Bauwerk

Parkhotel (vormals: Turmhotel Seeber)
Henke Schreieck Architekten - Hall in Tirol (A) - 2003
Parkhotel (vormals: Turmhotel Seeber), Foto: Norbert Freudenthaler
Parkhotel (vormals: Turmhotel Seeber), Foto: Norbert Freudenthaler

Ein Monument der Moderne

Erweiterung von Lois Welzenbachers Meisterwerk in Hall

Vor Jahren noch vom Abriss bedroht, konnte das «Parkhotel» von Hall in Tirol, eines der raren Zeugnisse für die Hotelarchitektur des Neuen Bauens, überzeugend restauriert werden. Erweitert wurde das historisch wertvolle Gebäude durch einen Hotelturm der in Wien tätigen Architekten Dieter Henke und Marta Schreieck.

22. Mai 2004 - Hubertus Adam
Es war weder Adolf Loos noch Josef Frank oder Ernst Anton Plischke, sondern der weniger bekannte Lois Welzenbacher, der 1932 die zeitgenössische Architekturavantgarde Österreichs im Rahmen der legendären Ausstellung «Modern Architecture» des MoMA repräsentierte - und zwar mit einem Wohnblock in Innsbruck. Tatsächlich zählt der 1889 in München geborene und dort an der Technischen Hochschule unter Theodor Fischer ausgebildete Architekt, welcher seit 1922 in Innsbruck praktizierte, zu den Vertretern seines Berufsstands, die sich am konsequentesten mit dem formalen Repertoire des «Neuen Bauens» auseinandersetzten und doch zu einer unorthodoxen Haltung fanden. Das Haus Heyrovsky, das Welzenbacher 1932 bei Zell am See über einem durch zwei sich schneidende Kurven gebildeten Grundriss errichtete, zählt mit seiner dynamischen Eleganz zu den Meisterleistungen einer organisch verstandenen Moderne.


Moderne Hotels im Alpenraum

Schon ein Jahr zuvor war in Hall in Tirol ein anderes Hauptwerk des Architekten fertig gestellt worden: das «Parkhotel Seeber», eines der wenigen Beispiele zeitgemässer Hotelarchitektur der zwanziger und dreissiger Jahre im Alpenraum. Auch wenn die Ideologie der Moderne mit ihrer Forderung nach Licht, Luft und Sonne, ihrer Verwurzelung im Hygienediskurs und ihrem Leitbild des sportlich aktiven Menschen einer touristischen Neuorientierung nach der Belle Epoque durchaus entsprach, wagten - kaum anders als heute - nur wenige Hotelbetreiber den formalen Bruch mit der zum baulichen Klischee geronnenen Alpenidylle. Zu den Ausnahmen zählten um 1930 Arnold Ittens Doppelhotel «Alpina-Edelweiss» in Mürren, Emil Fahrenkamps Hotel auf dem Monte Verità in Ascona, Gio Pontis «Albergo Sportivo Valmartello» in Südtirol, Franz Baumanns Hotel «Monte Pana» auf der Seiser Alp, das Welzenbacher-Hotel in Hall sowie die gattungsmässig verwandten Bauten des jüngst vorbildlich restaurierten Kurhotels «Bella Lui» in Crans-Montana von Rudolf Steiger und Flora Steiger-Crawford oder des Zürcher Kurhauses von Rudolf Gaberel in Davos Clavadel.

Anders als Ponti oder Baumann indes realisierte Welzenbacher sein Projekt nicht in der Abgelegenheit des Hochgebirges, sondern in einem urbanen Kontext, unmittelbar nördlich des Altstadtkerns der sechs Kilometer flussabwärts von Innsbruck gelegenen Stadt Hall in Tirol. Das Kurhaus, das der Architekt Hans Illmer - auch er ein Schüler Theodor Fischers - 1930 in einer zwischen Neoklassizismus und Moderne oszillierenden Diktion errichtet hatte, stand für den Versuch der Stadt, als Thermalsolebad und Wintersportort neue Besucherschichten zu erschliessen; Welzenbachers direkt hinter dem Kurhaus gelegenes Turmhotel komplettierte ein Jahr später die touristische Infrastruktur.

