Bauwerk

Technisches Museum, Eingangsbereich
Atelier Schönbrunner Strasse - Wien (A) - 1997
Technisches Museum, Eingangsbereich, Foto: Margherita Spiluttini

Sanierung mit Totalschaden

Das alte Technische Museum barg eine ganze Sammlung von Beweisstücken für das tragische Schicksal österreichischer Erfinder. Das umgebaute neue ist selbst ein Beweisstück - für das tragische Schicksal österreichischer Architektur.

8. Februar 1997 - Christian Kühn
Kein Zweifel: Österreich ist das Land der tragischen Erfinderschicksale. Von heimtückischen Nachahmern um seine geniale Idee betrogen, stirbt der österreichische Erfinder vereinsamt und verarmt, während das böse Ausland den Gewinn einfährt.

Das alte Technische Museum, so wie es vielen Wienern noch von sonntäglichen Besuchen in Erinnerung ist, war eine Ansammlung von Beweisstücken für dieses Klischee: Mitterhofers Schreibmaschine, Ressels Schiffsschraube, die Maderspergersche Nähmaschine, Marcuswagen und Etrich-Taube. Ansonsten zeigte das Museum Technik aus der Perspektive und mit den Mitteln des späten 19. Jahrhunderts: Dampfmaschinen, Lokomotiven und Autos als Bubenträume von der rohen Kraft der Maschine und der Macht des Menschen über die Natur.

Zwei Weltkriege und eine Ökologiekrise später ist diese Perspektive obsolet (obwohl sie für „echte“ Buben - wie wir ehrlich zugeben müssen - nichts von ihrer Faszination verloren hat). Sie ist genauso veraltet wie die kühle Distanz, mit der die Tierwelt noch heute im Wiener Naturhistorischen Museum gezeigt wird. In endlosen Reihen von Vitrinen wird dort eine Sicht der animalischen Natur demonstriert, die sich auf eine Folge von Abschießen, Ausstopfen und Ausstellen zu beschränken scheint.

Aber diese Sicht, der wir einen guten Teil unserer heutigen ökologischen Misere verdanken, ist im Naturhistorischen Museum auf eine einzigartige Weise dokumentiert, und die derzeitige Aufstellung gilt daher zu Recht als kulturhistorisch erhaltenswert.

Das Technische Museum in seiner alten Form hätte einen vergleichbaren Status beanspruchen dürfen. Das Museum geht auf die Initiative Wilhelm Exners zurück, der sich bereits 1879 mit der Gründung der ersten Höheren Technischen Lehranstalt der Monarchie um die Förderung der Technik verdient gemacht hatte. 1907 wurde auf sein Betreiben hin ein Komitee für die Errichtung eines Technischen Museums geschaffen. Exner selbst arbeitete ein Museumskonzept aus, das technikhistorische mit pädagogischen Zielen vereinen sollte.

Der Architekt Emil von Förster legte auf dieser Grundlage einen ersten Entwurf für das Gebäude vor. Und nun folgt eine Reihe von Ereignissen, die für die spätere Geschichte des Hauses symptomatisch ist: 1909 fordert der Ingenieur- und Architektenverein einen öffentlichen Wettbewerb für das Museum; Exner will aus Zeitgründen trotzdem Försters Entwurf ausführen lassen und stimmt dem Wettbewerb erst nach dessen plötzlichem Tod zu; 27 Architekten, darunter Otto Wagner, Adolf Loos und Robert Oerley, nehmen am Wettbewerb teil; der erste Preis geht aber an jenen Architekten, der am wenigsten von Försters Entwurf abweicht, Hans Schneider. Das Museum wird in einer ersten Ausbaustufe noch während des Weltkriegs im Jahr 1918 eröffnet. Von Anfang an trägt man sich mit Erweiterungsplänen, aber bis zur Mitte der achtziger Jahre reicht die Finanzierung gerade für die notwendigsten Umbauten. 1987 gibt der Verein der Freunde des Technischen Museums eine erste Studie in Auftrag: Anton Schweighofer schlägt eine Sanierung und moderate, teilweise unterirdische Erweiterungen zu beiden Seiten des Altbaus vor. Als mit Peter Rebernik ein neuer Direktor für das Museum bestellt und gleichzeitig im Wirtschaftsministerium, das für den Bundeshochbau zuständig ist, eine „Museumsmilliarde“ für die Sanierung und Erweiterung der Bundesmuseen in Aussicht gestellt wird, bricht sich das mangelnde Selbstbewußtsein des österreichischen Erfindergeists Bahn und schlägt in sein Gegenteil um: Endlich soll die wirklich große, international Maßstäbe setzende Erweiterung realisiert werden.

Rebernik, der wohl nicht auf Grund museologischer Kompetenz zum Direktor bestimmt wurde, sondern wegen der in ihn gesetzten Hoffnung, durch geschickte Öffentlichkeitsarbeit Industriesponsoring ins Haus zu bringen, setzt 1989 eine Wettbewerbsausschreibung durch, die von vornherein zu einem vom Bund allein kaum finanzierbaren Ergebnis führen muß. Das Siegerprojekt in diesem Wettbewerb stammt vom Atelier in der Schönbrunner Straße, und es benutzt an neuester Bautechnik alles, was gut und teuer ist. Die Jury hat damit bewußt jenes Projekt gewählt, das die höchsten technischen Herausforderungen stellt, auch wenn es vom Räumlichen her in einigen Punkten nicht wirklich überzeugen kann.

