Bauwerk

Vienna Biocenter 1, 2 + 3
Boris Podrecca - Wien (A) - 2008
Vienna Biocenter 1, 2 + 3, Foto: Pez Hejduk
Vienna Biocenter 1, 2 + 3, Foto: Pez Hejduk

Wo das Wunder passiert

Boris Podrecca baut das neue Biotechnologiezentrum in Wien

30. September 2000 - Ute Woltron
Der Architekturwettbewerb um das neue Wiener Laborgebäude der Akademie der Wissenschaften ist entschieden. Die Sache befindet sich unter einer Art Käseglocke, erläutert Architekt Boris Podrecca sein Siegerprojekt, was sich später unter dieser Hülle aus Glas abspielen wird, ist nur Eingeweihten klar. Biotechnologie heißt die unheimliche Wissenschaft der Zukunft, auf der ganzen Welt wird heftig in diese Richtung geforscht, nun soll also auch Wien ein solches Forschungszentrum größerer Dimension bekommen.

Zumindest die Labor-Architektur, in der sich das Unerklärliche abspielen wird, ist klar und verständlich, wenn auch nicht einfach. Boris Podrecca entwarf für die Wissenschafter sozusagen einen Forschungs-Organismus, einen Haus-Wirten, der je nach den Ansprüchen der beherbergten Gastorganismen, also der rund 80 Menschen, die in ihm arbeiten werden, schrumpfen und wachsen und dazulernen kann. Der zentrale Teil der Anlage im 3. Wiener Bezirk sind natürlich die Labors, die Podrecca als „das Gehirn“ bezeichnet, als den „Ort, wo das Wunder passiert“. Das gesamte Gebäude ist nach den vereinfachenden Formulierungen der Architekturkritik in vier Zonen gegliedert: Zur Dr.-Bohr-Straße hin macht das große neue Haus nach Podreccascher Manier in grünlichem Stein, ebensolchem Glas und poliertem Metall die Front zu, was der Architekt als Dienst an der Stadt betrachtet, was andererseits aber doch ein bisschen schade ist, weil Wunder nach Möglichkeit ja auch nach außen wirken sollen. Doch wer sind wir, hier zu urteilen.

Dahinter wird es jedenfalls sofort spannend, weil sich eine kleine Welt auftut, in der es Plätzchen und Straßen, Rampen und Verweilpodeste gibt, ganz zu schweigen von den Cafégärtchen, dem Wassergeplätscher und dem Schilfgewucher. Zwischen diesen Zonen der behaglichen Kommunikation auf vielen Ebenen befinden sich selbstverständlich auch Arbeitsgelegenheiten wie Büros, Konferenzräume und Labors lose eingestreut. Der Architekturkritiker würde hier vom Betonrückgrat des Büroriegels sprechen, der die Sache straßenseitig gelegen quasi in Form hält, von einem dahinter angehängten Erschließungsgerüst mit Rampen und Stiegen, das zugleich eine luftige Atemzone im Gebäude bildet, von dem in weiterer Folge eingehängten Laborblöcken, die in offener Stapelung und Leichtbauweise die wachsende oder schrumpfende Zentrale des Gebäudes bilden. Darüber, mächtige Lufträume entstehen lassend, stülpt sich besagte Käseglocke, architektonisch als intelligente, weil mit Lüftungs- und anderer Technik versehene Klimafassade zu bezeichnen.

Podrecca hat ein Haus entworfen, das bei Bereitstellung jeglicher Infrastrukturen den Wissenschaftern zusätzlich auch viel Platz gibt, um sich zu orientieren und untereinander auszutauschen, denn Forschung passiert nicht nur im Labor und am Computer, sondern vor allem im miteinander Nachdenken. Das haben die Architektenkollegen Gregor Eichinger und Christian Knechtl bereits mit ihrem sehr schönen, kleinen Schrödinger-Institut gezeigt, wo sie den Wissenschaftern ermöglicht haben, allerorten Tafeln mit Kreide vollzuschreiben.

Podreccas Haus ist in seinen Dimensionen und Anforderungen natürlich Schrödinger mal Pi und muss enormen Technologieansprüchen genügen. „Deshalb gibt es auch Naturelemente wie Wasserbecken und Grünzonen, damit das Gebäude keine technische Monokultur, kein Gerät wird“, sagt der Architekt. Auch Wohnungen sind im Komplex untergebracht, sie orientieren sich zur Innenstadt und präsentieren ihren Bewohnern den fenstergerahmten Steffl. Die Labors auf der anderen Seite sind eine „Vitrine“, die Richtung Erdberg, wo gerade ein neuer Stadtteil mit Gasometer- und anderer Architektur belebt wird und zum bereits bestehenden Wissenschaftscampus aufmacht. Denn das Institut für molekulare Bioinformatik, kurz IMBA, ist Teil einer Gesamtanlage, die Biotechnologiezentrum Wien heißt und in verwirrender Vielfalt in diversen Gebäuden in diesem Block zwischen Dr.-Bohr-Gasse, Viehmarktgasse und Rennweg Universitäres mit Privatwirtschaftlichem vermischt.

Das neue IMBA der Akademie der Wissenschaften zum Beispiel entsteht in Kooperation mit dem privaten Großkonzern Böhringer Ingelheim, bezahlt wird das 190-Millionen-Schilling-Ding allerdings von der Stadt Wien, die laufenden Betriebskosten von jährlich 100 Millionen wird der Bund begleichen. Von Böhringer kommt derweilen also nur das, was man Know-how nennt. Als Baubeginn wird Mitte 2001 angepeilt. „Wenn es irgendwie geht, wollen wir Ende 2002 einziehen“, sagt Helmut Schuch von der Akademie.

Das gesamte Biotechnologieprojekt ist ein Liebkind von Brigitte Ederer, die auch deutlich Interesse an einem Ausbau des Nachbargrundstücks in ähnlicher Manier zur Nutzung für Unternehmen signalisiert. Christian Bartik aus dem Büro der Stadträtin: „Die Erweiterung ist fix geplant, lediglich der Gemeinderatsbeschluss steht aus.“ Der Erweiterungsbau war bereits Teil der Wettbewerbsvorgaben.

Der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds, so Schuch, „zerbricht sich jetzt ernsthaft den Kopf darüber, wie das gsamte Gebäude in einem Durchgang errichtet werden könnte.“

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