Bauwerk

Quartier Bruderhof
Thomas Forsthuber, Christoph Scheithauer - Salzburg (A) - 2003
Quartier Bruderhof, Foto: Paul Ott
Quartier Bruderhof, Foto: Paul Ott
7. März 2007 - Initiative Architektur
Es gibt das vertraute Postkarten-Alt-Salzburg links der Salzach, und es gibt eine Altstadt jenseits der Salzach, die sich einen eigenen, vom Massentourismus wenig berührten Charakter bis heute bewahrt hat. Den Kern dieser rechten Altstadt bildete einst ein Handwerkerviertel mit vornehmlich „schmutzigen Gewerben“, allen voran, Gerber und Lederer. Naheliegend also, dass am oberen Ende der Linzergasse, 1496 ein begüterter Bürger den Bruderhof, eine Armenanstalt errichten ließ, die man bald um ein Irrenhaus ergänzte. Letzeres war so angelegt, dass es „von Außen nicht gesehen werde, da von dem Brüderhause und dem Flügelgebäude desselben gegen den Freythof ganz verdeckt wird.“ (Lorenz Hübner, 1792). Exakt in dieser Linie liegt die Entscheidung von Fürsterzbischof Wolf-Dietrich den städtischen Hauptfriedhof, der bis dahin am heutigen Residenzplatz lag, im Zuge seiner tiefgreifenden Stadterneuerung hierher zu verlegen. Beim Stadtbrand von 1818 wird der Bruderhof weitgehend zerstört, wieder aufgebaut, und, die Armut scheint an diese Gebäude zu kleben, zur Dienstbotenschule umfunktioniert. 1898 zieht die Feuerwache ein, bleibt hier fast genau 100 Jahre, bis die Stadtgemeinde das gesamte Areal an einen privaten Bauträger verkauft, der es sich zur Aufgabe macht, den Bruderhof für eine gemischte Nutzung mit Geschäften, Büros und Wohnungen zu adaptieren.
Der Bruderhof, der wie ein Gelenk zwischen den geschlossenes Systemen des Lorettoklosters auf der West- und des Sebastiansfriedhofs auf der Ostseite liegt, verbindet die Paris-Lodron-Straße mit der Linzergasse. Zentraler Entwurfsgedanke der Architekten war die Öffnung und Attraktivierung der vorhandenen Hofsysteme und Passagen.
Die zwei parallelen, in Ost-West-Richtung liegenden Bestandsbauten, in denen zuletzt die Garagen und Mannschaftsräume der Feuerwehr untergebracht waren, wurden vollkommen neu definiert. Ihre steilen Dächer, bauhistorisch ohne Bedeutung, wurden entfernt und durch ein leichtes Attikageschoss in einer Stahl-Glas-Konstruktion mit sehr flachem Walmdach ersetzt. Gestalterisches Ziel war eine Dachdraufsicht, die nicht durch Gaupen und Lichtbänder aufgeschlitzt wird. Das Erscheinungsbild der so genannten 5. Fassade ist hier, im Sichtfeld des Kapuzinerberges, ein wesentliches Kriterium für die Ausbildung der Dachflächen.
An den Nordtrakt, in Richtung Paris-Lodron-Straße, wurde ein moderner Gebäudeflügel angefügt. Im südlichen Hof wurde der bestehende Längstrakt um ein Geschoß erhöht und zeitgemäß adaptiert.
Die beiden sackartigen Höfe zwischen den zwei Haupttrakten wurden mit schirmartigen Dachkonstruktionen geschlossen. Umlaufende Oberlichtbänder lösen die auf einer zentralen Betonstütze ruhenden Dächer nicht nur formal von den Hauswänden ab, sondern lassen auch viel Licht in die darunterliegenden Räume strömen.
Funktionell versteht sich der adaptierte Bruderhof als ein moderner Hybrid. Im konkreten Fall heißt das, dass neben den insgesamt 16 Wohnungen, die hier verwirklicht wurden, Büros, sowie in der Sockelzone, Geschäfte und Lokale entstanden.
Die Videoskulptur am linzergassenseitigen Platz stammt vom Salzburger Künstler Anton Thiel. (Text: Roman Höllbacher)

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