Zeitschrift

TEC21 2008|19
Film und Architektur
TEC21 2008|19
TEC21 2008|19
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Es ist eine einfache Gleichung – der Vorzug des einen Mediums ist das Manko des andern: Die Architektur wünscht sich die Illusion des bewegten, der Film die des begehbaren Raums. Schon in den frühesten Filmen entwarfen Architekten das Set – Hans Poelzig etwa in «Der Golem, ...» (1920). Der Architektensohn Sergej Eisenstein schuf mit «Panzerkreuzer Potemkin» (1925) ein oft zitiertes Werk: Terry Gilliam spielte in «Brazil» mit dem eine Freitreppe herabstürzenden Kinderwagen auf die analoge Szene auf der «Potemkinschen Treppe von Odessa» an (siehe «Filmglossar»). Emotional lud Eisenstein den Film auf, indem er sich des Kuleschow-Effekts bediente. Wie sich Architekten an dieser Montagetechnik versuchen, zeigt der Artikel «Berührungen».

Als Vehikel, um Neues Bauen mit Neuem Sehen zu verbinden, diente das Medium Film. In «Marseille Vieux Port» (1929) inszenierte László Moholy-Nagy den Pont Transbordeur als ingenieurtechnische Meisterleistung. Dabei nahm er die «Architekturmaschine» als einen «überdimensionierte(n) Lichtmodulator» ins Visier.[1]

Im Herbst 1928 traf Le Corbusier in Moskau Eisenstein. Dieser zitierte den Architekten: «It seems to me that in my creative work I am thinking the way Eisenstein is thinking as he creates his movies.»[2] Der Einfluss manifestierte sich in der Villa, die Le Corbusier für Charles de Beistegui in Paris 1930–1932 realisierte – nicht nur wegen des Filmprojektionsraums, sondern auch, weil das Haus, verdoppelt durch ein Periskop, selbst zur Filmkamera wurde. Brian de Palma übernahm die Idee – mit John Lautners Chemosphere-Haus (1960). Die «homerische Dachlandschaft»[3] der Unité d’habitation in Marseille hingegen mag Godard bewogen haben, die Odysseus-Schlussszene in «Le mépris» auf dem Dach der Villa Malaparte zu drehen (siehe «Filmglossar») ...

Jean Nouvel betont allgemein den Einfluss des Films auf seine Bauten, Bruce Goff konkretisierte die Inspirationsquellen: Langs «Metropolis» und Wienes «Cabinet des Dr. Caligari».[4] Derweil Rem Koolhaas überhaupt erst vom Film zur Architektur kam ... Und doch: Obwohl die Gebrüder Lumière bereits 1903 mit dem Kurzfi lm «L’Arrivée d’un Train» in 3 D experimentierten und man sich heute dank IMAX-Technologie selbst als Teil des Filmgeschehens wähnt, steckt die Dynamisierung der Architektur mit filmischen Mitteln noch in den Kinderschuhen (siehe «Architektur filmisch animiert»).
Rahel Hartmann Schweizer

Anmerkungen:
[1] Jan Sahli: Filmische Sinneserweiterung – László Moholy-Nagys Filmwerk und Theorie. Schüren Verlag, Marburg 2006, S.14
[2] Sergei Eisenstein: Novaia klientura gospodina Korb’zu’e’. Sovjetskii ekran, Nr. 46/1928, S.5, zitiert nach: Oksana Bulgakowa: Eisenstein, the Glass House and the Spherical Book – From the Comedy of the Eye to a Drama of Enlightenment. Rouge, Nr. 7/2005
[3] Roman Hollenstein: «Südländische Traumgärten», in NZZ, 10. Nov. 2004
[4] David Gilson De Long: Bruce Goff – Toward Absolute Architecture. The MIT Press, 1988, S.9

05 WETTBEWERBE
Oberer Leonhard, ETH Zürich

14 MAGAZIN
LACMA: Erweiterungsbau als Chance | Wohnen in der zweiten Lebenshälfte | Internationale Passivhaustagung

24 BERÜHRUNGEN
Doris Agotai
Die Faszination für den Film ist so alt wie das Medium selbst. Woran liegt es, dass sich Architekten immer wieder für den Film interessieren, Beispiele aus Filmen zitieren oder selbst Filme drehen möchten?

29 ARCHITEKTUR FILMISCH ANIMIERT
Doris Agotai
Die Architektur arbeitet heute zunehmend mit Animationen, die technisch dem Film sehr nahe stehen. Doch das Potenzial der Verflechtung von Film und Architektur ist noch nicht ausgeschöpft.

33 FILMGLOSSAR
Jean-Claude Campell/Red.
Welch herausragende Rolle Regisseure der Architektur immer wieder einräumen, vermittelt dieses Glossar. Es illustriert, auf wie vielfältige Art und Weise Architektur das Filmschaffen prägt.

43 SIA
Tücken des CE-Kennzeichens | Bauhandwerker-Pfandrecht

46 PRODUKTE

61 IMPRESSUM

62 VERANSTALTUNGEN

teilen auf

Weiterführende Links:
Verlags-AG der akademischen technischen Vereine

Tools: