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TEC21 2010|09
Vertikalgrün
TEC21 2010|09
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Klein, grün, Hoffnungsträger

Energieversorger und Ölkonzerne interessieren sich seit einigen Jahren vermehrt für Algen. Der Grund: Algen sind hocheffiziente und gleichzeitig sehr genügsame Produzenten von Biomasse, aus der Biotreibstoffe gewonnen werden können. Gleichzeitig binden sie bei ihrem Wachstum das Treibhausgas CO2. Noch ist die Technologie aber im Forschungsstadium, und es ist schwer abschätzbar, welchen Beitrag sie dereinst zur Senkung der CO2-Emissionen und zum Ersatz fossiler Treibstoffe leisten könnte.

26. Februar 2010 - Claudia Carle
Algen sind die ältesten Pflanzen unseres Planeten. Für ihr Wachstum benötigen sie Sonnenlicht, CO2, Wasser und Nährstoffe und produzieren daraus mittels Fotosynthese Sauerstoff und Biomasse. Von der auf über 400 000 Arten geschätzten Vielfalt an Algen, die von einoder mehrzelligen Mikroalgen bis hin zu baumgrossen Makroalgen reicht, wird bisher nur ein Bruchteil industriell genutzt. Eingesetzt werden Algen zum Beispiel zur Gewinnung von pharmazeutischen Wirkstoffen, von Nahrungsergänzungsmitteln, für Kosmetika, aber auch als Futter- und Düngemittel. Ins Rampenlicht gerückt sind Algen in letzter Zeit vor allem, weil sie das Treibhausgas CO2 binden und sich aus ölbildenden Algenarten Biodiesel gewinnen lässt. Während die bisher gebräuchlichen Biotreibstoffe unter anderem wegen der Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion kritisiert werden, sind Algen sehr genügsam: Sie können auf landwirtschaftlich nicht nutzbaren Flächen kultiviert werden, gedeihen auch in Salz- oder Abwasser und produzieren zudem mehr Biomasse und binden mehr CO2 als landwirtschaftliche Kulturen oder Wälder.

Die Idee zur Herstellung von Biotreibstoff aus Algen ist nicht neu. Schon 1978 wurden in den USA im Rahmen eines Förderprogramms des Energieministeriums Mikroalgen als erneuerbare Energiequelle für die Biodiesel-Produktion untersucht. Nach Abschluss des Programms 1996 kam man zum Schluss, dass die Nutzung von Algen aufgrund niedriger Rohölpreise und aufwendiger Verfahren zur Kultivierung und Ölextraktion aus der Algenbiomasse nicht rentabel sei. Steigende Ölpreise haben nun aber das Interesse an dieser Technologie wieder geweckt und lassen Gelder in zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsprojekte fliessen. So gab Mitte letzten Jahres beispielsweise der Ölkonzern Exxon Mobil bekannt, dass er 600 Mio. Dollar in die Erforschung und Entwicklung von Biotreibstoffen aus Algen investieren wird. Der zunehmende politische Druck zur Reduktion von Treibhausgasen macht Algenkulturen auch für Kraftwerkbetreiber interessant. So gibt es in Deutschland eine ganze Reihe von Pilotprojekten, bei denen Energieversorger mit Forschungsgruppen zusammenarbeiten.

Algendiesel: Energieaufwendig und teuer

Während man in den USA und in Asien Algen vor allem in offenen Becken züchtet, begann man in Deutschland mit der Entwicklung geschlossener Systeme. Diese Fotobioreaktoren in Form von Röhren (Abb. 1), Schläuchen oder flachen Platten (Abb. 2) aus Glas oder transparentem Kunststoff haben den Vorteil, dass sie aufgrund der grösseren Oberfläche eine deutlich höhere Produktivität aufweisen als offene Becken. Zudem sind die Wachstumsbedingungen besser kontrollierbar. Dafür sind neben den Investitions- auch die Betriebskosten wesentlich höher: Die Algensuppe in den Reaktoren muss mit Dünger und CO2 versorgt und durchmischt und der Sauerstoff muss abgeführt werden. Auch die Ernte der Algen ist aufwendig, da die verwendeten Mikroalgen so klein sind, dass sie nicht sedimentieren und daher herausgefiltert oder zentrifugiert und anschliessend getrocknet werden müssen. Zudem ist die Ausbeute sehr gering – zwischen 0.5 und 3 g Algentrockensubstanz pro Liter.

