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TEC21 2008|23
In Grund und Boden
TEC21 2008|23
TEC21 2008|23
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Belastete Standorte: Kostenfalle vermeiden

Wenn sich der Standort für ein Bauvorhaben als schadstoffbelastet entpuppt, kann dies kostspielige Verzögerungen im Baubewilligungsverfahren oder während der Ausführung und hohe Kosten für die Entsorgung belasteter Materialien nach sich ziehen. Es empfiehlt sich daher, die Belastungssituation des Untergrundes sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen so früh wie möglich abzuklären.

Erste Informationsquelle für die Abklärung einer allfälligen Schadstoffbelastung eines Standortes sind die in jedem Kanton der Schweiz erstellten (oder noch in Bearbeitung befindlichen) Kataster der belasteten Standorte (KbS). Diese Kataster sind öffentlich zugänglich und können in vielen Kantonen via Internet konsultiert werden. Aus dem KbS ist ersichtlich, ob ein Eintrag als Deponie-, Industrie- oder Unfallstandort vorliegt und ob zusätzliche Abklärungen zu treffen sind.

Im KbS wird auch eingetragen, ob es sich um eine «echte» Altlast handelt oder nicht. In der Umgangssprache wird bei allen belasteten Standorten von «Altlasten» gesprochen. In der Altlastenverordnung [1] und im KbS wird der Begriff «Altlast» hingegen nur für einen kleinen Teil der belasteten Standorte verwendet: – Altlasten sind nur diejenigen belasteten Standorte, die zu gravierenden Einwirkungen auf die Umwelt (z. B. das Grundwasser) führen. Bei diesen «echten» Altlasten besteht unabhängig von Bauvorhaben ein Sanierungsbedarf. Dieser Fall ist allerdings selten: Weniger als 10 % der belasteten Standorte sind sanierungsbedürftig. [2] – Bei Belastungen mit geringen Einwirkungen auf die Umwelt spricht die Altlastenverordnung von belasteten Standorten mit Überwachungsbedarf. – In den meisten Fällen im KbS handelt es sich jedoch um belastete Standorte ohne Sanierungs- oder Überwachungsbedarf (oft etwas unpräzise als «Bauherren-Altlasten» bezeichnet). Da in diesen Fällen keine akute Gefährdung für die Umwelt (z. B. das Grundwasser) besteht, sind Massnahmen erst bei einem Bauvorhaben notwendig. Dann können allerdings hohe Kosten für die Entsorgung des baubedingt notwendigen Aushubs anfallen.

Belastete Standorte ohne Sanierungsbedarf

Im Umgang mit Bauprojekten auf eingetragenen Arealen ist ein stufenweises Vorgehen sinnvoll. Ein Eintrag im KbS bedeutet nicht zwingend, dass es sich beim betroffenen Areal tatsächlich um einen belasteten Standort handelt. Ein KbS-Eintrag durch den Kanton erfolgt bei «grosser Wahrscheinlichkeit», dass eine Belastung vorliegt. Bestehen Zweifel, ist es empfehlenswert, in einem ersten Schritt abzuklären, ob der Eintrag überhaupt gerechtfertigt ist. Falls sich der Standort als unbelastet und somit der Eintrag als falsch erweist, kann sich der Bauherr die entsprechenden Untersuchungskosten vom Kanton rückerstatten lassen. [3] Handelt es sich beim betrachteten Areal tatsächlich um einen belasteten Standort, jedoch ohne Überwachungs- oder Sanierungsbedarf, muss erst bei einem Bauprojekt geklärt werden, ob Aushub im belasteten Bereich anfällt oder nicht. Fällt belasteter Aushub an, ist dieser gemäss geltendem Abfallrecht zu entsorgen. [4, 5, 6] Dabei können beträchtliche Mehrkosten anfallen.

