Bauwerk

MoMA
Yoshio Taniguchi - New York (USA) - 2004

Rechter Hand die Fifth

Chronischer Platzmangel begleitet das New Yorker Museum of Modern Art seit seiner Gründung im Jahr 1929. Die nun anstehende Erweiterung soll nicht bloß die Ausstellungsfläche vergrößern, sondern das MoMA als Institution für das nächste Jahrhundert neu erf

21. Februar 1998 - Gabriele Reiterer
„International Style“: Museum of Modern Art, New York. Photo: Robert Damora Elf West, dreiundfünfzigste Straße. Rechter Hand die lärmtosende Fifth, links die westlichen Avenues. Dem Stadtunkundigen weisen die langen flatternden Fahnen an der Fassade den Weg. Wer sich immer noch nicht auskennt, kann ruhig nach dem Weg fragen. Oder sich an die Fersen der „culture vultures“, der Kulturgeier, heften, die tagtäglich in Scharen die Perle der New Yorker Museumslandschaft stürmen - das Museum of Modern Art.

Die New Yorker lieben ihre knapp 100 Museen, und besonderen Rang genießt das MoMA, ein sogenanntes „streetmuseum“: Es liegt im Block und nicht an einer großen Avenue wie die meisten anderen Museen der Stadt. Dieser Umstand ist „schuld“ am chronischen Problem des Hauses - Platzmangel.

Nach bereits mehreren An- und Umbauten in seiner 69jährigen Geschichte steht diesmal eine großangelegte Erweiterung und Renovierung bevor. Dabei - so der Chefkurator der Design- und Architekturabteilung, Terence Riley - geht es darum, „nicht nur die Ausstellungsfläche des Museums zu vergrößern, sondern das MoMA als Institution für das nächste Jahrhundert neu zu erfinden“.

Das Museum of Modern Art erfand in diesem Jahrhundert bereits einmal die Institution Museum neu. Als Raum der Begegnung mit zum Teil völlig neuen Inhalten, als Zentrum für Aktivitäten verschiedenster Art, Konferenzen, Filme, Diskussionen, als Ausstellungsort und Publikationsstätte hatte es von Anfang an nicht mehr viel mit den staatlichen europäischen Ausstellungstempeln gemein.

Die Gründung des MoMA fiel in das Jahr 1929. Drei wohlhabende Kunstsammlerinnen hatten die Idee und auch den nötigen Einfluß zur Gründung eines Museums für moderne Kunst. Eine der drei Damen war Mrs. John D. Rockefeller Jr. Mit diesem und den Namen der reichsten Familien Amerikas war das Haus von nun an eng verknüpft. Sie begannen dem Museum die beste Sammlung moderner Kunst zu finanzieren.

Unter der Leitung von Alfred H. Barr Jr. fanden die ersten Aktivitäten in einigen wenigen angemieteten Räumen in Manhattan statt. Das MoMA markierte von Anbeginn an einen Wendepunkt in der amerikanischen Museumsgeschichte und begann sehr schnell eine führende Rolle einzunehmen: Es war das erste Museum, das Photographie, Film und Industriedesign ausstellte; Vorträge, Debatten, Filme und Radioprogramme bildeten einen wesentlichen Bestandteil der Museumsaktivitäten; die schicken, spektakulären Eröffnungen temporärer Ausstellungen waren „sophisticated“ und gesellschaftliche Ereignisse der anderen Art.

Der Schritt war ein riesiger: Die soziale und kulturelle Rolle des Museums wurde neu definiert. Das MoMA wurde zusehends zum „agressive tastemaker“ und hatte bald machtvollen Einfluß auf Kunst und - vor allem - Architektur. 1932 konfrontierte die Ausstellung „International Exhibition: Modern Architecture“ das Land mit der Architektur, die später als „Internationaler Stil“ bezeichnet werden sollte. Zusammen mit der berühmten Gemeinschaftspublikation „The International Style: Architecture since 1922“ von Henry-Russell Hitchcock und Philip Johnson wurde sowohl das Thema wie auch die neue Architektur an den Mann gebracht.

Bald darauf und ganz in neuer Linie wurde das Hauptgebäude des neuen Museums fertiggestellt. Die Architekten Philip Goodwin und Edward Durrel Stone hatten im „International Style“ gebaut. Die unteren drei Stockwerke des sechsstöckigen Gebäudes dienten als Ausstellungsfläche, der vierte Stock beherbergte die bereits umfangreiche Bibliothek. Einen Stock höher befanden sich Büros und zuoberst der Konferenzraum und ein Restaurant mit Dachterrasse. Im Souterrain war ein Auditorium für Filmvorführungen untergebracht. Der Skulpturengarten, von John McAndrew entworfen, erfreute sich schnell großer Beliebtheit - als Oase in den New Yorker Hitzemonaten.

Die verschiedenen Abteilungen verfügten bereits über umfangreiche und stetig wachsende Sammlungen. Die einzelnen „departments“ präsentierten ständig wechselnde Ausstellungen. 1941 zeigte das Department of Industrial Design die Schau „Organic Design in Home Furnishings“, eine der einflußreichsten frühen Designausstellungen.

