Bauwerk

Präsentationszentrum
Hugo Dworzak - Lauterach (A) - 2002
Präsentationszentrum, Foto: Craig Kuhner
Präsentationszentrum, Foto: Craig Kuhner

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Ein Haus wie ein Flugzeugrumpf. Der Flugzeugrumpf - ein Haus. Hugo Dworzak hat in Lauterach ein Präsentationszentrum für eine Wohnbaugesellschaft geplant. Über die „Verwirklichung eines nicht wirklichen Ortes“.

21. Dezember 2002 - Liesbeth Waechter-Böhm
Wer die Vorarlberger Architektur kennt, der weiß, daß sie sich normalerweise nicht auf die expressive „Schräge“ einläßt. Ein forciert zeitgenössischer Ausdruck ja, aber immer unter dem Vorzeichen der Angemessenheit der Mittel und der Gebäudeökonomie. Da paßt die „Schräge“, um bei diesem Bild zu bleiben, meistens nicht hinein: Denn sie ist in den seltensten Fällen die kürzeste Verbindung zwischen Leistung und Preis.

Hugo Dworzak nimmt sich mit seinen Bauten in diesem Umfeld insofern ein wenig exotisch aus. Er hat zwar auch eine kleine Totenkapelle gebaut, die ganz schlicht, ganz ruhig, dabei von berührender atmosphärischer Dichte ist. In der Regel sucht er in seinen Bauten jedoch eher den spezifischer inszenierten, den irgendwie „weltläufigen“ Auftritt.

Für seinen „Terminal V“ in Lauterach gilt das in ganz besonderem Maß: Dieses Gebäude-„Objekt“ ist eindeutig nicht aus dem Vorarlberger Boden gewachsen, es macht vielmehr den Eindruck, als sei es nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich von ziemlich weither angeflogen und nur vorübergehend gelandet. Tatsächlich ist die Flugzeugmetapher im Zusammenhang mit dem Haus gar nicht so falsch. Denn diese „bauchige“ Architektur mit ihrer glatten, silbrigen Fiberglashaut aus vorgefertigten Sandwichteilen und der leuchtend roten Freitreppe, die wie eine Gangway ins um ein Geschoß vom Boden abgehobene Gebäude hinaufführt, die hat wirklich etwas von einem Flugobjekt. Zumindest von einem Flugzeugrumpf.

Der Bauherr, die Hefel Wohnbau AG, war bisher gleich nebenan, in einem ganz unauffälligen, konventionellen dreistöckigen Bürobau zu Hause. Und dieser Umstand ist auch jetzt noch sichtbar in Szene gesetzt: Denn das neue Haus wurde an einen - ebenfalls leuchtend roten - „Pier“ angedockt, an einen Gang auf der Ebene des ersten Obergeschoßes, der die beiden Bauten verbindet.

Das neue Haus hatte neben 20 Büroarbeitsplätzen vor allem ein großes „3-D-Präsentationszentrum“ aufzunehmen. Darunter muß man sich einen Raum vorstellen, in dem mit modernster Technologie Wohnwelten visualisiert werden, die es in Realität noch gar nicht gibt. Das ist natürlich faszinierend. Und für jene, die auf Wohnungssuche sind, aber Schwierigkeiten haben, sich lediglich auf Grund von Plänen ihr möglicherweise künftiges Domizil vorzustellen, für die ist es auch eine höchst konstruktive Hilfestellung. Ich selbst konnte bei meinem Besuch die Demonstration einer solchen virtuellen Wohnwelt leider nicht miterleben, aber allein was sich mit der (unsichtbaren) Lichtinstallation der Firma Zumtobel, die dieses Zentrum ebenfalls nutzt, an unterschiedlichen Stimmungen in diesem Raum herstellen läßt, ist beeindruckend.

