Bauwerk

Otto Wagner Spital mit Pflegezentrum, Umbau Pavillon 9 - Geriatrie
RUNSER / PRANTL architekten - Wien (A) - 2001
Otto Wagner Spital mit Pflegezentrum, Umbau Pavillon 9 - Geriatrie, Foto: Margherita Spiluttini
Otto Wagner Spital mit Pflegezentrum, Umbau Pavillon 9 - Geriatrie, Foto: Margherita Spiluttini

Apotheken schreinern im Wagner-Spital

Alexander Runser und Christa Prantl erheben Menschenwürde und Effizienz zum Planungsdogma.

6. Juli 2002 - Ute Woltron
Alte, riesige Linden und Kastanienbäume sind das raumbildende Mobiliar Am Steinhof in Wien, also dem riesigen Krankenhausareal, das nun zu Otto-Wagner-Spital umgetauft wurde. Hier stehen nicht die Bäume zwischen den Häusern, sondern die einzelnen Spitalspavillons liegen irgendwo versteckt zwischen den grünen Riesen. Alles ist sehr still und ruhig, auch die alten Architekturen atmen eher Frieden und Besinnlichkeit, fast schon zauberberghafte Morbidität. Jedenfalls im Vergleich zu vielen zeitgenössischen Krankenhausgebäuden mit ihren schon im Gebauten demonstrierten hochtechnologisierten Lebensrettungsmaschinerien.

Alles, fast alles hat seine Berechtigung. Im Falle des Otto-Wagner-Spitals ist es nicht ein moderner Neubau, sondern die Revitalisierung heute denkmalgeschützter alter Gemäuer, die einmal die Hüllen der modernsten Anstalt für Geistes- und Nervenkranke Europas bildeten. 1907 wurde diese gewaltige weitläufige Anlage am Rande Wiens eröffnet, an den Lageplan legte unter anderem Otto Wagner Hand an, die einzelnen Pavillons ähneln einander stark, und sie unterscheiden sich doch durch viele Details, durch Raumgrößen etwa oder die Lage und Breite von Gängen.

Fünf dieser Pavillons wurden in den vergangenen Jahren von verschiedenen Architektenteams analysiert und behutsam revitalisiert, einer davon, die Nummer 9, beherbergt das Geriatrische Zentrum und somit einen Lebens- und nicht nur Liegeraum für alt gewordene Menschen. Die Wiener Architekten Alexander Runser und Christa Prantl zeichnen für diesen erst vor kurzem fertig gestellten Umbau verantwortlich, und sie haben sich offensichtlich lange und sorgfältig in die Lebenslage der Pavillon-9-Benutzer versetzt, bevor sie den Umbau begannen. Der Begriff Benutzer bedeutet in diesem Fall natürlich zum einen die alten Patienten und Patientinnen, zum anderen aber auch das Spitalspersonal, das die oft sehr lange Zeit hier Stationierten betreut.

Runser und Prantl respektierten zwar den - ohnehin in den strengen Zwängen des Denkmalschutzes gefangenen - alten Hauscharakter, bliesen aber mit ihren sachten Adaptionen den üblichen Spitalsmief aus Zimmern und Hallen. Um von außen zu beginnen: Hier wurde die historische Fassade nach allen Finessen der Denkmalpflege gebürstet, geputzt, geschlämmt und wiederhergestellt. Das Sichtziegelmauerwerk leuchtet trotzdem nicht zu grellrot, der Anstrich dazwischen bleibt dennoch dezent. Die einzig wirklich gravierende Änderung stellt die Verlängerung der Veranda im Erdgeschoß dar, das eigentlich das erste Geschoß ist, will man sinnvollerweise das unterste nicht als Keller- sondern als Gartengeschoß bezeichnen.

