Bauwerk

Hauptbahnhof Salzburg
kadawittfeldarchitektur - Salzburg (A) - 2014
Hauptbahnhof Salzburg, Foto: Angelo Kaunat
Hauptbahnhof Salzburg, Foto: Angelo Kaunat

Umfallen, drüber fahren

Die ÖBB sparen bei der Neustrukturierung des Salzburger Hauptbahnhofs beim Kernstück von Klaus Kadas Siegerprojekt des Wettbewerbs von 1999: Der „urbane Teppich“ zur städtebaulichen Einbindung wurde stark reduziert.

13. Februar 2009 - Norbert Mayr
Da die ÖBB nicht das gesamte Mittelbahnsteig-Ensemble abreißen können, lassen sie die beiden Eisenhallen von 1909 verrücken. Sie sollen nun als historisches Element eines unverwechselbaren Bahnhofs dienen.

Ladislaus Friedrich von Diószeghy, Architekt und Inspektor der k. k. österreichischen Staatsbahnen, schuf 1909 das prägnante, österreichweit einzigartige Ensemble mit stattlichem Mittelgebäude, den beiden Eisenhallen von 25 Metern Stützweite, begleitenden niedrigeren Hallen sowie fingerartigen Bahnsteigdächern.

Beim Wettbewerb für den Salzburger Hauptbahnhof 1999 ignorierten die ÖBB den Denkmalschutz für den Mittelbahnsteig. Später nahm der damalige Präsident des Bundesdenkmalamts Wilhelm Georg Rizzi den Akt an sich. Statt die verkehrstechnischen Behauptungen der ÖBB von einem unabhängigen Gutachter prüfen zu lassen, mutmaßte er 2005 gehorsam: „Der Verzicht auf das Bahnsteigbauwerk dürfte unter den künftigen verkehrlichen und betrieblichen Anforderungen offenbar unvermeidlich sein.“ Somit konnte das Mittelgebäude mit Seitenhalle und Nebengebäuden abgebrochen werden, die beiden Haupthallen sollten „in situ“ erhalten werden.

Dann fiel Rizzi ein zweites Mal um: Die Hallen können abgebaut und versetzt wieder aufgebaut werden. Sie werden dann keinen großzügigen öffentlichen Raum mehr beherbergen sondern zwei Durchgangsgleise. Die ÖBB preisen die Unverwechselbarkeit des künftigen Bahnhofs durch die beiden beeindruckenden Spolien an, die das Architekturbüro Kada Wittfeld routiniert in ihre Konzeption integriert.

Was von den beiden Eisenhallen tatsächlich übrig bleiben wird, wird sich zeigen. Jedenfalls wird sich anstelle des Mittelbahnsteigs der Gleiskörper ausbreiten und der Grund für lukrative Bebauungen an den ÖBB-Grundstücksrändern wachsen. Dazu entwickelten die Architekten für die ÖBB jedenfalls bereits Verbauungsvorschläge von beachtlicher Dichte.

Beim Spatenstich im November 2008 war Klaus Kadas Kernstück des siegreichen Wettbewerbsprojekts 1999 stark geschrumpft. Zur attraktiven Anbindung des Stadtteils Schallmoos hatte der Architekt unter den Gleisen den so genannten „urbanen Teppich“ vorgeschlagen. Dieses großzügige Passagenkonzept mit beidseitiger Ladennutzung ließ eine angenehme, licht durchflutete Atmosphäre erwarten. Die ÖBB beschnitt die Passage dramatisch zum „Teppichresterl“ und degradierte die Schallmooser Hälfte zum gewöhnlichen Durchgang.

In den letzten Jahrzehnten ließen die ÖBB den Bahnhof verwahrlosen, sodass sich verständlicherweise die Öffentlichkeit freut, wenn „irgend etwas“ passiert. Heute erschwert dem Ortsunkundigen das bestehende, verwinkelte Gangsystem die Orientierung, dem Ortskundigen ermöglicht es aber Abkürzungen.

Die ÖBB müssen den „neuen“ Bahnhof mit Stadt und Kunden viel besser vernetzen. Nur die Bahnsteiginsel der S-Bahn soll nämlich mittels Abgang ans Nelböck-Viadukt an der Stadtzentrum-Seite angebunden werden. Dem Bahnbenutzer könnte mit dieser Maßnahme bei drei anderen Bahnsteigen mehrere hundert Meter Umweg erspart werden. Die ÖBB sparen an falscher Stelle.

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