Bauwerk

Haus P.
Caramel - Klosterneuburg (A) - 2008
Haus P., Foto: Hertha Hurnaus
Haus P., Foto: Hertha Hurnaus

Kofferfisch mit Betonkiemen

In Klosterneuburg zieht eine bewohnte Betonskulptur neugierige Blicke auf sich. Aus Sichtbeton und viel Glas haben die Caramel-Architekten ein Haus gebaut, das sich gut schützt und zugleich Vieles offenlässt.

31. Oktober 2008 - Sabine Lintschinger
Wenn ein Autofahrer anhält und die Handykamera aufs Haus richtet, dann winke ich immer hinaus", erzählt der Bauherr Anekdoten aus dem Innenleben des vielbestaunten Bauwerks. In den kubischen Formen der Fassade sieht er ein Gemälde von Picasso - freilich ohne entsprechende Farbgestaltung. Man will ja puristisch sein. Als „unbekanntes Tier“, das talwärts blickt, wurde Haus P. bereits bezeichnet. Und Caramel-Architekt Günther Katherl erkennt in der Form des Hauses gar einen Kofferfisch.

Will man das Bild vom geschuppten Meeresbewohner beibehalten, so betritt man den lang gestreckten Bau über die Schwanzflosse. Was bei den Fischen als Hauptantriebsorgan dient, ist hier der Sitz der Garage. Über eine offene Terrasse, die auf drei Seiten geschützt und nach oben hin offen ist, gelangt man direkt in den Rumpf: in den 150 Quadratmeter großen Wohnbereich auf zwei Ebenen.

Da das Haus nahe am Nachbargrundstück steht, haben sich die Architekten entlang der Ostseite dreieckige Glasflächen ausgedacht. Von außen sehen diese Öffnungen wie Kiemen aus, die das Haus mit Licht und Sauerstoff versorgen, gleichzeitig jedoch vor Blicken schützen - eine Idee, die im Bauprozess lange diskutiert wurde.

„Der Blick der Vorbeigehenden soll gelenkt werden“, sagen die Architekten, „durch die Glaseinschnitte wollten wir Vorfreude auf den fantastischen Ausblick im vorderen Wohnbereich wecken.“ Die Kulisse in Form der hügeligen Landschaft des Wienerwaldes und der Donau-Auen wird mit freiem Blick bis in den Himmel präsentiert. Ermöglicht wird dies durch ein verglastes Eck, das die gesamte Raumhöhe ausschöpft und sich in Form einer Überkopfverglasung bis ins Dach hochzieht.

Style zwischen Satteldächern

Atemberaubender Blick hin oder her: In der Praxis hat sich herausgestellt, dass Gäste vorzugsweise gleich nach dem Eintreten links in Richtung Küche abbiegen, denn auch dort ist der Blick nicht schlecht. Irritierend wirken nur die braven Satteldächer rundherum, die wie Zeitzeugen aus einem vergangenen Jahrhundert in der Landschaft stehen, während Haus P. mit Stolz die Bezeichnung „stylish“ trägt.

Die Sichtbetonwände sind weiß gestrichen, die geradlinige Küchenzeile ist ebenfalls in Weiß gehalten, ein anthrazitfarbener Geräteblock mit integrierter Feuerstelle erfreut das Auge. Die unregelmäßigen Grau- und Braunschattierungen des Fußbodens - geschliffener Estrich, der mit Kunstharz versiegelt wurde - geben den Wohnräumen im ganzen Haus eine natürliche Grundlage.

So lässt Haus P. insgesamt viel Spielraum für die Wohnraumgestaltung zu: Man kann sich das Haus mit poppigen Designermöbeln genauso vorstellen wie mit Interieur in warmen Farbtönen oder eben einem Mix aus beidem. „Unser Ziel war es, bei der Einrichtung ungebunden zu sein“, sagt der junge Bauherr, der mit der Planung sehr zufrieden ist - unter anderem auch, weil jeder Zentimeter gut genützt wurde und bisher keine Mängel aufgetreten sind.

Katzen, Partys und Musik

Im Gartengeschoß sind alle herkömmlichen Gebäudeecken einer Eckverglasung gewichen, was das Haus größer und offen erscheinen lässt. Ziemlich ungewöhnlich ist die Kombination aus Schlaf- und Badezimmer: „Das ist fein“, sagt der Bauherr, „man kann in der Badewanne liegen und fernsehen und hat es nicht weit ins Bett.“ Vom Atelier, das derzeit von drei Katzen bewohnt wird, gibt es einen Ausgang auf die Terrasse. Vom Gang geht es direkt in den Garten.

Den Partycharakter des Hauses schätzt der Bauherr jedenfalls sehr: Die Küche ist darauf ausgerichtet, Gäste im Stile von Jamie Oliver zu bekochen. Auf der in die Mauer integrierten Bank beim Pool haben sogar schon mal 25 Leute Platz genommen. Im Sommer diente der Garten nämlich als Übertragungsort des EM-Finales.

Bei aller Leichtigkeit steckt hinter all dem viel Berechnung und Logistik. In Wahrheit ist Haus P. nämlich keine Skulptur, sondern ein aus Fertigbetonteilen in Sandwich-Bauweise zusammengesetztes Haus. „In der Planung ist das ein sehr aufwändiges System“, erklärt Architekt Günther Katherl. Auch die Installation und Verkabelung musste bereits im Vorhinein exakt berücksichtigt werden. Dank dieser Überlegungen kann das ganze Haus von einem zentralen Technikraum aus über acht Boxen mit chilligen Klängen beschallt werden. Spätestens dann rockt der Fisch durch die Landschaft.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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