Bauwerk

Heiligengeistplatz
Gasparin & Meier - Klagenfurt (A) - 1995
Heiligengeistplatz, Foto: Margherita Spiluttini

Heiligengeistplatz - der zweite und dritte Blick

Der Heiligengeistplatz in Klagenfurt erlebte 1995 eine umfassende Neugestaltung. Wie gelungen sich der realisierte Entwurf der ArchitektInnen Gasparin&Meier nun tatsächlich präsentiert, erfahren Sie von Beatrice Bednar.

30. März 1996 - Beatrice Bednar
Klagenfurt, viertel acht - wie man in Kärnten für 7 Uhr 15 sagt - buntes Durcheinander: VolksschülerInnen, die herumschupfen, GymnasiastInnen, die verschlafen ihrem alltäglichen Schulweg folgen, Väter und Mütter, die ihre Kleinen an der Hand zum Kindergarten geleiten, Frauen mit Einkaufstaschen am Weg zum Markt, Zeitungsverkäufer, in Gedanken versunkene Erwerbstätige unterwegs zur Arbeit, Nachtschwärmer, die beim Würstelstandel noch (schon wieder?) ein paar Bier kippen ... verschlafene Hektik - ein Szenario, daß sich am Heiligengeistplatz, dem zentralen Busbahnhof von Klagenfurt seit mehreren Jahrzehnten täglich abspielt, zur Mittagszeit eine Wiederholung mit leicht veränderter Handlung findet, Sommer wie Winter und seit einem knappen Jahr mit neuem Bühnenbild. Zwölf Jahre hat die Planungsphase für die Neugestaltung des Heiligengeistplatzes gedauert und über das Ergebnis dieser langwierigen Vorbereitungen, Überlegungen und Diskussionen brach sogleich heftige Kritik los. Auch und vor allem aus freiraumplanerischer Sicht lassen sich etliche Details bemängeln, wenn der Konzeption im Ganzen doch viel Positives zugesprochen werden kann.

Friedhof, Kirchplatz, Fischmarkt, Busbahnhof

Gemeinsam mit dem Landhauspark, einst eingefriedeter Garten des Landhaushofes, bildet der Heiligengeistplatz einen städtischen Freiraum westlich des historischen Zentrums der Stadt. Benannt nach der kleinen Kirche an seiner Nordseite, die im 17. Jahrhundert samt errichtetem Kloster dem Ursulinenorden übergeben wurde, diente der Platz ursprünglich als Friedhof, dann als Fischmarkt, bis er im 20. Jahrhundert zunehmend zur Verkehrsfläche wurde. Schon in den Nachkriegsjahren wurde daher ein Architekturwettbewerb durchgeführt und der erste Bushof errichtet. Ein massiver, in den 70er Jahren hergestellter Neubau, indem ein Kaufhaus, Büros und Dienstleistungsbetriebe untergebracht sind, beherrscht die Westseite des Platzes, während die Südseite durch den „Stauderhof“, einen burgartigen Bau mit Türmchen - ein Musterbeispiel für den „deutschen Heimatstil“ - begrenzt wird (vgl. HARTWAGNER, 1994). Nach Osten bleibt das Blickfeld weitgehend offen und reicht über den Landhauspark bis hin zum Neuen Platz.

„Amtsplanung“ oder Wettbewerb?

Als in den 80er Jahren die Wartehalle am vom Busverkehr fast völlig beherrschten Platz immer desolater wurde, wollte die Stadt hier ein neues Betriebsgebäude für die städtischen Verkehrsbetriebe errichten. Gegen die Realisierung dieses rein amtlichen Planungsverfahren setzten sich 1988 ArchitektInnen und KünstlerInnen gemeinsam ein und erreichten schließlich die Ausschreibung eines Architekturwettbewerbes, der mit der Empfehlung endete, die VerfasserInnen der beiden erstgereihten Projekte als Team mit den Planungsarbeiten zu betrauen. Zwei unterschiedliche Konzepte sollten also unter einen Hut gebracht werden, ein Versuch, der nach vierjähriger Überarbeitungszeit als politisch gescheitert erklärt wurde. In einem zweiten Anlauf wurde 1993 schließlich das Villacher Architekturbüro Gasperin und Meier, das eines der beiden Siegerprojekte erstellt hatte, beauftragt, einen reduzierten Vorschlag zu erarbeiten, dessen Bau - trotz mannigfaltiger Schwierigkeiten - im September letzten Jahres abgeschlossen werden konnte (vgl. GASPARIN, MEIER, 1993-1994). In seiner Rede anläßlich der Eröffnungsfeier betonte der Architekt Beny Meier nochmals, daß die Stadt durch das Wettbewerbsverfahren das Beste getan hat und bekräftigte: „Das Gesamtprojekt Heiligengeistplatz ist schön, ich sage es nocheinmal! Vergessen Sie bitte nicht die Situation, wie sie vorher war!“ (MEIER, 1995 mündl.). Doch auch die Erwähnung in vielen Architekturzeitschriften, das Lob bekannter KünstlerInnen (z.B. Giselbert Hoke, Günther Domenig u.a.) und die Aufnahmen in das Ausstellungsprogramm „Architektur zeigen“ können über die großen und kleinen, sichtbaren und versteckten Mängel dieser Planung nicht hinwegtäuschen.