Nach einem Haus-im-Haus-Prinzip ist das Museum in eine doppelte gläserne Hülle eingebaut und schließt als gläserner Block von beinahe denselben Ausmaßen wie das alte Museum im rechten Winkel an dieses an. Bestehende Bäume werden umbaut und sollen die Verbindung von Natur und Technik illustrieren, ein ausgeklügeltes Energiekonzept soll die neuesten Möglichkeiten der Gebäudetechnik nutzen. Für den Altbau schlagen die Architekten eine behutsame, etappenweise Sanierung vor.

Von Anfang an wird dieses Projekt vom Wirtschaftsministerium bekämpft. Die Architekten arbeiten unter Mitwirkung internationaler Experten mehrere Varianten aus, um die Kosten zu senken. Eine Machbarkeitsstudie wird in Auftrag gegeben. Die Autoren Oberndorfer und Reismann kommen zum Schluß, daß der Bau nur unter bestimmten Bedingungen zu befürworten sei. Eine davon: „daß der Bauherr ein Zeichen in Richtung moderner Museumsarchitektur setzen wollte“ und dabei „die Risken, die ohne Zweifel mit der Realisierung eines solchen Projekts verbunden sind, bewußt trägt“.

Das Ergebnis der Studie bleibt schwammig: Wenn alles gutgeht, könnte der Termin - noch ist eine Eröffnung im unseligen Millenniumsjahr 1996 vorgesehen - eingehalten werden; technisch ist der Bau wahrscheinlich beherrschbar; die Kosten könnten im vertretbaren Bereich bleiben. Eines ist aber bald klar: daß der Bauherr nicht daran denkt, irgendein Risiko zu tragen.

Schließlich bringt die Idee einer „inneren Erweiterung“ das endgültige Aus für den Neubau: Durch Hebung der Kuppeln in den zwei Höfen des Museums soll Platz gemacht werden für umlaufende Galerien mit rund 3500 Quadratmeter zusätzlicher Ausstellungsfläche. Den Auftrag für die Sanierung erhält Suter + Suter als Generalplaner, das Atelier in der Schönbrunner Straße soll die Neugestaltung des Eingangsbereichs übernehmen. Ab nun nimmt das Unglück seinen Lauf.

Ohne klares Konzept für eine Wiederaufstellung wird das Museum hastig geräumt, die Bestände in Hallen des Bundesheers eingelagert. Die Kuppelhebung bleibt die einzige technisch bemerkenswerte Leistung beim Bau: Die neuen Galerien werden trotz Einspruch des Denkmalamts aus Brandschutzgründen in Beton ausgeführt. Der Versuch, sie auf Pilzstützen unabhängig in den Raum zu stellen, ist gründlich mißlungen: Ein gröberer, geometrisch unglücklicherer Kontrast läßt sich kaum denken.

Wie man auf den schmalen Galerien überhaupt ausstellen soll, ist bis heute unklar. Noch dazu leiden die Galerien genau an dem Problem, das man zuvor der Glaskiste vorgeworfen hat: Sie erhalten über die Kuppel viel zuviel Licht.

Noch problematischer ist die neue Eingangslösung. Um mehr Platz für Garderoben, Museumsshop und Toiletten zu erhalten, ist das Museum auf Kellerniveau um ein verglastes Foyer erweitert worden. Oben, zwischen den Säulen des Mittelrisalits, wo von außen nach wie vor jeder Passant den Haupteingang vermuten würde, findet sich nur noch der Notausgang für das Café. Zum neuen Eingang hinunter führen zwei langgezogene Rampen, die einen Graben zwischen Museum und Straße bilden. Funktionell ist das nicht unbedingt eine Verbesserung: Wenn hier im strömenden Regen eine Schulklasse aus dem Bus steigen möchte, darf sie zuerst über zwei lieblos detaillierte Stahltreppen hinunterklettern, bevor sich im neuen Foyer der Anspruch auf „moderne Museumsarchitektur“ einlöst: endlich ein (beinahe) flaches Glasdach. Dafür geht es nun in eine ziemlich tiefe Dunkelzone, bis es die Besucher über eine steile Treppe in die zentrale Halle hinauf drängt.

Was den Besucher hier erwartet, ist noch unklar. Im jüngst vom neuen, seit 1994 amtierenden Direktor, Thomas Werner, vorgestellten Konzept sind zwar Bereiche definiert und Exponate bestimmt, zur Ausstellungsgestaltung sollen jedoch erst jetzt Ideenwettbewerbe ausgeschrieben werden. Im Konzept finden sich bisher nur einige Skizzen, die in ihrer Unbedarftheit das Schlimmste befürchten lassen.

Das „skulpturhaft Mythische“ der Maschinen, das eine „Aura der Adoration“ erzeugte, soll jedenfalls nicht mehr betont werden. Statt dessen droht der neue Direktor mit „Inszenierungen und Klangcollagen, die das Verhältnis zwischen Maschine, Besucher und Umwelt in mehrschichtig assoziativer Form“ herstellen sollen. Für die Neuaufstellung rechnet er allein in der ersten Phase mit Kosten von mindestens 200 Millionen Schilling.

Ob das alles nicht vielleicht doch teurer ist als ein Neubau, wird man erst in ein paar Jahren sagen können. Daß das jetzige Ergebnis zumindest in architektonischer Hinsicht eine Blamage für Österreich als Kulturland ist, steht aber fest. Von einem Ort, der dem Klischee vom österreichischen Erfinderschicksal eine positive Vision entgegensetzt und sie auch baulich an ein breites Publikum vermittelt, wird man wohl erst in 100 Jahren wieder träumen dürfen.

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