1949 wurde René d'Harnoncourt, ein gebürtiger Wiener, zum Direktor des Hauses bestellt. Das Museum begann jetzt mit ernsthaften Platzproblemen zu kämpfen. Eine erste Erweiterung wurde Anfang der fünfziger Jahre vom Architekten und Leiter der Abteilung Architektur und Design, Philip Johnson, vorgenommen. 1958 brach während Renovierungsarbeiten ein Brand aus, der mehrere Meisterwerke der Gemäldesammlung beschädigte und zerstörte, darunter die „Seerosen“ von Monet. Eine Welle öffentlicher Sympathie ließ bei einem großangelegten „fundraising“ die Spenden fließen.

Eine nochmalige Erweiterung und mehrere Umbauten im Hauptgebäude nach Plänen Philip Johnsons begannen. Im Mai 1964 eröffnete das MoMA seine neuen Räumlichkeiten mit einer Serie von Ausstellungen. Da die Sammlungen beständig wuchsen, war bereits in den frühen siebziger Jahren das Platzproblem neuerlich virulent.

Doch diesmal hatte das MoMA ein zusätzliches Problem. Erstmals in der Geschichte der Institution war das Geld knapp geworden. Wie die meisten amerikanischen Museen war das Museum of Modern Art von privaten Geldern abhängig. Diese waren immer reichlich geflossen. Zum einen verdankte sich das großzügige Kunstsponsoring dem kulturellen Bewußtsein und nationaler Verpflichtung einer vermögenden Schicht. Die öffentliche Tat war jedoch für die Stifter und Sammler nicht zuletzt auch wegen der hohen steuerlichen Begünstigung sehr attraktiv.

Trotz erstmaliger öffentlicher Zuschüsse reichte jetzt das Geld nicht mehr aus, und das MoMA entschloß sich schließlich zu einem heftigst umstrittenen Schritt. In jener Zeit tauchte in New Yorks Immobilienkreisen eine Neuheit auf: In einer Stadt, wo Raum nicht mehr vorhanden war, mußte er neu definiert werden. In Manhattan begann zu dieser Zeit der Handel um die Luftraumrechte. Das Museum verkaufte für den damaligen Rekordpreis von 17 Millionen Dollar seine Luftrechte an einen privaten Interessenten, um damit die anstehende Erweiterung finanzieren zu können.

Über dem westlichen Erweiterungsflügel wurde ein 53stöckiger Apartmentturm errichtet. Das MoMA bezog die zehn unteren Stockwerke, der Rest sollte als Büro- und Wohnraum dienen. Der von Cesar Pelli geplante Turm wurde 1984 fertiggestellt. Den Verbindungspunkt zwischen den bestehenden Gebäuden und dem Neubau bildet eine riesige Treppenhalle mit Rolltreppen. Die gläserne Halle ist zum Garten gewandt, von hier aus werden sämtliche Bereiche begangen. Das Raumangebot des Museums verdoppelte sich, die Infrastrukturen konnten verbessert beziehungsweise erneuert werden.

Es sollte aber nicht lange dauern, bis das ständig expandierende und unter permanentem Platzmangel leidende Museum erneut handeln mußte. Im Februar 1996 kaufte es einige benachbarte Liegenschaften. Im Mai 1997 wurden die Ergebnisse eines Wettbewerbs zur Erweiterung und Renovierung in einer Ausstellung präsentiert.

Diesmal soll es die größte und umfassendste Erweiterung in der Geschichte des MoMA werden. Zehn internationale Architekten wurden zum Wettbewerb geladen, aus dem schließlich drei Finalisten hervorgingen: die Schweizer Jacques Herzog & Pierre de Meuron, Bernard Tschumi und der Japaner Yoshio Taniguchi. Herzog & de Meuron präsentierten gleich zwei Entwürfe, davon eine „Dachlandschaft“. Über die einzelnen Gebäude wird ein teilweise durchbrochenes Glasdach gesetzt. Tschumis Projekt spezifizierte vor allem den Weg im Museumsgelände, ohne die Formen der einzelnen Gebäude zu definieren. Yoshio Taniguchi entwarf eine „innenliegende Avenue“ zwischen 53. und 54. Straße und machte damit in dem mehrstufigen Wettbewerb das Rennen.

Der 1937 geborene Harvard- Absolvent ist vor allem durch seine Museumsbauten in Japan bekannt geworden. Die MoMA- Erweiterung ist sein erster internationaler Auftrag. Taniguchis Entwurf bringt einige grundsätzliche Veränderungen - so wird der Bau von 1939 nicht mehr zentral sein - , ist aber insgesamt sehr moderat konzipiert. Im Zuge der Erweiterung wird die originale Fassade des Baus von Goodwin und Stone wiederhergestellt werden. Von beiden Straßenseiten wird man in Zukunft das MoMA über eine neue Lobby, mit Öffnung zum Skulpturengarten, betreten können. Mit dem Bau wird voraussichtlich in zwei bis drei Jahren begonnen, das Museum möchte 2004 seine Pforten wieder öffnen

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