Bauwerk

Haus H.
Johann Obermoser - Innsbruck (A) - 2003
Haus H., Foto: Günter Richard Wett
Haus H., Foto: Günter Richard Wett
Haus H., Foto: Günter Richard Wett

Hausklamm an der Kranebitter Klamm

Im Schatten der Kranebitter Schlucht entwarf Architekt Johann Obermoser ein Haus, das so archaisch ist wie die Gebirgslandschaft. Eine Stiegenkaskade an einer klammartigen Sichtbetonscheibe erschließt den mit rostigen Blechpanelen verkleideten Baukörper, der sich im Westen mit transparenten Wohnebenen, flugdachartiger Terrasse und Glaskeller zum Wiesengrund mit Schwimmkanal öffnet. Die Kinder leben autonom in zwei Lofts am eigenen Treppenturm.

8. Oktober 2005 - Isabella Marboe
Schroff und mächtig ragen die Felsen der Kranebitter Klamm in den Himmel über Tirol. Unweit von Innsbruck liegt diese Schlucht im Mischwald der unteren Nordkette, deren Naturgewalt die Bauherrn sofort faszinierte. Hier kauften sie 2000 m² Freiland mit partieller Bauwidmung. Versteckt hinter einer scharfen Straßenkehre, liegt seine Ostgrenze in der Verlängerungsachse der Schlucht. Laut tost der Bach durch dichte, gebirgig ansteigende Föhren, vor denen sich der Grund imWesten zur Wiesenlichtung weitet, nach Süden abfällt und dann wieder in Wald übergeht.

Eine archaische, urwüchsige Landschaft, wie geschaffen für die Bauherrn und ihren Architekten, Johann Obermoser: drei starke Charaktere, die sich seit Jahren kennen. 1992 kauften sie den Wald- und Wiesengrund, seither keimte die Idee zum Haus mit Pool im Garten, wo man beiWind und Wetter schwimmen kann. Obermoser wusste um die baufrauliche Liebe zu offenen, modernen Räumen, den bauherrlichen Hang zu Gletschern, rustikalen Bauernstuben und seine Sammelleidenschaft für ausgefallenes Spielzeug. Die zwei fast erwachsenen Kinder wollten autonom, doch in Reichweite der elterlichen Nabel- und Nährschnur leben.

Vieler Worte bedurfte es beim Planen und Bauen nicht mehr. Das Paar vertraute der schöpferischen Intuition des Architekten blind und bekam, was es wollte: ein Haus, so archaisch wie die Landschaft. Mit rostigen Blechpanelen verkleidet, liegt es an einer rauen Sichtbetonklamm mit oberlichtgefluteter Treppe, wo die drei Wohnebenen andocken. Mit verglaster West- und Südfront öffnen sie sich zur Landschaft, um von der schwebenden Terrasse mit einer steilen Außentreppe im 15 m langen Schwimmkanal vorm gläsernen Spielkeller in sie einzutauchen. Wie ein Glühwürmchen schimmert nachts Licht durchs satinierte Garagenglastor an der Zufahrt im Nordosten, die sich gartenseitig zur Pergola ausweitet. Sie bildet den Auftakt zur imposanten Hausskulptur für zwei Generationen. Eine hohe, scharfkantige Sichtbetonscheibe flankiert die Ostlängsfront, rätselhaft ragt eine schwebende Betonbox aus der Wand, über die sich ein gletschereisiger Glasquader schiebt, dahinter ragen die rostigen Blechpanele des Hausbaukörpers hoch.

Regentropfen malen feine Rinnsale aufs Oberlicht vor Föhrenwipfeln, darunter schwingt sich die Treppenkaskade aus sich verjüngenden, schwebend gesetzten Holzstufen die Wandscheibenklamm hoch. Sie erschließt die drei Elternebenen, das Reich der Kinder ist am Stiegenturm im Nordeck: zwei Einraumlofts mit Sanitärbox und Zugang auf die Terrasse, die wie ein Flugdach dynamisch am elterlichenWohnloft entlang gleitet, um schwebend am Südglas einzurasten, wo sie Pool und Vorgarten am Sauna-Fitness- Keller, der auf der tieferliegenden Naturgartenerde aufsetzt, tagsüber beschattet und nachts deckenlichtflutet.

Hier genießt der Bauherr mit Blick aufs Wasser seine Sammelerausbeute: Wurlitzer, Flipper, Roboter, eine schicke Nirostabar und andere Gemütsaufheller bevölkern den Raum, an dessen abschließender Wandscheibe eine Treppe ins zentraleWohnloft schwebt. Ein riesiger, eichenholzgedeckter Raum mit offenem Küchenblock, langem, großen Esstisch am westseitigen, waldgesäumten Wiesenpanorama mit südseitiger Sitzecke.

Hier lüftet an der Treppengalerie auch die hereinragende Betonbox ihr Geheimnis: holzgetäfelt, mit Eckbank, Tisch und Kamin bietet sie authentisches Bauernstubenambiente. In der Schlafebene darüber aber herrscht, von der weißen Wanne hinter der Treppenluftbrücke, unterm Oberlicht übers verglaste Schlafzimmer mit intimem Südbalkon bis zum Arbeitsraum der Bauherrin wieder moderne Transparenz.

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Isabella H.

Tragwerksplanung

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