Bauwerk

Pardorama
Jäger Architektur - Ischgl (A) - 2005
Pardorama, Foto: Fotostudio Mario
Pardorama, Foto: Fotostudio Mario

Restaurant und Kongresszentrum auf 2.620 m Höhe

Die Errichtung eines Gebäudes auf einem Berggipfel bedeutet immer eine besondere Herausforderung. Auf dem 2.620 m hohen Pardatschgrat in Ischgl kamen zu den Extrembelastungen von Mensch, Material und Maschine (Windspitzen bis zu 130 km/h, Temperaturschwankungen zwischen –5 und 22 Grad) und den kurzen Zeitabschnitten, die außerhalb der von Ende November bis in den Mai hineinreichenden Schisaison für die Bauarbeiten genutzt werden konnten, noch schwierigste Bodenverhältnisse dazu: Der Pardatschgrat wird durch mehrere Bergblöcke gebildet, zwischen welchen es in sogenannten Kluftgassen zu Frost–Tauwechsel kommt und damit zu Hebungen bzw. Senkungen der Bergoberfläche, die bis zu 4 cm pro Jahr betragen können. Macht das Gebäude diese Bergbewegungen nicht mit, so sind extreme Riss-Schäden die Folge und das Gebäude wird früher oder später unbrauchbar, wie die 1972 und 1985 errichteten Vorgängerbauten.

Die beiden Bauteile des Neubaus lösen diese Randbedingungen, indem sie jeweils auf drei Einzelfundamenten aufgelagert sind, deren Tragwerke mit hydraulischen Pressen angehoben werden können. Durch das Unterlegen von Stahlplatten wird die jeweils unterschiedliche Fundamentsetzung ausgeglichen und das Gebäude in die gewünschte Niveaulage gebracht. Abhängig von der Bergbewegung ist dieser Justiervorgang vorerst einmal jährlich vorgesehen.

Vom Felsen geduldet ...
Der modernen Technologie entsprechend wählte der Architekt eine klare und nüchterne Formensprache, die auch nicht in Konkurrenz zur gewaltigen Kulisse der Natur mit ihren schroffen und zerklüfteten Felsen treten will. Angrenzend an die bereits bestehende Seilbahn-Bergstation und mit jeweils 30 cm breiten Bauwerksfugen zwischen den Bauteilen befinden sich das langgestreckte Restaurant-Gebäude und nordöstlich davon der kleinere Baukörper, der v. a. die notwendigen Infrastruktureinrichtungen und Personalunterkünfte aufnimmt. Das dreigeschossige Restaurant-Gebäude mit ca. 12.000 m³ umbautem Raum bietet Platz für ein Selbstbedienungsrestaurant mit 400 Sitzplätzen, ein Bedienungsrestaurant mit 170 Sitzplätzen und einen Kongressbereich für bis zu 150 Teilnehmer im obersten Geschoß.

Die unterschiedliche Materialsprache der Fassaden, eine durchgehende Lärchenholzschalung bzw. eine dreiseitige Ganzglasfassade, setzen die beiden Bauteile deutlich voneinander ab, während als verbindendes Element vorgesetzte Lisenen die Fassaden strukturieren. Die Lisenen sollen aber auch an die bäuerliche Tradition erinneren, bei hohem Schneestand Latten an den Stadel zu stellen und damit beim Abgang einer Lawine in unmittelbarer Nähe durch Veränderung des Luftdruckverhaltens eine Zerstörung des Stadels zu verhindern. Auch in der Verwendung von heimischen Hölzern und Steinen sowie der „Scraffitti“-Technik – eine Kratzputztechnik, die besonders im oberen Paznaun und im Engadin seit Jahrhunderten verwendet wird – fließen regionale Bautraditionen ein und lockern die extrem technische Stahlkonstruktion auf.

Die Verwendung schlichter Formen und Materialien und der Verzicht auf jedes verspielte Detail setzen sich konsequent im Innenraum fort. Keine noch so aufwändige Gestaltung des Innenraums und keine Wanddekoration könnten gegen das Panorama, das sich dem Restaurant-Besucher bietet, bestehen: Bergketten, deren Spitzen auf der selben Höhe wie das Pardorama liegen. (Text: Claudia Wedekind)

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Für den Beitrag verantwortlich: aut. architektur und tirol

Ansprechpartner:in für diese Seite: Claudia Wedekindclaudia.wedekind[at]aut.cc

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Silvretta Seilbahn AG Ischgl

Tragwerksplanung

Kunst am Bau