Bauwerk

Zu- und Umbau LKH Knittelfeld
fasch&fuchs.architekten, Lukas Schumacher - Knittelfeld (A) - 2005
Zu- und Umbau LKH Knittelfeld, Foto: Paul Ott
Zu- und Umbau LKH Knittelfeld, Foto: Paul Ott
Zu- und Umbau LKH Knittelfeld, Foto: Paul Ott
Zu- und Umbau LKH Knittelfeld, Foto: Paul Ott

Alles Licht!

Nachteile produktiv nützen, Erschwernisse zu Qualitäten umformen: der Erweiterungsbau zum Landeskrankenhaus Knittelfeld, gestaltet von fasch&fuchs in Zusammenarbeit mit Lukas Schumacher.

28. November 2005 - Karin Tschavgova
Architektur muss der Tatsache, dass sie durchschritten wird, Rechnung tragen, meinte Le Cor busier. Gute, lebendige Architektur besäße daher wie ein lebendiges Wesen einen inneren Kreislauf. Die Wirkung des Bauwerks sei das Ergebnis einer architektonischen Komposition aus unterschiedlichen Klangelementen, die nur in dem Maße erfahrbar werden, wie uns unsere Schritte hindurchtragen, uns weiterführen und unseren Blicken die Weite der Mauern und Perspektiven darbieten, das Erwartete oder das Unerwartete hinter den Türen, die das Geheimnis neuer Räume preisgeben, das Spiel der Schatten, der Halbschatten oder des Lichts, das die Sonne durch Fenster und Türen wirft. Dem Licht wird ein wesentlicher Anteil am Gelingen dieser Komposition zugerechnet, wobei nicht in erster Linie die Menge des Lichteinfalls gemeint ist, sondern die Lichtführung, die eine genaue Kenntnis der Wirkung von Licht einschließlich des Sonnenlichts voraussetzt.

Zur echten Herausforderung für Architekten wird Licht als Thema, wenn die Vorgaben für eine Planungsaufgabe die optimale Versorgung mit Licht und Sonne erschweren, wie dies bei der Erweiterung des Landeskrankenhauses im obersteirischen Knittelfeld der Fall war. Durch Abriss einiger Nebengebäude an der Rückseite des denkmalgeschützten gründerzeitlichen Solitärs wurde zwar Platz geschaffen für den dringend benötigten Neubau von vier Bettenstationen, ein Andocken an das massige dreigeschoßige Bauwerk war allerdings nur im Norden möglich. Mit einem Konzept, das souverän verstand, die daraus entstehenden Nachteile auszuräumen, konnte das in Wien ansässige Architekturbüro fasch&fuchs mit Lukas Schumacher den Wettbewerb, der einem Bewerbungsverfahren folgte, 1998 für sich entscheiden.

Den neuen, lang gestreckten Baukörper setzen sie parallel zum Bestand und rücken ihn nur so weit von diesem ab, dass die Verbindung kompakt und die nunmehr erweiterte Wegführung betriebseffizient bleibt. Eine zweigeschoßige, verglaste Brücke verbindet Alt und Neu. Die Beeinträchtigung des Lichteinfalls bei nur acht Metern Gebäudeabstand wird durch geschickt gesetzte Maßnahmen aufgehoben. Eine kennt man schon vom ersten Bau der Architekten, der sie über die Grenzen hinweg bekannt machte: dem Kindermuseum in Graz. Wie dieses wird der dreigeschoßige Zubau zum Landeskrankenhaus in ein durch Abgrabung neu geschaffenes Terrain eingebettet und die vom Altbau und aus der Entfernung erlebbare Höhenentwicklung merklich reduziert. Das Erdgeschoß des Neubaus, das die Physiotherapie und eine Zentralküche enthält, ist damit niveaugleich mit dem Keller des Bestands, der durch die neue Belichtungsmöglichkeit aufgewertet wird. Als weiterer Schritt zur Verbesserung der Belichtung für beide Baukörper wurde die dem Altbau gegenüberliegende Fassade gekippt - weg vom Bestand, gleich um 18 Grad. Die daraus resultierende Trichterwirkung wird verstärkt durch sechs tiefe, gleichmäßig gesetzte Rücksprünge, die in die beiden Obergeschoße eingeschnitten sind.