Ein Platz ist, wo Platz ist?

Verglichen mit den Flächenverhältnissen vor dem Umbau haben es die ArchitektInnen geschafft, die für den Busverkehr (Haltestellen plus Zufahrt) notwendige Fläche zu minimieren bzw. zu optimieren und so mehr Platz für andere Nutzungen zu schaffen. Eine Neuerung, die von den KlagenfurterInnen auch immer wieder lobend erwähnt wird (vgl. lokale Pressemeldungen vom 23. September 1995), vor allem weil die Kirche nun einen großen Vorplatz hat und dadurch auch selbst besser zur Geltung kommt. Doch was geschieht hier? Eine Eröffnunfskonzert werde aufgeführt, ein Christkindlmarkt abgehalten, Schnee wird abgelagert, bald parken Autos (vorwiegend teure Modelle) auf der freien Fläche, Menschen queren eilig den Platz. Doch „ausschlaggebend bei der Planung eines Platzes wird immer seine Qualität als Ort sein“ (FAVOLE, 1995), denn über seine Ausstattung „muß ein Stadtplatz viele, auch sehr unterschiedliche Nutzungen nicht nur zulassen, sondern ermöglichen und fördern“ (GÄLZER, 1995). Es reicht also nicht eine freie Fläche - offen für alles - den potentiellen BenutzerInnen zur Verfügung zu stellen, denn gibt es keine Anlässe, sich an einem Ort aufzuhalten, bleibt er Weg, Durchgang. „Planung sollte nicht aus großartigen, endgültigen Lösungsvorschlägen bestehen, sondern Strukturen anlegen, die den Nutzern Sicherheit für die Aneignung der Flächen geben. Strukturen bieten Gelegenheiten, in deren Rahmen sich Nutzungen organisieren können“ (HEINEMANN, POMMERENING, 1979). Eine solche Struktur sind beispielsweise Sitzplätze, von denen es auf der geschaffenen Freifläche nur wenige gibt. Diese werden daher voll in Anspruch genommen, vor allem von Jugendlichen, die sich hier schon immmer nach der Schule getroffen haben. Wenn aber die Bänke bereits belegt sind, nehmen die Jugendlichen in ihren „Schlabberhosen“ auch mit dem Boden als Sitzfläche vorlieb, was den StadtplanerInnen gar nicht gefällt. Doch weil zur Förderung der Gastronomiebetriebe auf eine ausreichende Möblierung verzichtet wurde, ist es eben wie es ist, ein hartes Pflaster.