Man muß sich diesen Gebäudeinhalt vergegenwärtigen, um den architektonischen Ausdruck des Hauses zu verstehen. Der „schwangere Bauch“, der sich so auffällig aus dem Bürotrakt schiebt, der enthält all jene innovative Technik, die das Herzstück des „Terminals V“ bildet. Auch seine Form verdankt sich den technischen Gegebenheiten, die sich hinter den halbrunden Projektionsflächen im geschlossenen Gebäudebereich verbergen. Im langgestreckten Raumteil mit den leicht nach außen gekippten Wänden, wo sich die Besucher aufhalten, da sind dann - wie im Passagierraum eines Flugzeuges - Fenster, die sich aber vollständig abdunkeln lassen.

Der Weg zu den Büros und die Büros selbst sind hingegen ganz offen und lichtdurchflutet, flexibel, sodaß sie sich auch veränderten Bedürfnissen anpassen lassen, und sehr elegant. Draußen setzt Hugo Dworzak mit einem leuchtenden Rot und einem strahlenden Orange ganz gezielt Farbakzente, die den technoiden Charakter seiner fast organisch, jedenfalls kantenlos und „windschlüpfrig“ geformten Gebäudehülle erst so richtig zur Wirkung bringen.
Drinnen dominiert hingegen die Nichtfarbe Schwarz. Das ist im Technikzentrum ohnedies wichtig, weil sonst die „Virtual Reality“ durch die „Reality“ irritiert würde, es zeigt aber obendrein wieder einmal, welche wunderbar farbigen Facetten das Tageslicht spielt, wenn es in nichtfarbige Räume fällt. Übrigens ist nicht alles so ganz „virtuell“ im Haus, wie es nach dieser Beschreibung möglicherweise erscheint. Im Untergeschoß sind durchaus handfeste, nämlich real möblierte Wohnkonzepte präsentiert. Und hier finden gegebenenfalls auch die eher geselligen Randereignisse rund um den Verkauf der Ware Wohnung statt. Möglicherweise erklärt sich der nachträglich eingeforderte direkte Ausgang ins Freie von dieser (auch nächtlichen) Nutzung her.

Es ist sicher keine alltägliche Aufgabe, mit der Hugo Dworzak bei der Planung des „Terminals V“ konfrontiert war. Und er hat sie ja auch nicht alltäglich gelöst. Aber das war offensichtlich ganz im Sinn des Bauherrn, der zwar einen Wettbewerb ausgeschrieben hat, dabei seine Formulierung des Programms aber, abgesehen von einem Minimum an Nutzungsvorgaben, weitgehend offen gehalten hat. Damit war schon von vornherein die Aufforderung an die beteiligten Architekten gerichtet, über herkömmliche Lösungen hinauszudenken. Und tatsächlich: Ein - nennen wir es vielleicht ein wenig überzogen - architektonisches Gesamtkunstwerk wie dieses ist anders wohl gar nicht zu realisieren.

Ein Haus wie ein Flugzeugrumpf. Der Flugzeugrumpf - ein Haus. Wie gesagt, die Besonderheit der Aufgabenstellung rechtfertigt die Besonderheit der Lösung. Hugo Dworzak spricht in einem eigenen Text davon, daß sein Konzept auf die „Verwirklichung eines nicht wirklichen Ortes“ abzielt, daß der Besucher schon bei seiner Ankunft aus der vertrauten Umgebung herausgeholt und in ein neues, nicht an den Ort gebundenes Environment geschleust werden soll. Wunderbar daran ist, daß dieses Konzept umgesetzt werden konnte und daß es nicht nur in seinen virtuellen Aspekten funktioniert. Denn wie selbstverständlich, irgendwie nebenbei entspricht es auch all den ganz herkömmlichen Erfordernissen und Abläufen, die sich in der Alltagspraxis ergeben.

Und irgendwie spiegelt sogar die Fiberglashülle, diese verführerische Gebäudekarosserie, die Unvermeidlichkeit des Austausches zwischen Virtualität und handfester Realität. Fiberglas ist ein Material, das sich in Europa nie so recht durchgesetzt hat. Dabei kann es viel, und wenn es um hochtechnoide visuelle Signale geht, dann ist es kaum zu übertreffen. Aber hergestellt wird es in reiner Handarbeit.

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