Diese zwei Kunstgriffen - Absenkung und Schrägstellung - bestimmen alle weiteren gestaltgebenden Entwurfsentscheidungen und formen das dynamisch schnittige Profil des Baukörpers, das mittlerweile viele der Arbeiten von fasch&fuchs charakterisiert.

Optimierung und Lenkung des einfallenden Lichts prägen auch die Mittelgangerschließung des zweihüftigen Neubaues, in dem die Funktionszone jeder Station zum Altbau hin orientiert ist. Räumlich klar getrennt von den Krankenzimmern liegen da die Schwesternräume, Bäder und die Aufenthaltsbereiche für die Patienten, die im Rhythmus der Einschnitte der Südfassade angeordnet wurden und von diesen mit Licht versorgt werden - und mit dem Grün je eines winzigen Rasenstücks mit Solitärbaum. Der Ziel: Ein Gefühl von Distanz zum Bestand soll erzeugt werden.

Überaus markant erhellt wird die Gangzone durch ein seitlich situiertes, hochgelegtes Oberlichtband, das die Lichtstrahlen auf eine ebenfalls stark geneigte Wand lenkt. Einerseits wird das Licht von der strahlend weißen Schräge in die verglasten Bereiche der Versorgungszone reflektiert, andererseits werden die innen liegenden Sanitärräume der Krankenzimmer hinter dieser Wand durch Ausnehmungen in dieser mit Tageslicht versorgt - in einem Maß, dass künstliches Licht tagsüber nicht gebraucht wird. Sogar die Gänge der ein Geschoß tiefer liegenden Stationen profitieren vom darüber einfallenden Licht, indem in regelmäßigem Abstand Glasstreifen in die Decken eingelassen sind.

Auf diese Weise gelingt es den Architekten, die immer teamorientiert arbeiten, ihren Projektleitern jedoch weitgehende Entscheidungskompetenz zugestehen, die Nachteile einer Lage auszugleichen. Situative Vorteile werden immer akribisch herausgearbeitet. In Knittelfeld bleiben die nach Norden orientierten Patientenzimmer frei von direkter Sonneneinstrahlung und konnten deshalb großzügig verglast werden - raumbreit und so tief, dass auch vom Krankenbett aus uneingeschränkte Ausblicke möglich sind. Die niedrigen Parapete wurden zur Sitzbank für Besucher aufgewertet. Für Behaglichkeit trotz hohen Glasanteils sorgt helles Holz in Form einer rundum laufenden Vertäfelung und als Oberflächenmaterial der Trennwände zu den internen Sanitärräumen.

Entwurfsentscheidungen sind bei Hemma Fasch und Jakob Fuchs, die projektbezogen mit Lukas Schumacher zusammenarbeiten, immer von Pragmatik bestimmt. Auch wenn diese Aussage erstaunen mag: Sie sind, im besten Sinn des Wortes, anwendungs- und sachbezogen. Der Gefahr, allzu vertraute Bilder zu produzieren, unterliegen die Architekten dabei nie. Ihr „Anderssein“ ist keine gewollte Programmatik. Es ist die ihnen eigene, unkonventionell frische Umsetzung von Vorgaben - von solchen des Ortes, der Funktion bis zu jenen der gewählten Materialien -, die die Nutzer fordert und unreflektierte Gewohnheiten überdenken lässt. Auch das Dach über der Anlieferungszone zwischen Alt- und Neubau ist kein modisches Aperçu. Die luftgefüllten, transparenten Folienkissen wirken höchst ephemer und gewichtslos, lassen Licht ungehindert in die anschließenden Räume und sind kostengünstig. Ins rechte Licht rücken solche Bauten sich von selbst.

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