie mit ihrer Leistung protzen müssten. Visuell treten sie ebenso zurück wie die horizontalen Sprossen, deren liegende Rechteckquerschnitte in der Mitte von Zugstäben gehalten werden, die erst beim zweiten Hinschauen überhaupt auffallen.

Die Hauptwirkung der Glasmembran liegt jedoch in ihrem Aufbau aus einfachen Scheiben. Im Gegensatz zu den heute für klimatisierte Räume üblichen und notwendigen Isolierverglasungen, die mit vier Reflexionsebenen weniger durchsichtig sind, weist eine einzige Scheibe bloß deren zwei auf. Sie ist daher transparenter und ermöglicht besser als Erstere die Realisierung des klassisch modernen Traumes, den Raum optisch durchfließen zu lassen. Eben das gelingt den Architekten am Stationsgebäude von Baden, indem sie davon profitieren, dass die Halle nicht beheizt wird. Die Warteräume auf Bahnsteigebene sind in den Glasmembrankörper integriert, so dass auch sie die klare Gesamtwirkung nicht beeinträchtigen. Insgesamt ist die Körperhaftigkeit des gläsernen Witterungsschutzes zurückgenommen, so dass vor allem das Dach stark hervortritt und zur Wirkung kommt.

Die alte Unterführung war eng und unattraktiv. Die Erweiterung in Breite und Höhe veränderte den Charakter von einem Durchschlupf in einen Durchgangs- und Aufenthaltsraum. Ein Lichthof, der auf der Leesdorfer Seite in den Bahndamm eingeschnitten ist, unterbricht den Längsraum, korrespondiert mit dem Treppenaufgang zum Bahnsteig der nach Süden fahrenden Züge und wertet den Durchgangsraum architektonisch auf. Der im Hof gepflanzte Baum bildet einen weiteren Akzent.

Mit den architektonischen Maßnahmen gelingt es überraschend gut, trotz fehlender Masse der Bahnstation mit einer unspektakulären Formensprache jene Monumentalität zu verleihen, die ihr städtebaulich und funktional heute zusteht.

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