Bauwerk

Kleines Festspielhaus - Umbau
Wilhelm Holzbauer, Francy Valentiny - Salzburg (A) - 2006
Kleines Festspielhaus - Umbau, Pressebild: Andreas Schaad
Kleines Festspielhaus - Umbau, Pressebild: Luigi Caputo

Falscher Marmor für Mozart

Innen: viel güldene Repräsentation, außen: ein Debakel. Die Decke: schlampig, die Traufe: ein grauenhafter Balken. Und wer ist für diese entsetzliche Eiche verantwortlich? Das neue „Haus für Mozart“ in Salzburg.

18. Juni 2006 - Liesbeth Waechter-Böhm
Es ist ein altmodisches Haus, dieses neue „Haus für Mozart“. Und es ist kein großer architektonischer Wurf. Es steckt nicht die Kraft einer individuellen künstlerischen Handschrift dahinter. Und es ist kein Statement, das die heutige Architektur irgendwie beeinflussen, weiterbringen wird. Nur darf man zum jetzigen Zeitpunkt bei solchen Bilanzen nicht stehen bleiben. Auch wenn in Zukunft kein Mensch mehr danach fragt, wie dieses Ergebnis zustande gekommen ist: In diesem „historischen“ Moment, an der Schnittstelle vom Fertigwerden zum Entlassen des Gebäudes in den Gebrauch, muss man auch die Umstände in Betracht ziehen, die dazu geführt haben, dass es so ist, wie es nun einmal ist.

Die Vorgeschichte sollte man sich schenken. Sie ist ein einziger Krampf mit entsetzlichen Architekten-Querelen. Wilhelm Holzbauer (Holzbauer und Irresberger), engagierter Salzburger, hat all seine Macht eingesetzt, um eine Jury-Entscheidung rückgängig zu machen, die ihn um diese Aufgabe gebracht hätte. François Valentiny (Büro Hermann & Valentiny und Partner) fühlte sich zu einem gewissen Zeitpunkt herausgefordert, am eigenen Lehrmeister auch die eigene architektonische Potenz zu messen. Es gibt Hinweise, dass das durchaus erfolgreich gelungen ist. Es gibt aber auch Hinweise, dass Holzbauer mittlerweile die Gelassenheit des „alten Meisters“ hat.

Das „Haus für Mozart“ war zunächst eine konzeptuelle Aufgabe, die man als die Quadratur des Kreises bezeichnen könnte: Denn es ging um einen viel kürzeren Saal (zehn Meter), damit das Publikum besser sieht, es ging um eine Verbesserung der Akustik und zugleich um eine Steigerung der Sitzanzahl.

In funktioneller Hinsicht kann man Wilhelm Holzbauer und François Valentiny wenig ankreiden. Man geht ins Haus hinein, das legendäre Faistauer-Foyer hat eine - durch neue Öffnungen - hervorragend gelöste Verteilerfunktion. Überhaupt halte ich die neue Erschließung - auch der Felsenreitschule - für das große Plus des Neu- beziehungsweise Umbaus. Vor allem der Umgang - man geht ebenerdig hinein, verteilt sich, hat aber in der Pause die Möglichkeit, im ersten Obergeschoß auf eine Terrasse zu treten, die sich fast über die volle Gebäudelänge erstreckt und in einer Treppe hinunter mündet. Also ein richtiger Kreislauf, das hat schon etwas. Auch das Foyer im Neubauteil ist mit seinen 20 Metern Raumhöhe eine Attraktion. Die geschwungene, hinterleuchtete, goldene Lamellenwand vor einem Mozart-Bild aus Swarowski-Kristallen ist kein Willkürakt, sondern eine unverzichtbare Schall absorbierende Maßnahme.