Liegt ein Bauvorhaben auf einem belasteten Standort vor, ist daher dringend anzuraten, vor Planungsbeginn die Belastungssituation und damit allenfalls anfallende Zusatzkosten abzuklären. Die Umweltbehörde verlangt für Vorhaben auf belasteten Standorten ohne Überwachungs- oder Sanierungsbedarf nur minimale Abklärungen,verlässliche Prognosen zu Mengen und Kostenfolgen werden nicht verlangt. Daher muss die Bauherrschaft bzw. die Bauherrenvertretung selbst entscheiden, welche Planungssicherheit für das Projekt angestrebt werden soll. Die Untersuchungsgenauigkeit richtet sich nach dem Sicherheitsanspruch oder eben nach der Risikobereitschaft der Bauherrschaft. Bei hoher Risikotoleranz wird vor der Ausführung in der Regel nur wenig untersucht. Damit werden die Untersuchungskosten tief gehalten; allerdings wird damit ein höheres Risiko für die später auftretenden Kosten in Kauf genommen (Bild 3). Dieses Vorgehen kann sinnvoll sein bei Bauvorhaben auf eigenen Grundstücken zum Eigenbedarf. Bei tiefer Risikotoleranz, insbesondere bei Verkaufsobjekten, versucht man, die Kostenrisiken durch gezielte Untersuchungen in den Verdachtsbereichen einzugrenzen. In diesem Fall lohnt sich ein höherer Untersuchungsaufwand, da die Untersuchungskosten mit grosser Wahrscheinlichkeit tiefer sein werden als der zusätzliche «Minderwert», den der Käufer geltend macht, wenn er zu wenig über die Belastungssituation weiss.

Vor Baubeginn müssen die Bauverantwortlichen das Dekontaminationsziel (umgangssprachlich: «Sanierungsziel») festlegen. Wollen sie alle belasteten Materialen vom Grundstück entfernen (Totaldekontamination) oder nur den baubedingt notwendigen Aushub tätigen (Teildekontamination)? Die Behörde macht bei belasteten Standorten ohne Überwachungsund Sanierungsbedarf keine entsprechenden Vorgaben; die Bauherrschaft kann frei wählen. Eine Totaldekontamination ist immer teurer, sie ermöglicht aber die anschliessende Entlassung der Parzelle aus dem KbS. Dies kann bei einem Verkauf der ganzen Liegenschaft oder beim Verkauf von Wohneigentum von Vorteil sein. Die bessere Verkäuflichkeit rechtfertigt in diesem Falle den Mehraufwand für die Totaldekontamination. Bei Eigenbedarf oder bei einer Vermietung ist dieser «psychologisch begründete Minderwert» in der Regel weniger ein Problem, die günstigere Teildekontamination ist hier sinnvoller.

Belastete Standorte mit Sanierungsbedarf

Auf Arealen mit Sanierungsbedarf (also bei den «echten» Altlasten) sind Sanierungsmassnahmen auch dann durchzuführen, wenn kein Bauvorhaben vorliegt. Ist ein Bauvorhaben auf einer sanierungsbedürftigen Altlast geplant, so sollte das zu erstellende Sanierungsprojekt [1] sinnvollerweise mit dem Bauvorhaben koordiniert werden. Eine Baubewilligung durch die zuständige Behörde wird erst nach dem Vorliegen einer Genehmigung des Sanierungsprojektes erteilt.

Als Sanierungsziel verlangt die Altlastenverordnung nicht, dass die Schadstoffe notwendigerweise vom Standort zu entfernen sind. Es gilt das Prinzip des nachhaltigen Quellenstopps. Die Ziele der Sanierung können mit Massnahmen erreicht werden, mit denen: – die Schadstoffe beseitigt werden (Dekontamination) – die Ausbreitung der Schadstoffe verhindert und überwacht wird (Sicherung) – die Nutzung bei Bodenbelastungen eingeschränkt wird (Nutzungseinschränkung) [2] (Bild 2)

Für jede Altlast sind unter Berücksichtigung obiger Rahmenbedingungen zahlreiche Sanierungsvarianten denkbar. Dazu gehören Dekontaminationsmassnahmen wie Bodenluftabsaugungen und «Pump and treat»-Verfahren, Sicherungsmassnahmen wie Oberflächenabdichtungen, Spundwände und Dichtwände oder Nutzungseinschränkungen (z. B. kein Spielplatz auf einer stark belasteten Rasenfläche). Viele der theoretisch denkbaren Varianten sind im konkreten Einzelfall jedoch technisch sehr aufwendig, wenig wirksam oder sehr teuer. Für die Auswahl der ökologisch und ökonomisch optimalen Sanierungsversion werden die Varianten daher nach verschiedenen Beurteilungskriterien wie Machbarkeit, Wirksamkeit und Kosten bewertet.