Für die Gewinnung des Algenöls ist ein weiterer Verfahrensschritt notwendig, der aber noch im Forschungsstadium ist. Das Öl kann z.B. durch Abpressen oder durch chemische Extraktion gewonnen werden. Erschwerend kommt bei der Ölproduktion mit Algen hinzu, dass optimale Wachstumsbedingungen zwar zu grossen Mengen an Algenbiomasse führen, allerdings mit geringen Ölgehalten. Denn Öl bilden die Algen als Speichermedium, wenn Stressbedingungen wie Nährstoff- oder Lichtmangel das Zellenwachstum begrenzen. Theoretisch mögliche Ölgehalte von bis zu 70 % sind daher bei schnellem Algenwachstum nicht erreichbar.

Eine aktuelle Ökobilanz-Studie[1] kommt zum Schluss, dass der Energieaufwand zur Herstellung in der Regel grösser ist als der Energieinhalt des produzierten Treibstoffs. Nur unter Annahme optimaler Bedingungen liegen sie etwa in der gleichen Grössenordnung. Das Hauptproblem liege aber bei den derzeit viel zu hohen Kosten für die Herstellung der Algentreibstoffe, meint Rainer Zah von der Empa, der im Rahmen einer Studie zu Biotreibstoffen[2] auch die zukünftige Bedeutung von Algen analysiert. Er schätze daher das Potenzial von Algentreibstoffen in den nächsten 20 Jahren als klein ein.

Ute Ackermann vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hält den Anspruch, zum jetzigen Zeitpunkt die Effizienz von Algen zur Treibstoffherstellung zu beurteilen, für verfrüht. Auch die Entwicklung von herkömmlichen Kraftstoffen auf Rohölbasis habe Jahrzehnte in Anspruch genommen. In der Forschung gehe es im Moment vor allem darum, die Algenreaktoren so weiterzuentwickeln, dass möglichst effizient grosse Mengen an Algenbiomasse produziert werden können. Am KIT untersucht man zum Beispiel die Lichtintensitäten im Reaktor, um die Lichtversorgung der Algen optimieren zu können. Die Optimierung der Produktion auf das gewünschte Endprodukt hin – beispielsweise das Algenöl – sei erst der zweite Schritt, den es anzugehen gelte. Im Moment gelinge der Markteintritt mit der Algenkultivierung nur bei einer Kaskadennutzung, betont Ackermann. Das heisst, man produziert primär hochpreisige Wirkstoffe beispielsweise für die Pharma-, Kosmetik- oder Nahrungsmittelindustrie und kann die übrigbleibende Algenbiomasse energetisch nutzen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten: Mittelfristig könnte dies laut Ackermann über die Produktion von Biodiesel geschehen. Einfacher sei momentan die Vergärung der Algen in einer Biogasanlage. Der Kohlenhydratanteil der Biomasse kann aber auch zu Ethanol umgesetzt werden.

Bei der Nutzung von Algen zur Bindung von CO2 ist man noch weiter von einem signifikanten Beitrag entfernt als bei den Algentreibstoffen. Da Algen mit hohen CO2-Konzentrationen besser wachsen, lassen sich CO2-Emissionen aus Verbrennungsprozessen, beispielsweise von Kohlekraftwerken, nutzen. Die CO2-Mengen, die von den derzeitigen Algenreaktoren gebunden werden können, sind allerdings relativ gering. Eine der wenigen kommerziellen Anlagen zur Algenkultivierung in Reaktoren, die es bisher gibt, liegt im deutschen Ort Klötze (Sachsen- Anhalt). Sie ist 1.2 ha gross und kann laut eigenen Angaben unter optimalen Bedingungen 130 t CO2 pro Jahr binden. Deutsche Kohlekraftwerke emittieren demgegenüber je nach Grösse zwischen 2 und 27 Mio. t CO2 pro Jahr. Um die gesamten Emissionen eines solchen Kraftwerks zu binden, müsste man also riesige Flächen mit Algenreaktoren bestücken.


Anmerkungen:
[01] L. Lardon et al.: Life-Cycle Assessment of Biodiesel Production from Microalgae. Environmental Science & Technology Vol. 43, No. 17, 2009
[02] R. Zah, C.R. Binder, S. Bringezu et al.: TA-SWISS report «Future Perspectives of 2nd Generation Biofuels», erscheint ca. Juni 2010

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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