Nach verschiedenen Umbauten setzte mit der Schliessung der Saline 1967 auch der Niedergang des Hotels ein. Dreissig Jahre später erwarben die Stadtwerke Hall den heruntergewirtschafteten Welzenbacher-Bau. Es ist dem unermüdlichen Engagement der Wiener Architekten Inge Andritz, Feria Gharankhanzadeh und Bruno Sandbichler zu verdanken, dass eines der bedeutendsten baulichen Zeugnisse aus der Zeit der österreichischen Ersten Republik bewahrt werden konnte und dem drohenden Abriss entging. Die Initiative «Lois Welzenbacher - eine Chance für Tirol» fand in Fachkreisen Gehör, aber auch in der Stadt Hall selbst, und so entschlossen sich die Stadtwerke Hall, im Sommer 2001 einen Wettbewerb auszuschreiben. Ziele waren die Sanierung und die Revitalisierung des (seit längerem als Veranstaltungszentrum genutzten) Kurhauses und des Welzenbacher-Hotels sowie die Ergänzung des Ensembles durch Räumlichkeiten, die den Betrieb eines Viersternehotels mit Konferenzzentrum ökonomisch tragfähig machen würden. Zur Ausführung kam indes massgeblich auf Initiative der Betreiber nicht der mit dem ersten Preis bedachte Entwurf von Gerold Wiederin und Andrea Konzett, sondern das zweitrangierte Projekte von Dieter Henke und Marta Schreieck.

Zweifellos hatte Wiederin mit seinem Konzept die architektonisch sensiblere Lösung vorgelegt: Die geforderten zusätzlichen Hotelzimmer und Funktionsräume sollten in einem separaten Baukörper gebündelt werden, der die Abfolge von Kurhaus und Parkhotel als dritter Solitär fortgesetzt hätte und nur unterirdisch mit diesem verbunden worden wäre. Die dadurch entstehenden betriebstechnischen Probleme führten schliesslich zur Entscheidung, den kompakteren Entwurf von Henke & Schreieck umzusetzen. Die Wiener Architekten nutzten eine eingeschossige, pavillonähnliche Struktur, welche Kurhaus und Welzenbacher-Hotel miteinander verbindet und sich nördlich von diesem zum neuen, von Konferenzräumen umgebenen Hotelfoyer weitet. Darüber erheben sich die sieben Geschosse eines leicht konischen, sich von Stockwerk zu Stockwerk weitenden Hotelturms, der mit seinen 25 Metern den Welzenbacher-Bau leicht überragt. Die eigentliche Glasfassade verbirgt sich hinter umlaufenden Lamellenringen; sie dienen als Brisesoleils, verleihen dem Gebäude aber auch eine einheitliche Optik und unterstützen seine geometrische Körperhaftigkeit. Trotz der Nähe zum restaurierten Hotelturm von 1931 erscheint der Ergänzungsbau nicht aufdringlich; vom Stadtkern aus gesehen wirkt er wie eine Folie, vor der sich das neu erstrahlende Weiss des alten Hotels abhebt.


Geschwungene Volumen

Mag die Doppelturmstrategie auch gewöhnungsbedürftig sein, mag die Einbindung des Hotels auf Erdgeschossebene auch den ursprünglichen Intentionen des Architekten widersprechen: Die Wiedergewinnung des Welzenbacher- Hotels in seiner früheren Gestalt ist ein Gewinn. Denn das Äussere war lediglich in verstümmelter Form über die Jahrzehnte gekommen und liess nur noch einen schwachen Abglanz des ursprünglichen Baus erkennen. Jetzt hat man die seitlich bis zu zweieinhalb Meter überstehenden Balkone rekonstruiert, die so versetzt an der West-, Süd- und Ostseite des Turms angeordnet sind, dass eine Spiralbewegung entsteht, welche das ohnehin leicht geschwungene Volumen in virtuelle Bewegung versetzt. Die Drehbewegung kulminiert in der nun ebenfalls rekonstruierten Dachterrasse.

Als ein strahlendes Fanal der Moderne erhebt sich der Turm von Welzenbachers Parkhotel nördlich der wohlerhaltenen Altstadt von Hall, und er wirkt höher, als er mit seinen sechs Geschossen und gut zwanzig Metern in Wahrheit ist. Die Weiternutzung erforderte die unvermeidlichen Eingriffe: So wurden aus jeweils drei Zimmern zwei, um Platz für Bäder zu schaffen. Grundsätzlich haben Henke & Schreieck all dies mit Geschick und Respekt getan. Zu den 24 Zimmern des Altbaus passt das klassisch-moderne Mobiliar, während die 35 Zimmer des neuen Turms auf angenehme Weise zeitgemässen Designer-Chic ausstrahlen. Geschosshohe Verglasung entschädigt hier für die Balkone, die sich nur am Altbau finden. Und die Ringsumorientierung des neuen Turms stört nicht, da sich in alle Richtungen attraktive Ausblicke ergeben: auf den Welzenbacher-Bau, auf die Altstadt von Hall, auf das Inntal und auf das Massiv der Nordkette.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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