Kostenrisiko und Kostenoptimierung

Späte oder ungenügende Altlastenabklärungen führen häufig zu terminlichen Verzögerungen bei der Projektabwicklung und damit zu Mehrkosten. Es ist deshalb frühzeitig sicherzustellen, dass die für die Erteilung der Baubewilligung und Baufreigabe notwendigen Nachweise, Untersuchungen und Konzepte vorliegen.

Bei der anschliessenden Ausführung stellen die Entsorgung von Aushub und / oder Sanierungsmassnahmen bei «echten» Altlasten erhebliche Kostenrisiken dar. Zur besseren Abschätzung der zu erwartenden Kostenfolgen empfehlen sich unter Umständen detailliertere Untersuchungen. Bei frühzeitigem Einbezug der Belastungssituation in die Planung eines Bauprojekts sind durchaus Möglichkeiten zur Kostenoptimierung gegeben: – Planung einer Baugrube möglichst ausserhalb des belasteten Bereichs – Verzicht auf ein Untergeschoss, z. B. Verlegung der Haustechnik auf das Gebäudedach – Teil- statt Totaldekontamination anstreben (nur baubedingt notwendigen Aushub tätigen) – Ausführung einer Sicherung anstelle einer Sanierung bei «echten» Altlasten – Professionelle Ausschreibung und Kontrolle der Entsorger durch geschulte Altlastenfachperson – Keine Pauschalvergaben von Aushub und Entsorgung in belasteten Bereichen (Pauschalen enthalten immer einen Risikozuschlag und sind bei unerwarteten Belastungen sowieso hinfällig) – Gute Triage (Trennung von belastetem und unbelastetem Material) mit gut instruiertem Baustellenpersonal – Schwach belastetes Material (T-Material4) vor Ort wieder einbauen (Areal bleibt dann jedoch im KbS verzeichnet) – Frühzeitig (vor Vertragsunterzeichnung) alle umwelt- und privatrechtlichen Rahmenbedingungen abklären. – Regress nehmen auf die ursprünglichen Verursacher der Belastung; wenn diese nicht mehr greifbar sind, muss der Kanton die Ausfallhaftung übernehmen.

Ein starres, standardisiertes Vorgehen ist dabei wenig sinnvoll; jedes Projekt stellt eine neue Herausforderung für Bauherren und Altlastenfachpersonen dar.

[Rita Hermanns Stengele, Dr. sc. techn. ETH / SIA, Dipl.-Ing.
Bauingenieurin, Friedlipartner AG, Zürich

Daniel Bürgi, dipl. Natw. ETH, NDS BWI ETH,
Umweltnaturwissenschafter, Friedlipartner AG, Zürich]

Anmerkungen / Literatur
[1] Bundesrat: Verordnung über die Sanierung von belasteten Standorten, Altlasten-Verordnung (AltlV). Bern, 1998
[2] Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal, heute Bafu): Altlasten: erfassen, bewerten, sanieren. Bern, 2001
[3] Bundesrat: Bundesgesetz über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG). Bern, 2006
[4] Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal, heute Bafu): Richtlinie für die Verwertung, Behandlung und Ablagerung von mineralischem Aushub-, Abraum- und Ausbruchmaterial (Aushubrichtlinie AHR). Bern, 1999
[5] Bundesrat: Technische Verordnung über Abfälle (TVA). Bern, 1990
[6] Bundesrat: Verordnung über den Verkehr mit Abfällen (VeVA). Bern, 2005

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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