Ein hartes Pflaster - eine „Steinwüste“

Und genau dieses wurde auch immer wieder mißbilligend erwähnt. Eine „Steinwüste“ sei der Platz geworden, heißt es von seiten der Bevölkerung. Tatsächlich ist die Pflasterung einer so großen Fläche ein teures Unterfangen und zudem wurde auch noch ein besonderer (=teurer) Stein verwendet. So schön das gewählte Material auch sein mag, es stellt sich doch die Frage, ob es den Anforderungen gerecht wird, denn „die Lebensgewohnheiten der Besucher und Bewohner des Stadtplatzes sind einem steten Wandel unterworfen, sei es durch die Entwicklung neuer Kommunikationsformen, (...), sei es durch das Aufkommen neuer Fortbewegungsmittel in der Stadt wie Skateboard und Rollerblade“ (GÄLZER, 1995). Das „ruppige“ Pflaster eignet sich kaum für derartige Sportarten. Aber nicht nur die Wahl des Materials spielt hier eine wichtige Rolle, auch der Umgang mit dessen Verarbeitung ist wesentlich für die „Aneignungs- und Alterungsfähigkeit“ (vgl. HEINEMANN, POMMERENING, 1979) eines Freiraumes sowie für seine Pflege und Instandhaltung. Undurchdacht erscheint mir die Verlegung der Pflastersteine im Mörtelbett und das über die gesamte Fläche, was einer Betonierung gleichkommt und bedeutet, daß das gesamte Regenwasser über das Kanalnetz abgeleitet werden muß. Eine Verlegung im Sandbett hätte hier Abhilfe schaffen können, das Wasser wäre zumindest großteils versickert. Auch eine leichte Temperatursenkung hätte dadurch erzielt werden können, was besonders an Sommertagen von Vorteil gewesen wäre (v. a. weil die vier über die Fläche verteilten Bäume kaum Schatten spenden). Auch Reparaturen, die immer wieder im Bereich des Tiefbaus anfallen, könnten leichter und billiger durchgeführt werden, weil nicht jedesmal mit dem Preßlufthammer der teure Belag zerstört werden müßte. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Kundigkeit der HandwerkerInnen sowie der PlanerInnen, denn es muß genau gearbeitet werden, damit ein im Sandbett verlegtes Pflaster seine bestmögliche Stabilität erreicht, d.h. auch dem Befahren schwerer Kraftfahrzeuge standhält.

Grenzenlos

Doch dienen Beläge nicht nur als „Fußboden“, sie zeigen auch Grenzen an. Ändert sich der Belag, steigt die Aufmerksamkeit der FreiraumnutzerInnen. Der Wechsel suggeriert eine Veränderung in der Nutzbarkeit des Raumes. Noch eindeutiger wird die Grenzziehung, wenn ein Niveauunterschied, z.B. durch einen Bordstein, eingefügt wird. Die ArchitektInnen verzichteten aber bewußt auf derartige, „altbekannte“ Grenzen. „Trotz verschiedener Nutzungsbereiche (während der Betriebszeiten der Busse) wird die gesamte Platzfläche durchgehend gepflastert, die Niveaudifferenzen werden beseitigt, damit wird auch die sichtbare Degradierung des Platzes zur Verkehrsfläche aufgehoben. Funktionsbereiche werden auf subtile Art zugewiesen bzw. definiert. (Anstelle von Pollern beispielsweise deuten einige der Solarleuchten verschiedene Funktionsbereiche an)“ (GASPARIN, MEIER, 1993-1994). Die Folge dieser Verleumdung der tatsächlichen Nutzungen sind tägliche „Hupkonzerte“ beim Einfahren der Busse in den Haltestellenbereich. Auch wenn sich die FahrerInnen der öffentlichen Linien bereits auf die Situation eingestellt haben, so müssen sie, um an ihr Ziel zu kommen, doch immer wieder auf die Hupe drücken und die sorglosen FußgängerInnen „erschrecken“, die sich ahnungslos in einem für sie gefährlichen Bereich aufhalten. Das soll jedoch kein Plädoyer für die „totale Funktionstrennung“ sein, sondern ein Hinweis auf einen verständigen und sinnvollen Umgang mit Grenzen, denn allein der Wechsel von Pflaster zu Asphalt, dem „üblichen Belag“ einer Fahrbahn, hätte die Unklarheiten beseitigen können. Seine Verwendung für die Warteinseln der Haltestellen verdeutlicht einmal mehr die Beliebigkeit im Umgang mit Materialien. Wie das oben angeführte Beispiel zeigt auch der Brunnen mit dem Glaskubus (=Abgang zur Toilettenanlage) die Unüberlegtheiten der ArchitektInnen im Detail.

Uferlos

Wasser als gestalterisches Element, vor allem in Verbindung mit Glas, kann Effekte erzielen, deren Ästhetik auf die meisten Menschen Faszination ausübt. Spiegelung und Transparenz machen auch diesen Brunnen zum Blickfang. Doch was, wenn die Sonne einmal nicht scheint. Dann wird die „uferlose“ Wasserfläche - grau wie Pflaster - zur Falle, vor allem auch deshalb, weil sie in einer „direkten Wegverbindung“ zwischen den Haltestellen südlich und östlich am Platz liegt. So manche PassantInnen sind schon eiligen Schrittes „hineingetapst“ und mußten, naß bis zum Knie, in die nächste Boutique, um rasch eine neue Hose zu kaufen, da sie so nicht zur Arbeit etc. gehen konnten. Was mit der rund eine halbe Million Schilling teuren Anlage (vgl. Kleine Zeitung vom 7. Juni 1995) nun geschehen soll, ist noch immer ungeklärt. Solange die Sicherheit der PassantInnen nicht garantiert werden kann, bleibt der Brunnen aber leer. Zuletzt wurden die von den ArchitektInnen vermiedenen Poller aufgestellt, um die „Ufer“ zu markieren. Ein Detail „am Rande“: Durch die fehlende Abgrenzung verschmutzt der Brunnen besonders rasch und wird zur „Drecklack’n“. Die Pflegekosten steigen.

