Zeitschrift

TEC21 2011|09
Holz gestrickt
TEC21 2011|09
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
«Es war einmal ein Lattenzaun / mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.
Ein Architekt, der dieses sah / stand eines Abends plötzlich da –
und nahm den Zwischenraum heraus / und baute draus ein grosses Haus.
Der Zaun indessen stand ganz dumm / mit Latten ohne was herum,
Ein Anblick grässlich und gemein. / Drum zog ihn der Senat auch ein.
Der Architekt jedoch entfloh / nach Afri – od – Ameriko.»

Im Gedicht «Der Lattenzaun» formulierte Christian Morgenstern (1871–1914) in ironischer Form sein Unbehagen gegenüber dem «Verschwinden der Wand» in der Architektur. Ausgelöst wurde dieses Unbehagen durch die konstruktiven Möglichkeiten, die die industriell produzierten neuen Baustoffe Stahl, Glas und Stahlbeton gegenüber den traditionellen Bauweisen in Holz und Mauerwerk bieten, um Tragkonstruktionen leichter, transparenter zu gestalten, im Sinne Morgensterns also, um «ein grosses Haus aus dem Zwischenraum zu bauen».

Architektur und Ingenieurkunst bewegen sich seither im Spannungsfeld zwischen, um in Morgensterns Bild zu bleiben, den «Latten ohne was herum», also der massiven Wand, und dem «Zwischen-raum, hindurchzuschaun», der filigranen, transparent wirkenden Tragkonstruktion. Morgensterns Bild des Lattenzauns legt es nahe, dieses Spannungsfeld anhand von Beispielen aus dem aktuellen Holzbau zu illustrieren. TEC21 stellt deshalb in dieser Ausgabe Holzbauwerke mit sehr unterschiedlichen Anteilen von Baustoff und «Zwischenraum» vor.

Als «Lattenzaun» mit grossen, nach oben grösser werdenden Zwischenräumen erscheint der Jübergturm, ein Aussichtsturm in der deutschen Stadt Hemer («Stäbeschar»). Die grossmaschige Netzstruktur der Turmwand beruht auf der ursprünglich für stählerne Masten entwickelten Bauweise des russischen Konstrukteurs V. G. Suchov und verleiht dem Turm eine semitransparente, luftige Erscheinung.

Viel kürzer, gedrungener und horizontal übereinandergeschichtet sind die «Latten», besser Balken, die den igluartigen Ausstellungspavillon «Net no Mori» im japanischen Hakone bilden («Jenga für Fortgeschrittene»). Trotz der massiven, fast urzeitlichen Erscheinung ist das scheinbar regellos aufgetürmte Haufwerk dank den grosszügigen Zwischenräumen überraschend durchlässig und transparent.

Keine Zwischenräume gibt es zwischen den Latten bzw. Brettern, aus denen die Wände des Werkhofs der Gemeinden Bonaduz und Rhäzuns aufgebaut sind («Vertikale Fügung»). Die Fassaden dieser an sich unspektakulären, aber sorgfältig gestalteten Gebäude sind in traditioneller, unorthodox interpretierter Holzbauweise erstellt.
Wiederum ein Zaun ist das Küssnachter Strandbad Seeburg (vgl. »Magazin»). Vertikale Holzlamellen filtern den Durchblick, schräge Stützen gewähren dazwischen freie Sicht.
Aldo Rota

05 WETTBEWERBE
Sportzentrum, Neufeld Bern | Baufeld 2, Bern Brünnen | Werkhof Küssnacht | Watt d’Or 2011

12 MAGAZIN
Abweichung von der Regel | Chamäleon und Tausendfüssler | Bücher

22 STÄBESCHAR
Christian Holl Der nach den Prinzipien des russischen Konstrukteurs V. G. Suchov entworfene hölzerne Aussichtsturm ist das neue Wahrzei-chen der deutschen Stadt Hemer.

26 JENGA FÜR FORTGESCHRITTENE
Claudia Hildner Im japanischen Hakone Air Museum spannt ein luftiger Pavillon aus Holzbalken von Tezuka Architects die Installation eines begehbaren, bunten Nylonnetzes auf.

32 VERTIKALE FÜGUNG
Markus Schmid Eine einschalige Gebäudehülle aus einheimischem Holz prägt den im letzten Jahr erstellten gemeinsamen Werkhof der Ge-meinden Bonaduz und Rhäzüns.

37 SIA
Austausch im CAD-Datenmeer | Weitere Kurse SIA-Form | Zusätzliche Leistungen | Reisen und Exkursionen A&K

43 FIRMEN

53 IMPRESSUM

54 VERANSTALTUNGEN

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