Bauwerk

Festspielhaus
Klaus Kada - St. Pölten (A) - 1997
Festspielhaus, Foto: Angelo Kaunat
Festspielhaus, Foto: Angelo Kaunat
Festspielhaus, Foto: Angelo Kaunat
Festspielhaus, Foto: Angelo Kaunat
1. September 2006 - ORTE
Städtebaulich bildet das Festspielhaus jenen Teil des neuen Regierungs- und Kulturbezirks, der am nächsten an den alten Stadtkern heranreicht. In attraktiver Übereckstellung tritt es dem Besucher entgegen, der von der Lederergasse her zum Kulturbezirk vordringt. Das verheißungsvolle Äußere, das mit Einblicken durch hohe Glaswände nicht geizt, birgt im Inneren eine klare, dreidimensionale Struktur, die weniger durch ihre relative Symmetrie, als durch weiträumige Übersichtlichkeit verstehbar und dadurch leicht begehbar wird. Im Zentrum steht der fast bullig wirkende große Saal, der auf den Bühnenkomplex mit Bühnenturm, Hinter- und Seitenbühnen ausgerichtet ist. Der riesige, mit Mattglas bespannte Körper drängt Richtung Osten aus dem Hauptbau heraus. Nach Westen ist schützend eine Schicht Garderoben- und Büroräume davor gestellt. Nach Norden, der Ankunftsseite von der Stadt, liegen Foyers und Wandelgänge sowie der auf schlanken Stützen aufgestelzte kleine, nach Johannes Brahms benannte Saal, der eine blauschuppige Glashaut trägt. Die kompakt-quadrische Großform des aus verschiedenen Teilen agglomerierten Gebäudes wird von zwei Elementen durchbrochen, die den Hauptzweck des Bauwerks bestimmen: der große und der kleine Saal. Während die blaue Hülle des kleinen Saales nach außen Objekthaftigkeit signalisiert, spiegelt der Körper des großen Saals tagsüber die wechselnden Lichtverhältnisse, um bei einbrechender Dunkelheit selbst zu leuchten. Beide sind sie in einen scheinbaren Schwebezustand versetzt, ein Effekt, der einerseits von der Materialisierung in Glas, andererseits von den überschlanken Stützelementen herrührt, die eher wie Zugelemente wirken, die ein Abheben verhindern sollen, denn als tragende Rundstützen. Im Osten führt die Eingangshalle unter Treppenläufen und Stegen und unter dem auf schlanken Streben hochgespreizten Heck des großen Saales durch das ganze Gebäude hindurch. Analog zum davorliegenden Schubertplatz steigt hier der Fußboden leicht an. Der öffentliche Raum wird auf diese Weise weit ins Foyer hineingezogen. Der relativ ungewohnte Sachverhalt verstärkt das Gefühl, sich nicht in einem Innenraum zu befinden, sondern im Schutz des kragenden Glaskörpers vor allem von dessen räumlicher Abstrahlung zu profitieren. Wie zwei Ecktürme markieren selbständige Raumgebilde aus schlanken Stahlbetonscheiben die beiden Gebäudekanten zum ansteigenden Platz. Sie enthalten Fluchttreppen, Stiegen sowie einen Lift mit dazugehörigen Plattformen. Von diesen führen Stege zu den zwei versetzt übereinanderliegenden, tunnelartigen Galerien im Rücken des großen Saales. Diese leicht gekrümmten, expressiv-dynamischen Räume mit ihren schiefen seitlichen Begrenzungsflächen führen zu den hinteren Zugängen. Sie durchstoßen das Heck des verheißungsvoll exponierten Saalkörpers, dessen erwartungsgespannte Aufladung durch die gewölbten Seitenflächen symbolisiert wird. Alle diese Treppen, Stege und Galerien scheinen der Exposition dieses Körpers zu dienen, zu dem lediglich einige kurze Stege hinführen. So bilden die ausgedehnten Foyers die Bühne für einen urban verdichteten Auftakt zum Veranstaltungsbesuch, jenem wichtigen Aspekt des Sehen-und-Gesehen-Werdens, der nicht fehlen darf. Hat man die Glashülle durchschritten, erlaubt der polyvalente Saal von den über tausend silberweiß und anthrazitgrau gestreiften Fauteuils eine gute Sicht zur Bühne.
(Text: Walter Zschokke)

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Für den Beitrag verantwortlich: ORTE architekturnetzwerk niederösterreich

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