Bauwerk

Informatik-Fakultät TU in Dresden
Architektengemeinschaft Zimmermann, Code Unique Architekten - Dresden (D) - 2006

Grünes Glas und grauer Faserzement

Mit dem Neubau der Fakultät für Informatik der TU Dresden sollen die räumlichen Voraussetzungen für die Unterbringung aller Fachbereiche der Fakultät an einem Ort geschaffen werden. Nicht nur hier in Dresden ist die wirtschaftliche Zukunft der Stadt ganz wesentlich mit der erfolgreichen Stärkung von Forschung und Lehre verknüpft.

14. Oktober 2006 - Ulf Meyer
Informatikstudenten gelten als »Nerds« (Anmerk. d. Red.: amerikanischer, umgangssprachlicher Begriff für Fachidioten und Langweiler): Mit Karohemd und schlechter Haut interessieren sie sich nicht für das andere Geschlecht und verbringen ihre Tage in dunklen Räumen vor dem Bildschirm. So will es das Klischee. Der Neubau der Informatik-Fakultät der TU Dresden will zeigen, dass auch Informatiker ein ästhetisches Empfimden haben können. Das Gebäude ist durchaus maskulin in seiner Strenge, bietet aber durch seine Farb- und Materialwahl sowie die allgegenwärtigen Aussichten in Höfe und die Umgebung immer wieder Anlass, den Blick vom Bildschirm aufzurichten.

Informatik ist in Dresden nicht nur irgendein Fach unter vielen: Schon vor – und erst recht nach – der politischen Wende 1989 hing die wirtschaftliche Zukunft der Elbe-Metropole maßgeblich von Mi- kroelektronik und Informatik ab. Mit »AMD« und »Infineon« sind heute zwei große Arbeitgeber in der Stadt, die die Absolventen aus der örtlichen Uni saugen. Das Elbetal will zum ostdeutschen Silicon-Valley werden. Der Neubau verhilft dem Informatik-Fachbereich endlich zu der gestalterischen Geltung, der ihm wirtschaftlich gebührt. Die bisher über die ganze Stadt verstreuten Räume der Informatiker wurden nun in einem 35 Mio Euro teuren Gebäude an einem Standort konzentriert. Städtebaulich als geschlossene Anlage in der Südvorstadt konzipiert, bildet er eine Raumkante zur Nöthnitzer Straße und öffnet sich nach Süden.

Den beiden Architekten ist es gelungen, ein Gebäude zu planen, das technisch, aber nicht technoid ist und trotz seiner Größe von 8600 Quadratmetern übersichtlich bleibt, ohne stur zu wirken. Und das geht so: die Rechner-, Seminar- und Übungsräume, Forschungslabors und Büros sind in einem großen, eckigen »S« angeordnet. Dieses »S« bildet zwei etwa gleichgroße Höfe aus, von denen einer eine große Glashalle als Foyer und der andere – nur im Erdgeschoss – das große Rechenzentrum aufnimmt, das dank seines Gründachs für die oberen Stockwerke zum grünen, wenn auch nicht begehbaren Blickpunkt wird. Das Rechenzentrum mit 24-Stunden-Betrieb hat ein weitgehend separates, introvertiertes Leben, während sich das über vier Geschosse verglaste Foyer extrovertiert gibt: Von großen Seminarräumen umgeben öffnet sich die Eingangshalle nach Norden. Zwei gläserne Aufzüge und eine offene Stahltreppe werden über Brücken mit den Gebäuderiegeln verbunden. Die Halle ist nur leicht temperiert, das Rechenzentrum hingegen hochinstalliert was Daten, Lüftung, Kühlung und Sicherheit angeht. Tatsächlich sieht man das den sechs »PC-Pools« jedoch nicht an, die Architekten haben viel Mühe darauf verwendet, alle technischen Anforderungen zu erfüllen, ohne sich davon ihre Architektur dominieren zu lassen. Wer die George-Orwell-haften Räume verlässt, kann mit Blick auf einen Teich an offenen Arbeitstischen einen Kaffee trinken und wieder die analoge Welt genießen. Hölzerne Stege (ohne Brüstungen) laufen rückwärtig um das Gebäude, von denen aus die Studenten im Sommer ihre Füße in einem kleinen Gartenteich kühlen können.

