Bauwerk

Kleines Festspielhaus - Umbau
Wilhelm Holzbauer, Francy Valentiny - Salzburg (A) - 2006
Kleines Festspielhaus - Umbau, Pressebild: Andreas Schaad
Kleines Festspielhaus - Umbau, Pressebild: Luigi Caputo

Aus für Mozart

In Salzburgs neuem „Haus für Mozart“ ertönen dieses Wochenende erstmals die Melodien des Unsterblichen. Sie werden sich wie tröstliche Klangschleier über die Unvollkommen- heiten der Sterblichen legen.

17. Juni 2006 - Ute Woltron
Wer Wolfgang Amadeus Mozart wirklich war, werden auch seine Biografen nie wirklich ergründen. Was bleibt, ist die Musik - und sein Talent, mit leichtfüßiger Brillanz die unterschiedlichsten Genres mit noch höheren Sprüngen - und schelmischem Gelächter - zu durchhüpfen als alle anderen.

Das ist eine Gabe, die im vergleichsweise schwerfüßigen Adagio der Architektur natürlich nicht so leicht umzusetzen ist. Die einen Bauleute beherrschen den Kanon des Wohnbaus, die anderen die Fuge des Industriebaus. Doch wenn Architekten nach eigenen Worten den Anspruch erheben, ein „Haus für Mozart“ zu bauen, erwartet man ein Präludium der Sonderklasse, eine leichte, bezaubernde Fingerübung, eine Architektur, die ihre Besucher schon vor Konzertbeginn auf jenes Entzücken einstimmt, das die zu ihrer Zeit avantgardistische Musik des Unsterblichen auch heute noch auszulösen imstande ist.

Wilhelm Holzbauer und François Valentiny wissen beide, dass ihnen diese Übung in Salzburg misslungen ist. Doch schuld daran sind nicht nur die beiden Kompositeure des Konzerthauses. Schuld sind auch die unzähligen Nebendirigenten, die mit ihrem Kleingeist der Architektur stets verbissen den falschen Takt aufzwingen und die womöglich in Salzburg zahlreicher anzutreffen sind als anderswo.

Der Umbau des Kleinen Festspielhauses zu einem „Haus für Mozart“ wurde von den Akteuren nie als das begriffen, was er hätte sein können: nämlich die von vielen lange ersehnte Chance für diese so prachtvolle kleine Stadt, endlich in der Gegenwart anzukommen, ein neues, wundervolles Kleines Festspielhaus zu bauen und das alte, nie gut gewesene Ungetüm von Clemens Holzmeister nach einer kurzen Gedenkminute in die Luft zu jagen.

Doch jede Gehsteigkante der Salzburger Altstadt, jedes Geschäftsschild, jede Auslage stinkt nach Anbiederung an die jüngere und ältere Vergangenheit, mit der man die Touristenhorden nach Strich und Faden abzuzocken sucht. Die Edeltouristen Salzburgs sind seine Festspielgäste. Ihnen ist das „Haus für Mozart“ zugedacht, nicht dem Komponisten selbst, und sie bekommen nun die zeitgenössische Variante der Anbiederung serviert: einen von außen wirklich nur als unansehnlich zu bezeichnenden Bau, der innen brav, aber ohne Bravour seine Funktion erfüllt. Sie bekommen einen Architektur gewordenen Werbeslogan - und es wird niemanden sonderlich bekümmern.

Das „Haus für Mozart“ ist das Resultat vielschichtiger historischer Missinterpretationen, das Produkt menschlicher Anmaßung und bürokratischer Kompromisse: Da wäre einmal Wilhelm Holzbauer, ein erwiesenermaßen solider, in manchen Arbeiten sogar hervorragender Architekt, der nie verhehlte, dass er selbst sich für den einzig Würdigen hielt, Clemens Holzmeisters ursprüngliche Festspielhaus-Architektur als dessen Schüler umzubauen, und der über genug Charisma, Charme und Überzeugungskraft verfügte, dieses Hohelied architektonischer Ahnenfolge den Entscheidungsmächtigen so lange vorzusingen, bis sie selbst daran glaubten. Dann wäre da eine mächtige Fraktion von Stadtbildfanatikern, denen der Zeitgenosse Holzbauer zwar egal, der gute, verblichene Holzmeister dafür umso teurer war und die einen Neubau an dieser Stelle nie gebilligt hätten.

