Bauwerk

Hofhaus Millergasse
Froetscher Lichtenwagner - Wien (A) - 2008
Hofhaus Millergasse, Foto: Stephan Huger
Hofhaus Millergasse, Foto: Stephan Huger

Landleben im Stadtleben

Einfamilienhaus mitten in der Stadt? Das Wiener Architekturbüro Froetscher Lichtenwagner rüstete ein altes Hofhaus im dicht besiedelten Bezirk Mariahilf zu Wohnzwecken um.

21. März 2009 - Sabine Lintschinger
Ursprünglich war die Familie auf der Suche nach einem Rohdachboden. Doch angesichts der Probleme, die sich beim Ausbau von Dächern meistens auftun, legten befreundete Architekten der Baufrau nahe, auch nach bodennahen Alternativen zu suchen. Als sie im Internet ein Objekt in Wien Mariahilf fand, staunte sie nicht schlecht. „Es sah hübsch aus mit der Steinmauer und den Bäumen dahinter“, erzählt die Baufrau, die vom verfallenen Charme der Baracke auf Anhieb angetan war,

Anders die beiden Architekten Willi Froetscher und Christian Lichtenwagner. Sie wussten sofort, dass man in das vorgefundene Kleinod nicht so rasch mit Sack und Pack einziehen könne. Frohen Mutes nahmen sie die Bauaufgabe an. Die größte Einschränkung bei der Sanierung der Bausubstanz aus den Fünfzigerjahren war die Flächenwidmung. Zuletzt als Fotostudio genutzt, galt der Baugrund laut Magistrat der Stadt Wien als sogenannte „gärtnerisch auszugestaltende Fläche“. Neu- und Zubauten waren daher ausgeschlossen, eine Veränderung war nur innerhalb der bestehenden Hülle möglich.

Im ersten Schritt wurde das 140 Quadratmeter große Hofhaus komplett ausgehöhlt. Im Anschluss daran wurde eine Fundamentsanierung durchgeführt. Von 17 Firmen, die um ein Anbot für Holzfertigbauteile angefragt worden waren, stellten aufgrund der schwierigen Bedingungen auf der beengten städtischen Parzelle lediglich fünf ein Angebot.

Doch glückliche Zufälle begleiteten das Bauvorhaben: Auf der anderen Seite der Mauer war zeitgleich eine Baustelle und damit auch ein Kran vorhanden, mit dem die Holzelemente auf spektakuläre Weise einschwebten. Stück für Stück wurden die maroden Fünfzigerjahre-Wände durch neue Fertigteile ersetzt. Nach nur fünf Monaten Bauzeit war das schlichte Hofhaus mit begrüntem Dach fertig.

Wohnen zwischen den Boxen

„Bei den Raumboxen, die jeweils als Küche, Bad und Schlafzimmer genutzt werden, haben wir uns für Lärchenholz entschieden“, erklärt Architekt Willi Froetscher das räumliche Konzept, „die vertikale Leistenstruktur der Fassade zieht sich in den Innenräumen fort und verwischt auf diese Weise die Grenze zwischen innen und außen.“ Der übrig gebliebene Wohnbereich dazwischen wurde verglast und kann im Sommer großflächig geöffnet werden.

Die natürliche Materialwahl war ein Wunsch der Baufrau. Auch der Fußbodenbelag - im ganzen Haus wurde einheitlich Estrich verlegt - war ein gekonnter Schachzug. Aufgrund dieser Maßnahmen wirkt der Garten rundherum nun wie eine Verlängerung des Wohnzimmers. Der graue Betonboden geht unmittelbar in die befestigten Außenflächen aus Naturstein über. Die liebevoll aufgemauerte Steinmauer auf der einen Seite und der schattenspendende alte Kastanienbaum auf der anderen Seite machen aus dem Garten einen gemütlich abgegrenzten Freiraum.

„Im Winter ist der Schnee liegen- geblieben“, schwärmt die Baufrau, die bereits ihre ersten Gärtnerambitionen hegt. Bambus, Tulpen, Magnolien und sogar eine Hortensie sollen werden spätestens im kommenden Jahr das Haus zieren. Und, wer weiß, vielleicht auch eine Auszeichnung? Das Hofhaus M. ist ein heißer Anwärter für den Architekturpreis „Das beste Haus 2009“, der Ende April verliehen wird.

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