Gebäudemäander

Die ringsum homogenen Fassaden haben geschosshohe Fenster, die in unregelmäßigen Abständen mit geschlossenen Flächen alternieren. Horizontale, mit grünem Farbglas verkleidete Brüstungsfelder werden durch große, senkrecht stehende Tafeln aus dunkel durchgefärbten Faserzementplatten überlagert. Diese sind, zum Beispiel in der Halle, aus akustischen Gründen grob perforiert. Um die Innenräume vor neugierigen Blicken zu schützen, haben die Architekten die Glasflächen mit einem Muster aus vertikalen Strichcodes in »Pacman-Grün« bedrucken lassen, die die Fassaden wie überdimensionale Lochkarten wirken lassen. In diesem Muster wiederum gibt es freie Flächen, die wie Fenster aussehen. Diese »Nullen und Einsen« sind von innen erstaunlich durchsichtig. Das selbst entworfene Muster haben die Architekten auch für die Brüstungsfelder verwendet, die mal vor einer massiven Brüstung liegen und mal frei. Die Gläser wurden in verschiedenen Ebenen bedruckt, so dass sie wie tiefe, geheimnisvolle 3D-Bilder wirken. Zusätzlich lassen sich die Räume mit geteilten Streckmetall-Screens, die sich vor die Fassaden fahren lassen, vor direkter Sonne schützen, damit keine Reflektionen den Blick auf die Bildschirme stören.

Die Büros der acht Institute liegen in den mäandrierenden, nahezu identischen Obergeschossen. Als Rückgrat fungiert ein alle Gebäudeteile verbindender Flur. Große Fenster entlang der einhüftigen Gänge sowie Fenster an ihren Enden bringen Licht in die Flure. Die Sichtbetonwände auf der einen Seite kontrastieren mit glatt-grünen Leichtbauwänden und Böden. Durch die fortlaufende Struktur des Baukörpers sind die Grenzen der Institute fließend und flexible Anpassungen der Raumgrößen möglich. Das gesamte Gebäude ist barrierefrei für Geh- und Sehbehinderte. Dass es kaum Veränderungen gegenüber dem Wettbewerbsentwurf gab, liegt daran, dass der Wettbewerbsbeitrag bereits eine ungewöhnliche Reife hatte. Nur um den Bau der Halle mussten die Architekten kämpfen.

Für die anfallenden hohen Wärmelasten ist der relativ hohe Anteil von massiven Bauteilen und unverkleideten Sichtbetondecken vorteilhaft. Das »Apfelgrün« taucht auch in den Epoxydharz-Fußböden im Erdgeschoss wieder auf. Die Böden der Obergeschosse haben einen schwarzen Kautschukbelag, der die Leuchtkraft des »Pacman-Grüns« noch verstärkt.

Mit Streckmetall-Paneelen verkleidete Wände verstecken die Akustikpaneele und Wandschränke, die Garderoben, Beamer und Kästen für Aushänge. Die Architekten haben hier ihre Handschrift bis zum Möbelbau durchgezogen. Die Trennung von Roh- und Ausbau geht sogar so weit, dass in den Seminarräumen alle elektrischen Schalter und auch die Steckdosen in die Türrahmen integriert wurden. Um Stützen im Raum zu vermeiden, gibt es tragende Außenwände. Die Giebelseiten haben Doppelfassaden, bei denen die äußere Lamellenfassade lediglich den Sonnenschutz in Form von Raffstores schützt. Ein derart aufwändiger Blendschutz und Verdunklungsmöglichkeiten haben wohl nur in einem Informatikbau ihre Berechtigung. Nach Norden sind die äußeren Lamellenfassaden fix, nach Süden beweglich.

Ohne aufgeregte Inszenierung ist den Architekten, deren bisher größtes Projekt der Bau war, ein zurückhaltendes, frisches und exaktes Gebäude gelungen, das einen willkommenen Ausgleich zur virtuellen Bildschirmrealität der Studenten liefert – ob mit oder ohne Karohemd.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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