Bauwerk

Sanierung Bürogebäude Schanzstraße
ostertag ARCHITECTS - Wien (A) - 2018
Sanierung Bürogebäude Schanzstraße © BMNT / Kurt Hörbst

Staatspreis Architektur & Nachhaltigkeit 2019

31. Juli 2019 - newroom
Mehrere Jahre stand die Zweigstelle der Auktionsanstalt Dorotheum leer. Davor hatte sie nach Aufgabe des Pfandleihbetriebs die Stadt Wien gekauft und jahrelang als Depot des Wien Museums genutzt. Sie gehört zu jener Art von Gebäuden, die sich ob ihres Zuschnitts auf eine sehr individuelle Nutzung nicht so einfach in herkömmliche Verwertungsszenarien einordnen lassen. Ein Umstand, der aus Argumenten wirtschaftlicher, funktionaler oder technisch-normativer Natur gern zu Überformungen des historischen Bestandes führt. Dem Architekturbüro ostertag hingegen gelang es, die Nutzungsänderung mit den Spezifika eines außergewöhnlichen Bestands in Einklang zu bringen. Errichtet wurde das Gebäude 1926/27 nach Plänen von Michael Rosenauer.

Er entwarf in Wien unter anderem diverse Villen, Gemeindebauten und die bis heute als solche genutzte Dorotheum-Zweigstelle in Favoriten. 1928 emigrierte Rosenauer nach London, wo er seine Karriere erfolgreich fortsetzen konnte. Das Europäische Headquarter des Time-Life-Verlags in der Bond Street (1953) mit Fassadenskulpturen von Henry Moore ist sein bekanntestes Gebäude.

Modern und einzigartig

Die betonte Modernität der Londoner Jahre kündigt sich beim Auktionshaus in der Schanzstraße bereits in der Fassade an. Sie wurde nach dem damals neuartigen Contex-Verfahren hergestellt, bei dem durch Behandlung der Schalung mit einer den Zement ausätzenden Säurelösung eine waschbetonähnliche Oberfläche entsteht. Die fast fünf Meter hohen Lagergeschoße stattete Rosenauer mit tischartig in den Raum gestellten Etagen aus, die – abgestimmt auf die Reichweite eines Mannes – eine effizientere Manipulation mit dem Pfandgut gestatteten als raumhohe Regale. Die großen Fenster und die so in ganzer Höhe freibleibenden Gänge sorgten für gute Belichtung und Luftigkeit.

Naheliegend also, dass das mächtige Gebäude, an das ein Gemeindebau aus der Feder Michael Rosenauers anschließt, aufgrund seiner architektonischen Qualität und seiner einzigartigen räumlichen Disposition unter Denkmalschutz steht. Dass hier mit einer herkömmlichen Büro- oder Wohnnutzung kein Staat zu machen ist, war der neuen Eigentümerschaft und Architekt Markus Ostertag von Anfang an klar. „Unser Ziel war es, zwischen dem Erhalt eines Architekturdenkmals und seiner respektvollen Sanierung ein Konzept einer subtilen Weiterinterpretation des Gebäudes zu entwickeln“, formulieren sie ihren Anspruch.

„Für diese spezielle Architektur eine Nutzung zu finden, war schwierig“, erinnert sich der Architekt. Es brauchte Mieterinnen und Mieter mit Empathie für den historischen Bestand sowie der Fähigkeit, mit außergewöhnlichen Raumkonfigurationen umzugehen. Man fand sie in Unternehmen aus dem Kreativbereich und Start-ups, die nun die Obergeschoße mit neuem Leben erfüllen. Eine Galerie und ein Restaurant bespielen das Erdgeschoß, womit das Gebäude nun wieder für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich ist und mit seinem Angebot das Stadtquartier bereichert.

Achtsam saniert

Mit Rücksichtnahme auf die Beibehaltung der Authentizität des Gebäudes wurde die Sanierung in Abstimmung mit dem Denkmalamt in Angriff genommen. Die Fassade erfuhr nur eine Reinigung und blieb so gut wie unverändert erhalten. Zu verdanken ist dies der Innendämmung aus Schaumglasplatten in Kombination mit einem ausgeklügelten Doppelfassadensystem.

Das Gros der Interventionen konzentriert sich also auf das Innere. Hier lag die größte Herausforderung darin, die Raumstruktur möglichst nachvollziehbar zu belassen, sie zugleich aber gemäß den heutigen Anforderungen der Bauordnung zu ertüchtigen. Im Sinne einer höheren Praktikabilität und Anpassungsfähigkeit an verschiedene Nutzungsszenarien öffnete man bei den eingestellten Etagenkonstruktionen jedes zweite Deckenfeld.

Zwecks Erhalts des markanten Charakters der Deckenkonstruktionen erhielten diese an der Unterseite der Stahlbetonunterzüge eine nahezu unsichtbare Verstärkung aus Kohlefaserlamellen (eine Technologie aus dem Brückenbau) sowie zusätzlich eine Brandschutzbeschichtung. Ein neues Schächte-System für Lüftungs- und Versorgungsleitungen ermöglicht eine flexible Anordnung der Büros. Die äußeren Eisenrahmenfenster wurden saniert und minimal gekürzt, um oben und unten Belüftungsschlitze zu schaffen. Der Raum zwischen den denkmalgeschützten Fenstern und den innen neu eingesetzten gedämmten Stahlfenstern mit Dreifach-Isolierverglasung wird zur hinterlüfteten Fassade. Der im Zwischenraum angebrachte Sonnenschutz ist hochwirksam, ohne das äußere Erscheinungsbild zu beeinträchtigen.

Auf der neuen hinterlüfteten und gedämmten Holzkonstruktion über der obersten Geschoßdecke entstand ein höchst attraktiver Dachgarten mit für das Stadtklima geeigneten Pflanzen. Seine Pergola wurde so gebaut, dass sie eine Photovoltaikanlage aufnehmen könnte, und steht – bei bestem Ausblick über die Stadt – symbolisch dafür, dass das Gebäude gut für die Zukunft gerüstet ist. (Text: Staatspreis Architektur & Nachhaltigkeit 2019)

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