Bauwerk

Volksschule Mauth
Marte.Marte Architekten - Wels (A) - 2009
Volksschule Mauth, Pressebild: Lukas Schaller
Volksschule Mauth, Pressebild: Lukas Schaller

Österreichischer Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2010

Die Volksschule Mauth ist ein Manifest für die umfassende Veranwortung der Stadt Wels und ein Beweis dafür, dass soziale, ökologische und pädagogische Nachhaltigkeit und höchste architektonische Ansprüche miteinander vereinbar sind.

28. Mai 2010 - newroom
Wels ist nach Linz in Oberösterreich die Stadt mit dem stärksten Zuzug und hat einen hohen Anteil an Kindern und Jugendlichen. Aus diesem Grund war für den Stadtteil Laahen der Neubau einer zwölfklassigen Volksschule notwendig geworden. Dass diese Schule etwas Besonders werden soll, war von Anfang an klar. Einerseits hat sich die Stadt Wels 2008 verpflichtet, in Zukunft alle Neubauten im Passivhausstandard zu errichten, andererseits sollte es eine sogenannte „Bewegte Schule“ werden, denn, so die Schulleiterin Monika Wiesmeyr: „Bewegung ist für die Entwicklung der Kinder wichtig, sie ist eine unerlässliche Form der Erkenntnisgewinnung und fördert die Gedächtnisleistung.“ Außerdem hat die Hälfte der Kinder in den Welser Volksschulen einen Migrationshintergrund, deshalb sei es wichtig, meint die Bezirksschulinspektorin Barbara Pitzer, „dass die Schule viel Bewegung und Flexibilität ermöglicht, weil Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen anders lernen.“

Besonderheit sichtbar machen

Die Architekten Marte.Marte, die den EU-weiten Wettbewerb für die Volksschule Wels-Mauth gewonnen haben, haben die Besonderheit der Schule schon von außen sichtbar gemacht. Das helle zweistöckige Gebäude mit goldfarbenen Fenstern und sonnengelben Jalousien steht selbstbewusst im neuen Siedlungsgebiet und signalisiert, dass man hier gut und gerne lernen kann. Ein Einschnitt an der südwestlichen Ecke markiert den Eingang und bietet Schutz und Geborgenheit für wartende Schülerinnen und Schüler. Der Platz vor und neben der Schule kann von den Bewohner:innen der umliegenden Häuser genutzt werden und ist bei Kindern und Jugendlichen beliebt zum Skaten oder Rad fahren.

Viel Licht und Luft Im Inneren orientiert sich der nahezu quadratische Baukörper am offenen Atrium mit Pflasterung, zwei Bäumen und einer Bank. Rund um den Hof führt der Gangbereich mit großzügigen Glasflächen, der in den Bewegungspausen von hüpfenden, tanzenden und spielenden Kindern bevölkert wird. Vor der Bibliothek im ersten Stock, der „Lern- und Forschungsstation“ der Schule, gibt es zum Innenhof hin eine Terrasse zum Lesen. Im Sinne der „Bewegten Schule“ gibt es keinen starren Stundenplan, sondern verschiedene Lerneinheiten, die von längeren Pausen für Bewegung und Essen unterbrochen werden.

Auch die Einrichtung der Klassenzimmer, die an der Außenseite des Gebäudes angeordnet sind, fördert die Bewegung: Statt einer großen Tafel gibt es fünf kleinere, die an Schienen nach Bedarf verschoben werden können. Die Tische sind dreieckig und haben an einem Bein eine Rolle, dadurch können sie in verschiedensten Formationen zusammengestellt werden. So kann eine Gruppe in der Klasse zum Beispiel rechnen, während die andere an einem gemeinsamen Plakat bastelt. Auch das führt dazu, dass sich die Schüler:innen mehr bewegen müssen und im Unterricht aktiver sind. Zwischen jeweils zwei Klassenzimmern gibt es einen gemeinsamen Gruppenraum.

Zusätzlich stehen ein Werkraum, eine Schulküche mit Speiseraum, ein Turnsaal, die auch für Veranstaltungen nutzbare Aula und großzügige Räume für Lehrer:innen und Schulleitung zur Verfügung.

Offene Räume, offener Umgang

Die hellen, offenen Räume unterstützen das pädagogische Konzept, im Gang mit Ausblick können sich die Kinder (und Lehrer:innen) gut entspannen, beobachtet Monika Wiesmeyr: „Es geht in der Volksschule ganz stark auch um menschliche und soziale Entwicklung. Wir stellen fest, dass das hier besser gelingt als in anderen Schulgebäuden.“ Die Schulzufriedenheit sei dementsprechend hoch, und wenn es Probleme gebe, werde offen darüber gesprochen. Für hohe Lebensqualität sorgt auch, dass beim Bau auf sehr guten Schallschutz geachtet wurde. Das falle Besucher:innen immer sofort auf, sagt die Schulleiterin.

Für ein gutes Klima in mehrfacher Hinsicht sorgen auch die energetischen Details: Die Volksschule Wels-Mauth erreicht nahezu Passivhausstandard. Energie aus Tiefensonden über Wärmetauscher und kontrollierte Be- und Entlüftung sorgen für behagliche Wärme im Winter und angenehme Kühle im Sommer. Der Wärmebedarf ist so gering, dass die Fußbodenheizung nur vor den Fenstern verlegt wurde. Jede Klasse hat ein eigenes Lüftungsgerät; in jedem Raum wird der CO2-Gehalt gemessen und die Lüftung danach automatisch gesteuert. Die Wartung der Lüftungsgeräte erfolgt vom Gang aus, damit der Unterricht dadurch nicht gestört wird. Um eine Überwärmung an heißen Tagen zu verhindern, gibt es Außenjalousien, die zentral gesteuert werden. Gleichzeitig können sie aber auch individuell in der Klasse eingestellt werden. Eine 28 m² große Photovoltaik-Anlage und eine 50 m² große Solaranlage erzeugen Strom und Warmwasser.

Weichenstellungen in der Bildungspolitik, lobt die Jury des Staatspreises für Architektur und Nachhaltigkeit. „Hier wird vorweggenommen und räumlich manifest, was Schule sein soll und sein wird: eine differenzierte Welt an Lehr- und Lernangeboten, Raum für unterschiedliche Lernatmosphären, Lerngeschwindigkeiten und Gruppengrößen und für das ungehinderte, die Welterfahrung unterstützende Bewegungsbedürfnis von Kindern.“ Die Volksschule Mauth beweise außerdem, dass eine kompakte Form nicht langweilig sein müsse und Erfordernisse der Nachhaltigkeit auch höchsten architektonischen Ansprüchen zu genügen vermögen. (Text: Sonja Bettel)

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