Bauwerk

Kleines Festspielhaus - Umbau
Wilhelm Holzbauer, Francy Valentiny - Salzburg (A) - 2006
Kleines Festspielhaus - Umbau, Pressebild: Andreas Schaad
Kleines Festspielhaus - Umbau, Pressebild: Luigi Caputo

Ein Haus für Holzbauer

Eine „arglistige Täuschung“ durch eine demokratische Landesregierung nannte der Schweizer Juror Carl Fingerhuth den Alibi-Architektenbewerb für das „Haus für Mozart“ in Salzburg. Die Beauftragung Wilhelm Holzbauers brachte einen mittelmäßigen Neubau.

21. Juni 2006 - Norbert Mayr
Es gab einen historischen Moment, an dem es gelungen ist, die konkurrierenden Projekte von Holzbauer und Valentiny zusammenzuführen – woran ich nicht ganz unbeteiligt war.“ Der Intendant der Salzburger Festspiele, Peter Ruzicka, zeigte sich gegenüber der apa zufrieden. Mit Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler und Landeshauptmann Franz Schausberger schwärmte er bereits vor dem Verhandlungsverfahren 2001 über Holzbauer, ohne freilich „Entscheidungen vorwegnehmen“ zu wollen (Kurier, 2. 9. 2001). Holzbauers Fanclub war nicht am Wettstreit der Konzepte der fünf geladenen Architektenteams zur Findung der optimalen Lösung interessiert. Das ist unverantwortlich. Den Festspielen, die in massiv wachsendem Wettbewerb mit anderen Festivals stehen, sollte eigentlich das Beste gerade gut genug sein.

Konkurrenz eliminiert

Ruzicka dirigierte bei der Eliminierung von Holzbauers Konkurrenten eifrig mit. Man sollte Eraldo Consolascio dahingehend informieren, dass er – so ein Aktenvermerk vom 12. 7. 2002 – „an sich auszuscheiden wäre, der Auftraggeber aber von einer Ausscheidung unter der Voraussetzung absieht, dass sich Consolascio im weiteren Vergabeverfahren ruhig verhält. Dies hätte für Arch. Consolascio den Vorteil, dass er sich die Peinlichkeit einer Ausscheidung aus dem Vergabeverfahren erspart und andererseits damit Werbung machen kann, dass er unter die letzten Fünf im Wettbewerb Kleines Festspielhaus gekommen ist.“ Derart überheblich-abfällig äußerste sich der feinsinnig-kultivierte Musikmann bei dem nach Auffassung von Juristen „grob rechtswidrigen“ Versuch einer Bieterabsprache. Sie scheiterte. Ausgerechnet das Projekt der renommierten Schweizer Architekten Bétrix & Consolascio wurde bei der Verfahrenswiederholung 2002 erstgereiht. Zur Eliminierung ihres ungleich besseren Konzepts beauftragte Landesbaudirektor Alfred Denk das fragwürdige Gutachten des Technikers Wilhelm Spirk. Der Auftrag an Holzbauer/Valentiny war Ruzickas „historischer Moment“. Über Holzbauer und das kontinuierlich in dessen Sinne entscheidende Bundesvergabeamt in Wien hatte sein ehemaliger Schüler François Valentiny am 17. 4. 2002 im Standard erklärt: „Hier werden Steuergelder verplempert, weil ein ignoranter, schlechter Architekt gemeinsame Sache mit einem Amt macht und ein Verfahren unnötig in die Länge zieht. […]

Er baut seit 20 Jahren nur mehr miese Investorenarchitektur.“ Valentiny bildete damals mit Hubert Hermann in arge mit Wimmer/Zaic ein Team und lief wenig später zu Holzbauer über. So musste er sich nicht mehr über das Bundesvergabeamt ärgern und durfte an der „Investorenarchitektur“ mitplanen.

Holzbauers neues Auditorium ist erfüllt vom Pathos, das sein ganzes Œuvre durchzieht, wurde hier allerdings zu spröder, konventioneller und kraftloser Dekoration. Überreichlich Goldfarbe kann – eingesetzt bei der unbeholfenen Rasterstrukturierung der Wände, den Decken und Ranguntersichten – den heterogenen Raumeindruck nicht übertünchen. Die Anbindung der schräg angeordneten Ränge zum gestuften Wandraster ist ebenso holprig wie die Überleitung des Wandrasters mit Abschlussgesims zur Deckenwölbung. Kein intimer Raum für Mozarts feinsinnig-sinnliche Kunst wurde geschaffen. Eine der vielen zeitgemäßen Alternativen ist der gleichzeitig neu strukturierte Saal des Bregenzer Festspielhauses von Dietrich & Untertrifaller. Ihr Wettbewerbsiegerprojekt ist wie ein Musikinstrument in warm getöntem Akazienholz konzipiert.

Konnte Holzbauer zumindest die optischen und akustischen Unzulänglichkeiten beseitigen? Die weiteste Entfernung Bühne-Sitzplatz bei dem gleichförmigen „Holzschlauch“ von 1963 lag bei 43 Metern. Der schlechteste Sitzplatz ist leider noch immer 39 (!) Meter vom Eisernen Vorhang entfernt. Die Reduktion der Entfernung Bühne-Zuschauer auf ein Maß „kleiner als 30 Meter“ war 2001 eine richtige Forderung an alle Architektenteams. Optimale Mozart-Spielstätten wie das Theater an der Wien, das Opernhaus Zürich oder Glyndebourne liegen alle unter der 30 Meter-Marke. Rund 400 Plätze überschreiten sie bei Holzbauers Neubau: Das 2002 erstgereihte Umbau(!)-Projekt von Bétrix & Consolascio kam – bei ebenfalls 1500 Sitzplätzen – auf maximal 35 Meter und 113 Plätze über 30 Meter, das Neubauprojekt von Domenig/Eisenköck/Lorenz sogar auf 33 Meter herunter.

