Zeitschrift

TEC21 2010|42-43
Meteorologisch bauen
TEC21 2010|42-43
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
«[...] das Winterzimmer [...] wo wir dank dem die ganze Nacht hindurch unterhaltenen Kaminfeuer in einem grossen Mantel aus warmer, rauchiger Luft schlafen, durch den der Schein frisch aufflammender Scheite dringt, in einer Art von ungreifbarem Alkoven, von warmer Höhle, die sich im Inneren des Zimmers auftut, einer heissen Zone mit veränderlichen thermischen Konturen, durchzogen von Luftzügen, die uns das Gesicht erfrischen und aus den Ecken kommen, von Stellen nahe dem Fenster oder fern vom Feuer, die sich schon abgekühlt haben; [...].»

Marcel Prousts Beschreibung der klimatischen Atmosphäre evoziert auch die Stimmung, die in dem Raum der Kindheit herrschte. Die Höhle vermittelt ein Gefühl des vor der Unbill der Natur Geschütztseins. Damals wurde im Haus geheizt, und ausserhalb herrschte die natürliche Temperatur. Heute erwärmen wir auch die Umgebung, die Erdatmosphäre, sodass Peter Sloterdjik konstatiert, der ganze Planet sei ein Innenraum geworden – ebenso künstlich wie jener. Der Architekt Philippe Rahm will den Prozess umkehren, den Innenraum natürlicher machen als die Umgebung.

Im Brandfall einen Wirbelsturm zu verursachen ist eine Extremform dieser Idee («Rettender Wirbelsturm»). Mittels Luftströmungssimulationen wird bei der Planung der Haustechnik die Natur in gewisser Weise nachgeahmt («Haustechnik beeinflusst Architektur»). Das Ziel von Philippe Rahm ist es, Temperatur, Licht, Feuchtigkeit als «Baustoffe» zu verwenden. Er konzipiert Räume so, dass sie zu meteorologischen Atmosphären, zu fühlbaren Wetterkarten mutieren. Ihre Bewohner sollen sich zwischen verschiedenen Klimazonen bewegen, zwischen «Kontinenten» migrieren («Form und Funktion folgen dem Klima»). Das klingt wie die Renaissance des Garten Eden. Doch unsere Körper dem Einfluss unsichtbarer Elemente auszusetzen, die fremdgesteuert werden können, birgt auch Gefahren. Ákos Moravánszky («Meteorologische Architektur») hat sie an einem Vortrag Rahms an der ETH Zürich benannt: Die Dichotomie zwischen hedonistisch und medizinisch, zwischen der Freiheit des Garten Eden und der totalen Kontrolle über unsere Körper evoziert die Parabel von Dr. Jekyll und Mr. Hyde.
Rahel Hartmann Schweizer

05 WETTBEWERBE
Klanghaus Toggenburg

08 PERSÖNLICH
Rolf Schneider: «Tanz ist ein biomechanischer Prozess»

10 MAGAZIN
Viele Träume und einige Fragen | Poesie des Baugespanns | Die Krise macht Sinn

18 METEOROLOGISCHE ARCHITEKTUR
Ákos Moravánszky Wegen der Klimaerwärmung bauen Architekten meteorologische Atmosphären: Umwelt nicht mehr nur zum Betrachten, sondern zum Einatmen.

21 RETTENDER WIRBELSTURM
Rüdiger Detzer Für das Mercedes-Benz -Museum in Stuttgart entwickelten die Ingenieure ein Entrauchungskonzept, das im Brandfall einen Wirbelsturm erzeugt.

24 HAUSTECHNIK BEEINFLUSST ARCHITEKTUR
Kurt Hildebrand Eine thermische und strömungstechnische Gebäudesimulation erlaubt, das «Verhalten» eines Gebäudes vorausschauend zu beurteilen.

26 FORM UND FUNKTION FOLGEN DEM KLIMA
Rahel Hartmann Schweizer Philippe Rahm proklamiert die meteorologische Architektur. Mit den «Materialien» Temperatur, Licht und Feuch-tigkeit kreiert er Atmosphären.

33 SIA
Nachhaltige Raumplanung? | Neuer Rahmenlehrplan Bauplanung | Andreas Flury: «Fachkompetenz allein genügt nicht» | Ingenieurtage 2010 | Aktuelle Kurse SIA-Form

39 PRODUKTE

45 IMPRESSUM

46 VERANSTALTUNGEN

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Verlags-AG der akademischen technischen Vereine

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