Sicher stellt sich hier - und dann erst recht im neuen Saal - die Geschmacksfrage. Ist so viel „güldene“ Repräsentation heute noch verträglich? Ist es verträglich, dass man zur traditionellen Technik der Wandmalerei greift, die die Maserung von Marmor imitiert? Und das in einer Abfolge hochrechteckiger Felder, die wiederum golden gerahmt sind? Gut, jedes dieser Felder ist leicht schräg gestellt - wiederum eine akustische Maßnahme. Die Wände des Saals sind parallel, er hätte aber - um eine optimale Akustik zu gewährleisten - konisch sein müssen. Dafür war kein Platz. Nur sind sicher auch andere gestalterische Maßnahmen vorstellbar, die mehr mit heutigen Ausdrucksmöglichkeiten zu tun haben.

Das funktionelle Problem, fairerweise muss man das sagen, haben die Architekten bewältigt: weniger Distanz zur Bühne, eine Galerie mehr, Seitensitze, von denen man immer noch einen Großteil der Bühne sieht, sogar 50 Stehplätze.

Danebengegangen ist das Tonnengewölbe über dem Saal. Es besteht aus Stahlträgern, in die Betonfertigteile eingehängt sind. Die Träger mussten aus brandschutztechnischen Gründen anders behandelt werden als die Betonteile, die Decke sieht unheimlich schlampig aus. Lauter Unebenheiten, wo eigentlich eine glatte Haut sein sollte. Waren es Kostengründe? Zeitgründe? Oder war es einfach eine Fehlentscheidung, das Tonnengewölbe nicht zu schalen und zu betonieren? Mängel dieser Art, auch schwache Materialentscheidungen, lassen sich im Haus an allen Ecken und Enden ausmachen. Wer zum Beispiel ist für diese entsetzliche Eiche verantwortlich? Nur oben, in der VIP-Lounge, der sogenannten „Salzburg Kulisse“, wurde Holzbauers Lieblingsholz, Birne, verwendet. Die hat in der Tat eine ganz andere Anmutung.

Der Außenauftritt des Hauses: ein ziemliches Debakel. Er hat keine Gesetzmäßigkeit, keine Logik. Die Eingangstore unten stehen in einer zufälligen Beziehung zu den fünf schmalen, hohen Fixverglasungen, die nur einen fragmentierten Ausblick auf das spektakuläre architektonische Vis-à-vis erlauben. Es gibt ein großes Schaufenster für Plakate, Informationen. So etwas Läppisches habe ich überhaupt noch nie gesehen. Lauter hochformatige Glasstreifen, aneinander gereiht. Und von der Traufe will ich überhaupt nicht reden: Die ist als grauenhafter Balken ausgebildet, der den Anschluss an den Holzmeister überhaupt nicht bewältigt.

Aber der kritische Punkt sind die Verglasungen: Im Wettbewerb haben die Architekten eine Art Panorama-Glaselement vorgeschlagen, ein gefasstes Bild des architekturhistorischen Gegenübers. Das hat die Altstadtkommission als unmaßstäblich abgeschmettert. Die Frage, was denn den Maßstab abgibt, bleibt bei solchen Entscheidungen allerdings immer unbeantwortet.

Und damit sind wir bei einer Kernfrage zum Projekt: Wie kann man über Architektur reden, wenn ununterbrochen irgendwelche Leute, die in irgendwelchen Gremien sitzen, ihre Existenzberechtigung beweisen wollen. Ein Hydrant unmittelbar vor dem Eingang, dabei ist der nächste schräg gegenüber; eine kleine Bar, in einem der oberen Geschoße - ein eigener Brandabschnitt; tausend Fluchtschilder, so dass im Notfall sicher niemand weiß, wo er hinrennen soll; Garderoben, die aus Brandschutzgründen abschließbar sein müssen (wie soll sich das im Gebrauch jemals bewähren?), und das lässt sich beliebig fortsetzen.

Wenn es immer nur um absurde Vorschriften geht, um Geldknappheit, sodass bei jeder speziellen Maßnahme erst ein Sponsor aufgetan werden muss, dann werden grundsätzlichere Fragen illusorisch. Was bleibt, wenn man die so genannte Geschmacksfrage und den ganzen Zeitgeist von einer architektonischen Lösung subtrahiert? Unter diesen Umständen muss ich die Antwort schuldig bleiben.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Salzburger Festspiele

Fotografie