Holzmeister-Erbe zerstört

Holzbauer machte trotz der erstmaligen Möglichkeiten zu einem Neubau das Auditorium nicht zum räumlich-architektonischen Nukleus, sondern betonierte die Mauern an die gleiche Stelle nur etwas dünner wieder auf. Im Zusammenhang mit der sinnvollen Neustrukturierung der benachbarten Felsenreitschule wäre sogar eine deutliche Verbreiterung ohne Abriss der Fassade des Festspielhauses von Clemens Holzmeister von 1926 leicht möglich gewesen.

2001 erklärte Holzbauer – „Holzmeisters Erbe“ –, die Aufstockung der Fassade seines Lehrers Holzmeister im erstgereihten Projekt des Verhandlungsverfahrens schützen zu wollen. Die Sorge war nur vorgeschützt. 2002 riss Holzbauer den Planungsauftrag endgültig an sich, 2003/04 mittels Statikergutachten die Holzmeister-Fassade von 1926 komplett ab. Diese war die „Basis und der Auftakt für das ganze Ensemble“ des Festspielbezirks, so der renommierte Architekturhistorikers Friedrich Achleitner. Der Meilenstein für die Architektur der Zwischenkriegszeit in Salzburg drückte gemeinsam mit dem benachbarten Kolleg St. Benedikt in St. Peter von Peter Behrens (1924/26) erstmalig in der Altstadt eine neue Haltung aus: Anstelle plakativ-historisierender Anpassung bezogen sich die Architekten kreativ auf Bautradition, Geschichte und Ort, erzielten eine Eingliederung in den historischen Kontext. In diesem Geist interpretierte Holzmeister auch 1937/38 den neuen monumentalen Bühnenturm als Bastion des anschließenden Mönchsbergfelsens.

Holzmeisters von Kunstwerken begleitete Raumfolge vom Eingansportal zum Faistauer-Foyer beeindruckte in ihrer Kompakt- und Klarheit. Die von Jakob Adlhart 1926 geschaffene Mimenmaske in der Portal-Lünette vermittelte raffiniert zwischen Innen und Außen. Seinen Vorbau von 1937 ersetzte Holzbauer durch ein sehr massives, zu hoch situiertes Flugdach. Holzbauer schloss die Lünette von 1926 und präsentiert die symbolträchtige Maske auf einem schweren, gestockten Betonsockel. Was als „Weiterentwicklung“ der holzmeisterlichen Fassade gesehen werden soll, ist deren monumentalisierende Aufblähung. Holzmeisters „Kleines Haus“ besaß mit dem Terrassenvorbau 1926 und den Volumina von 1937/38, dem Garderobentrakt und schließlich der Bühnenturmbastei eine plastische Steigerung in drei Stufen. Holzbauers verdoppelter Terrassenvorbau tritt nicht mehr mit Holzmeisters feingliedrig monumentalisiertem Bühnenturm in Dialog. Das Erdgeschoß als Sockel aus gestocktem Beton erhielt die Aufgabe, der in den Obergeschoßen spannungslosen Fassade Halt zu geben.

Die „Sachverständigen“

Während die für die unesco tätige Organisation ICOMOS Österreich die Erhaltung der Holzmeister-Fassade von 1926 forderte, genehmigte die Sachverständigenkommission für die Altstadterhaltung (svk) den Abbruch. Sie begutachtete auch unzählige Male Holzbauers Neubauprojekt. Besonders unüberlegt platzierte Holzbauer vor dem Eingang als „erweitertes Foyer“ Dach und Wandscheibe hakenförmig. Dieser so genannte Sichtschutz war eine Abmauerung quer zum Gehsteig und reichte sogar in die Straße. Zwar verschwand bei der Realisierung die absurde Mauerscheibe quer zum Gehsteig, dafür sitzt das zu hohe Vordach nun zusammenhanglos in einer Fassade, deren gliedernde Akzentuierungen verloren gingen. Der Terrassenvorbau „gewann“ an Banalität.

„Es wird nur noch Sieger geben“, meinte Ruzicka im apa-Interview. Sieger sehen aber anders aus, auch Meister. Holzbauer suchte oberflächlich Referenzen bei Holzmeister, dessen architekturhistorisch für das 20. Jahrhundert bedeutende Fassade er eliminierte. Das konventionelle Haus von Holzbauer wird weder Holzmeister gerecht, noch bietet es Ansätze, die es zu einem gewichtigen architektonischen Beitrag des frühen 21. Jahrhunderts in Salzburg machen könnten.
Erschienen in „Die Furche“,
http://www.furche.at/archivneu/archiv2003/fu2504/05.shtml

Eine ausführliche Analyse erscheint Anfang Juli in Norbert Mayrs Buch „Stadtbühne und Talschluss“ (Otto Müller Verlag), das sich aber auch erfreulicheren Aspekten der Baukultur in Salzburg widmet.

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