Bauwerk

Villa Garbald - Erweiterung
Miller & Maranta - Castasegna (CH) - 2001

Dialog mit Gottfried Semper

Ein Neubau von Miller & Maranta in Castasegna

1. März 2002 - Roman Hollenstein
Das Bergell ist nicht nur eine malerische Landschaft. Hier finden sich neben alten Dörfern und Palästen auch eigenwillige Herrensitze wie der neomaurische Palazzo Castelmur in Coltura und selbstbewusste Bürgerhäuser wie die Villa Garbald in Castasegna. Dieses 1862 von Gottfried Semper für den Zolldirektor Agostino Garbald als mediterrane Casa rustica konzipierte Gebäude mit offenem Solaio, mit Rebpergola und südländischem Garten verkam nach dem Tod von Manfred Garbald, dem Sohn des einstigen Auftraggebers, immer mehr. Doch dann gelang es der 1955 ins Leben gerufenen und 1997 neu formierten Fondazione Garbald, mit der ETH Zürich einen Nutzungsvertrag abzuschliessen, der vorsieht, die Villa als Aussenstation zu betreiben und hier ein Seminarzentrum einzurichten. Damit konnte die Zukunft des einzigen Semper-Baus südlich der Alpen langfristig gesichert werden.

Das ehrgeizige Projekt macht aber einen Erweiterungsbau nötig, für den es Platz am Rand des Gartens gibt, wo jetzt noch eine Scheune steht. Im Herbst letzten Jahres wurde ein Wettbewerb unter fünf renommierten Architekturbüros - Clavuot aus Chur, Gianola aus Mendrisio, Meili & Peter aus Zürich, Miller & Maranta aus Basel sowie Ruinelli & Giovanoli aus Soglio - durchgeführt. Gekürt und zur Weiterbearbeitung empfohlen wurde das nach den alten Vogelfangtürmen benannte Projekt «Roccolo» von Miller & Maranta, das sich durch eine wehrhafte Turmform auszeichnet. Damit verzichtet der Bau darauf, sich der Semper-Villa anzubiedern, setzt sich aber wie diese mit der südalpinen Architektur auseinander, transponiert die Vorbilder in eine zeitgemässe Sprache und nimmt damit sowohl urbanistisch als auch architektonisch einen Dialog mit dem dörflichen Kontext auf. Dass die hochkarätige Jury richtig entschieden hat, lässt sich gegenwärtig in der Stadtgalerie Chur überprüfen, wo alle fünf Projekte präsentiert werden.

Die denkmalpflegerisch restaurierte Villa und der Erweiterungsbau sollen im kommenden Jahr im Hinblick auf Sempers 200. Geburtstag eröffnet werden. Der grosse Architekt wäre bestimmt zufrieden mit der Ergänzung: zum einen weil in ihr der Grundriss seiner Villa raffiniert variiert wird, zum andern weil sich der Neubau harmonisch in sein kleines Gesamtkunstwerk einfügen wird.

[ Bis 10. März in der Stadtgalerie im Rathaus Chur. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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