Die Veranden der Pavillons liegen vor den früher so genannten Tagesräumen, durch die Verlängerung sind sie fürderhin nicht mehr nur von diesen, sondern auch vom Gang aus zu betreten, und kommen somit allen Patienten zugute, die ein bisschen lustwandeln, frische Luft schnappen und im Freien sitzen, das Gebäude aber lieber nicht verlassen wollen. Prantner und Runser überlegten kurz, ob sie das aufwändige, lindgrün gestrichene Eisengeländer in reduzierter Form und abstrahiert neu erfinden sollten, entschieden sich aber dann dafür, die für die Verlängerung erforderlichen Teile einfach nachbauen zu lassen. Das tut weder dem alten Haus weh, noch stört es das Klima der neuen Architektur.

Die spielt sich naturgemäß vor allem im Inneren des lang gestreckten, vom Grundriss her E-förmigen Baukörpers ab und empfängt den Besucher bereits vor dem Eintreten: Direkt neben dem alten Haupteingang fräst sich vorsichtig ein nicht allzu großer Glaskubus in die alte Fassade, ein transparenter Warteraum im Grünen, an das Alte geduckt, vom Hausinneren zu betreten, ein Zimmer mit guter Aussicht. Was sofort auffällt: Auch drinnen riecht es überall nach Park und nicht nach Medizin, und es gibt viel Holz. Sehr schönes und sehr schön verarbeitetes Ulmenholz. Tatsächlich ist es enorm schwierig, die komplizierten, für jedes Haus strapaziösen Abläufe einer Krankenhausstation in eine zum einen gut benutzbare und zum anderen auch fesch anzuschauende Gestaltung zu gießen. Runser und Prantl haben hier wie für eine überdimensionierte Apotheke mit angeschlossenen Wohnungen gearbeitet und diese ungeheuer planungsintensive Feinschreinerei in ein stimmiges, klares Gesamtkonzept eingepasst.

Lichtbänder hellen die alte Substanz freundlich auf, die Liftanlage öffnet sich nicht zum Seiten-, sondern zum Hauptgang hin, wo das Personal den Überblick behält, hinter Holzpaneelen liegen Schächte gekonnt verborgen. Was an Installation außen geführt werden muss, wurde hinter einer der Lichttechnik entliehenen Kabeltasse versteckt. Zu den Seiten des Gebäudes hin wird der Charakter dieser Architektur immer familiärer: Man betritt das Haus in der Mitte, dort befinden sich auch sofort, wie üblich, die Stationen für Schwestern, Pfleger, Ärzte, nach links und rechts führt der Gang zu den Krankenzimmern, ganz außen liegen, von unnötigen Mauern und anderen Hindernissen befreit, die Aufenthaltsräume für die mobilere Patientenklientel. Sehr freundlich gemacht, man darf sogar sagen, liebevoll durchkomponiert, mit größeren freistehenden maßgefertigten Tischen für kommunikative Grüppchen und mit kleineren, klappbaren Tischlein an den Außenwänden für Leute, die ihre Ruhe haben, lesen, nachdenken wollen.

Die einzelnen Patientenzimmer sind geschickt und natürlich stets rollstuhltauglich möbliert. Und überall regiert das Ulmenholz. Die Bäder: reduziert, fein, platingrau, funktional. Zum Beispiel ein von den Architekten entworfenes, standardisiertes Spiegel-Leuchte-Waschtisch-Element macht fein was her, es half andererseits aber, das Kostenlimit einzuhalten.

Apropos Geld: Die Baukosten betrugen 5,2 Millionen Euro, die Bauzeit knapp eineinhalb Jahre. Was an Substanz erhalten werden konnte, blieb, wie etwa die Fußbodenfliesen oder die Terrazzoabschlüsse zwischen Wand und Boden. Erstere wurden vor dem eigentlichen Umbau vorsichtig herausgehoben, ausgebessert und wieder verlegt. Zweitere wurden ebenfalls restauriert und dort ergänzt, wo Mauern versetzt oder neue Wände eingezogen wurden. Runser und Prantl über ihr Konzept: „Was vorher finster, dunkel, wie ein Gefängnis war, wurde hell und freundlich. Wir wollten nicht nur die Räume, sondern das gesamte Milieu des Krankenhauses verändern.“

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