Doch von der alten Holzmeister-Fassade, deren Erhaltung eines der wichtigsten, wenn auch fadenscheinigsten Argumente für Holzbauers Projekt gewesen war, ist absolut nichts übrig geblieben.

Tatsächlich befindet sich dort, wo man ein Haus umbauen wollte, jetzt ein Neubau, der sich in die unsichtbar gewordene Kubatur eines scheinbar übermächtigen Vorgängerbaus zwängt. War schon Holzmeisters Festspielhaus-Vorderfront eine eher gequälte Angelegenheit, so hat sich die Qual nun gewissermaßen zeitgenössisch multipliziert.

Ohne auf die Querelen des fragwürdig gebliebenen Vergabeverfahrens nochmals einzugehen: Holzbauer erzwang damals einen Sieg, den er später nur verlieren konnte; und wenn er nun mit seinem ehemaligen Erzrivalen und nunmehrigen Verbündeten François Valentiny durch die neue Architektur schlendert, dann ist es, als ob sie beide endlich wüssten, dass ein schneller Sieg auch eine dauerhafte Niederlage bedeuten kann.

Die Fassade", sagt Valentiny vorsichtig, „ist nicht nur unser Produkt.“ „Tatsächlich!“, witzelt Holzbauer, „Man müsste zur Architektur auch die Altstadtkommission befragen, denn die hat schließlich mitentworfen.“ Frei von Talent, wie man sieht, denn die graue Front aus gestocktem Beton mit ihrem Balkon, den braun umrandeten Fensterscharten und einem an Sozialwohnbauten der Vergangenheit gemahnenden Geländer ist an Einfallslosigkeit nicht zu überbieten. Was ein großes „Stadtfenster“ hätte werden sollen, wurde auf drei Fensteröffnungen aufgerastert, weil man sich offenbar vor zu großen Glaselementen in Salzburg fürchtet.

Das alte Holzmeister-Foyer mit den Fresken wurde restauriert, von hier aus verfügt man sich zu den sinnvollerweise neu geschaffenen zusätzlichen Zugängen zur Felsenreitschule und in das geräumige Stiegenhaus des neuen „Hauses für Mozart“.

Die neue Treppenanlage ist sehr schwer, sehr monumental. Warum die Brüstungen alle so massiv und fett ausgeführt seien? Holzbauer: „Weil wir gerne fette Brüstungen haben. Wir wollten hier keine Kaufhausatmosphäre.“ Das hohe Stiegenhaus ist mit golden lackierten Aluminiumpaneelen in einer Wellenform ausgekleidet, um die Akustik im Zaum zu halten. Dahinter blinken die bunten Glassteine des heimischen Glassteinindustrieadels und werfen funkelnde Sponsorenlichtspritzer in den ansonsten betont nüchternen Raum.

Auf drei Ebenen geht es von hier in den Saal, in dem Mozarts Musik die Hauptrolle spielen wird. Keine Frage, Parkett und Ränge sind wohlgeordnet, jeder der 1.650 Sitz- und der 60 Stehplätze bietet besten Ausblick auf die Bühne. Da Holzbauer selbst Konzerthauserfahrung hat und ein vorzüglicher Akustiker mit von der planenden Partie war, dürfte der Saal sicherlich auch die erforderlichen musikalischen Qualitäten aufweisen.

Der architektonische Raumklang selbst ist ein Akkord aus golden gestrichenen Türen und Lisenen, aus rosa Stukkolustro-Flächen (Kunstmarmor) und Holztönen. Ein tadelloser Saal, der weder alt noch neu wirkt, weder mondän noch elegant, und der deshalb charakterlos bleibt wie die billigen Klavierimporte aus Asien, die den uralten Klavierbauvirtuosen Europas fröhlich globalisierend den Lebensfaden abschneiden.

Doch Wilhelm Holzbauer hat Recht, wenn er sagt, dass man den Saal erst beurteilen möge, wenn er mit Menschen befüllt sei. Tatsächlich: Wenn dann schließlich im Sommer das Haus offiziell eröffnet wird, wenn sich die Festspielprominenz zum alljährlichen Stelldichein findet, verschwindet die Architektur ohnehin als Kulisse hinter dem Salzburger Edeltourismus. Ein Haus für Mozart, hineingekrampft in eine Stadt, die er selbst verachtete: „Ich hoffe nicht, dass es nötig ist, zu sagen, dass mir an Salzburg sehr wenig und am Erzbischof gar nichts gelegen ist und ich auf beides scheiße.“

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