Bauwerk

Frog Queen
SPLITTERWERK - Graz (A) - 2007
Frog Queen, Foto: Paul Ott
Frog Queen, Foto: Paul Ott

Quaken und andere Töne

Effekte, Ornamente, Bildwirkung: eine Firmenzentrale in Graz als radikale Absage an die Moderne. Ein weiteres Stück experimenteller Archi-tektur der Gruppe Splitterwerk.

30. Januar 2009 - Karin Tschavgova
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„Schreib über das neue Gebäude, das Splitterwerk in Graz für ein Ingenieurbüro geplant hat“, sagt das Gegenüber, immer gut für einen Rat. Wie, wenn ich zu dieser Art von Architektur keinen Zugang finde? „Eben deshalb“, sagt das Gegenüber, und sein Blick ist herausfordernd, „und auch, weil es vielleicht die Leser interessiert.“

Seit ihrer Gründung 1989 beharrt die Gruppe Splitterwerk darauf, eher ein interdisziplinär experimentierendes Team als ein Architekturbüro zu sein. Ihre Arbeit, sei es die Gestaltung von Ausstellungen oder die Teilnahme an solchen, ist immer um einen künstlerischen Ausdruck bemüht, auch wenn, wie bei ihren Wohnhäusern, wissenschaftliche Methodik und Forschung betont werden.

Zwei Wohnbauten – „Roter Laubfrosch“ und „Schwarzer Laubfrosch“ genannt, ein Ferienhaus, der Umbau einer Orangerie, eineSanierung und nun eine Firmenzentrale – was Splitterwerk realisieren konnte, ist an einer Hand abzuzählen und wurde doch, jedes für sich, von der Fachwelt aufmerksam registriert. Splitterwerks Bauten polarisieren,weil sie eine radikale Abkehr von den Postulaten der Moderne darstellen, die heute nochvon vielen von uns als gesellschaftliche Errungenschaft angesehen werden.

Auf den Ort einzugehen und urbane Bezüge herzustellen interessiert Splitterwerk in der Regel nicht, weil das Team auf eine Wirkung seiner Häuser abzielt, die nur durch singuläres Hervortreten aus der Umgebung erreicht werden kann. Wenn das ganze Gebäude – Wände, Dächer, fallweise auch die Verglasungen – mit einer einheitlichen Oberfläche versehen wird, die es kompakt und homogen wirken lässt wie die filigranen Holzlamellen den Schwarzen Laubfrosch oder das Farbmuster der Platten die Landesverwaltungsakademie in Graz, tritt ein Grad an Abstraktion ein, der die Wahrnehmung des Baukörpers als Solitär verstärkt.

Das Grundstück der neuen Firmenzentrale, die in Splitterwerks OEuvre als „Frog Queen“ auftaucht, liegt im Süden der Stadt, wo Graz zwischen Bahntrasse, Gewerbebauten und Einfamilienhäusern planlose Vorstadt ist. Ortsgebundenheit ist obsolet.

Die Suche nach einer Baukörperform, die Präzision und Effizienz der Arbeit der Prüfingenieure und die Eindeutigkeit ihrer mathematischen Lösungen auszudrücken vermag, führte zur Form des Quaders, der annähernd ein Würfel ist. Seine Körperhaftigkeit unterdrückt Splitterwerk mittels Rasterung der Fassaden mit zahllosen, gleich großen Aluminiumkassetten in Schwarz und Weiß. Die unterschiedliche Größe ihrer Siebdruckapplikationen, die vielleicht an Zahnräder, jedenfalls an Konstruktionsteile des Maschinenbaus erinnern, erzeugt ein Muster, das auf Nahwirkung baut. Der Blick aus der Ferne wandelt die Muster in mehrere Grauwerte um. Die Gebäudekante der zwei, jeweils gemeinsam sichtbaren Fassaden tritt zugunsten einer flächigen Bildkomposition aus weißen, grauen und schwarzen Pixeln zurück.

Der Wunsch, Dreidimensionalität aufzuheben, zieht sich als Leitmotiv durch die Arbeiten von Splitterwerk. Oberflächen von Räumen und Körpern werden gleichmäßig mit einem Ornament versehen, das aus der digitalen Überlagerung und Abwandlung von Mustern generiert wird. Worum es ihnen dabei geht? Die Architekten sprechen von Sphären (griechisch: Hülle, Himmelsgewölbe), die sie durch die Anreicherung der Oberflächen ihrer Räume erzeugen möchten, von einer Illusion, wenn Raumgrenzen sich auflösen. Im Bestreben, einen neuen, zeitgemäßen Raumbegriff zu kreieren, konzentrieren sich Splitterwerk, abgeleitet vom Bild als dem medialen Kommunikationsmittel des Jahrhunderts, auf die Bildwirkung ihrer Räume.

Selbst Fensterflächen, Türen und Tore werden einer Homogenisierung unterzogen. Splitterwerk beschränken sich auf zwei Fensterformate in der Größe einer Einzel- und einer Doppelkassette, die sie zwar unregelmäßig anordnen, aber so präzise und farbgleich in den Raster setzen, dass sie an den Fassaden kaum auszunehmen sind.

Erstaunt sein wird, wer wie viele glaubt, dass der von außen minimal scheinende Fensteranteil das Innere nicht ausreichend belichten kann. Mehr als 100 kleine Fenster verteilen angenehmes Streulicht auf Computerarbeitsplätze, in Besprechungszimmer und die hohe Werkshalle, die das Erdgeschoß einnimmt. Sie dienen dem Lichteinfall, aber freie Aussicht, etwa auf einen sich bedrohlich verdüsternden Gewitterhimmel, bieten sie kaum. Sie sind Teil einer Inszenierung der Büroräume, die durch Bildtapeten an den Außenwänden und durch farblich abgestimmte Innenwände und Böden Wirkkraft hat. Die Tapeten zeigen, durch Überlagerung mit Mustern leicht abstrahiert, oststeirische Landschaften, in die Fenster wie Bilder mit Rahmen eingeschnitten sind. Mittel der Verfremdung, der Irritation kommen hier zum Einsatz. Mit so differenzierter Raumgestaltung wird Raum nicht flächig, sehr wohl aber atmosphärisch aufgeladen.

Wohltuende Abweichung vom starren Konzept der „Verflachung“ zeigt sich auch in der dreigeschoßigen Halle. Sie ist klassische Architektur – zeigt räumliche Differenzierung, mit den Brüstungen der Galerien plastische Geometrie und differenzierte Lichtführung. Stringenz und Wirkung werden verstärkt durch den einheitlichen Überzug aller Flächen und Materialien mit einer Silberfarbe, der winzige Metallsplitter beigesetzt wurden. Bei diesem Bau ist Splitterwerk nicht nur gelungen, ihr Konzept der „aufgeladenen“ Oberflächen durchzusetzen,sie haben damit auch den Wunsch des Bauherren nach einen Gebäude erfüllt, das die Arbeit des Unternehmens an präzisen, eindeutigen Lösungen ausdrückt.

Vor wenigen Tagen wurde Splitterwerks „Frog Queen“ beim „contractworld.award 2009“ mit dem zweiten Preis in der Kategorie Bürobau ausgezeichnet. 570 Einreichungen für diese hoch dotierte europäische Auszeichnung für Innenraumgestaltung, ein österreichischer Preisträger – ein schöner Erfolg.

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