Info-Turm und Wartehalle

Unerwähnt blieben bisher das Wartehallengebäude mit Imbißstand, Zeitungskiosk, Schließfächern, Telefon und Behinderten-WC - in der Dimensionierung teilweise zu klein geraten; im Imbißstand kann man sich bspw. kaum umdrehen - sowie der Info-Turm mit Medienband zur Anzeige von Luftgüte, Temperatur, Zeit, etc. - ursprünglich als Baukörper mit „Büro- und Aufenthaltsbereich für die Stadtwerke in den Obergeschossen und Information und Fahrkartenverkauf im Erdgeschoß“ (GASPARIN, MEIER, 1993-1994) geplant, in der Überarbeitung aber zurückdimensioniert. Auch die Schrift des Medienbandes kann aufgrund ihrer geringen Größe kaum gelesen werden - außerdem wechselt sie sehr langsam - , weshalb die Bezeichnung „Narrenturm“, zu dem die PassantInnnen „verkrampft“ hinaufschauen, bald durch alle Munde ging.

Raum ohne Gebrauchswert

Liest man die Projektbeschreibungen aufmerksam durch, so ist selten von Gebrauch und Funktion die Rede, häufig von Raum, Einheit und Elementen. Dennoch wollte Architekt Beny Meier nicht behübschen. Er schreibt: „Raum und Räumlichkeit ist das, was der Architektur ihren fundamentalen Charakter als Kunst, ihren fundamentalen Charakter als Disziplin verleiht. Bestrebt Auswege aus konservativem Verhalten aufzuzeigen, zielt unser Schaffen auf eine Architektur des zweiten, dritten Blickes; auf eine Architektur als selbstverständlicher Lebens-Raum, als Hintergrund für menschliche Tätigkeiten; auf eine Architektur fernab von der großen Geste, vom Zitat“ (ebd.). Freiraumplanung aber geht „von konkreten Gebrauchswerten aus. Sie weiß, daß die Bedeutungen, die den Gebrauch erlauben, im soziokulturellen Wissensvorrat und den sozial konstruierten Institutionen und Rollen vorgebildet sind, und daß Freiräume Optionen für die Entwicklung“ (BÖSE, 1981) brauchen. Sie nimmt also die Verhältnisse vor Ort ernst und versucht nichts „wegzuleugnen“, sondern organisiert Möglichkeiten, die von den Menschen vor Ort aufgegriffen werden können, dabei aber keine Beliebigkeiten sind, was uns die Schlußworte der „Eröffnungsrede“ von Architekt Meier suggerieren: „Ich hoffe, daß sich niemand auf den Schlips getreten fühlt, daß Klagenfurt möglichst viel damit (gemeint ist die Neugestaltung des Heiligengeistplatzes als solche, Anm. d. Autorin) anzufangen weiß“ (MEIER, 1995 mündl.).

Viertel eins - wie man in Kärnten für 00 Uhr 15 sagt - die Solarlampen beleuchten die Grenze zwischen „Buseinfahrt“ und „eigentlichem“ Platz, doch der letzte Bus verläßt gerade seine Haltenische und die meisten Menschen schlafen schon.


Literatur:

BÖSE, H. (1981): Die Aneignung städtischer Freiräume. Arbeitsberichte des Fachbereichs Stadtplanung und Landschaftsplanung an der Gesamthochschule Kassel. Heft 22. Kassel.
FAVOLE, P. (1995): Plätze der Gegenwart. Frankfurt/New York.
GASPARIN, S., MEIER, B. (1993-1994): Unterlagen zur Ausstellung „Architektur zeigen“. Villach. HEINEMANN, G., POMMERENING, K. (1979): Entwicklung von Methoden der Freiraumanalyse, bezogen auf innerstädtische Gebiete. In: Böse et al. (1989): Notizbuch 10 der Kasseler Schule. Nachlese: Freiraumplanung. Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft Freiraum und Vegetation. Kassel.
GÄLZER, R. (1995): Plätze in der Stadt. In: Zolltexte Nr. 3/1995. Hrsg.: Personenkomitee Forum Landschaftsplanung. Wien.

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