Zeitschrift

TEC21 2011|15
Normiert und präzisiert
TEC21 2011|15
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Bauwerk in Bewegung

Gebäude bewegen sich, erfahren Setzungen, Stauchungen und werden durch Wind oder Erdbeben in Schwingungen versetzt. Je höher das Gebäude, desto stärker machen sich diese Bewegungen bemerkbar. Sie spielten auch beim Bau des Mobimo Towers in Zürich West eine zentrale Rolle. Um eine präzise Ausführung und eine sichere Umsetzung der planerischen Arbeit zu gewähren, berechneten und simulierten die Bauingenieure von Basler & Hofmann die Bewegungen akribisch und überprüften sie im Bauzustand kontinuierlich.

Bereits während der Bauzeit führen die grossen Eigenlasten von Hochhäusern zu Setzungen, Verkippungen und Stauchungen der Tragelemente. Ausserdem versetzen äussere Kräfte aus Wind und Erdbeben das Bauwerk in Schwingungen. Die Herausforderung für die Planenden besteht für solche Bauwerke darin, diese Bewegungen möglichst exakt zu prognostizieren und zu kontrollieren. Denn die Bewegungen können die Gebrauchstauglichkeit des Gebäudes zum Beispiel durch unzulässige Verformungen der Decken beeinträchtigen, und für die Tragsicherheit sind sie insofern relevant, als sie übermässige Zwangsbeanspruchungen in den Geschossdecken und der Bodenplatte verursachen können. Es stellen sich bei der Planung von Hochhäusern im Speziellen Fragen wie: Auf welche Weise interagieren Untergrund und Fundation unter der grossen Belastung? Wie stark werden die vertikalen Tragwerkelemente gestaucht? Welche Eigenschwingung zeigt das Gebäude? Und wie gross ist die Kopfbeschleunigung in den oberen Stockwerken?

Projektierende Ingenieure berechnen und simulieren die Bewegungen im Vorfeld. Doch erst in der Bauphase können die Prognosen überprüft und allfällige Korrekturen am Bauwerk vorgenommen werden. Den Überwachungsmessungen und Baukontrollen kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu. Auch bei den vor Ort durchgeführten Vermessungsarbeiten müssen die Gebäudebewegungen berücksichtigt werden, um Messfehler auszuschliessen. Die Ingenieure von Basler & Hofmann führten auch am 80 Meter hohen Mobimo Tower im Stadtteil Zürich West – er wird Mitte 2011 eröffnet – ebendiese erforderlichen Überwachungsmessungen und Baukontrollen bereits während der Bauphase durch.

Setzungen bereits während der Ausführung

Der Mobimo Tower ruht auf einer 30 bis 40 m mächtigen Schicht aus Limmatschotter. Die Fundation für das 65 000 t schwere Bauwerk besteht aus einer kombinierten Pfahl-Platten- Gründung mit einer 1.50 m starken Bodenplatte und 16 etwa 20 m langen, schwimmenden Bohrpfählen. Rund 40 % der Gebäudelast werden über Pfähle in den Untergrund abgetragen – dies haben Gleitmikrometermessungen an drei Pfählen bestätigt. Die restliche Gebäudelast trägt die Bodenplatte flach in den Schotter ab.

Die Ingenieure berechneten mit der Finite-Elemente-Methode (FEM) eine mittlere Setzung für das Gesamtgebäude von etwa 50 mm und eine maximale im besonders belasteten Innenbereich von 65 mm (Abb. 7). Gegenüber den angrenzenden Erweiterungsbauten, die zeitgleich im Bau sind (Abb. 5), war mit einer Setzungsdifferenz von 20 mm zu rechnen. Der komplette Turm wurde deshalb ab Bodenplatte um 20 mm höher als die Sollkote gebaut. Während des Rohbaus bis zum 14. Obergeschoss musste mit den markantesten Setzungen gerechnet werden – etwa 50 % der gesamthaft prognostizierten. Deshalb war das Hochhaus ab Unterkante Bodenplatte bis Erdgeschoss vorerst von der benachbarten Parkgarage mit einer Setzungsgasse entkoppelt. Erst als sich ewa 90 % der Setzungen eingestellt hatten, wurde die Gasse zubetoniert.

Differenzielle Stauchung der Tragelemente

Neben der Setzung spielt die Stauchung der vertikalen Tragelemente eine zentrale Rolle für die Planung und Ausführung des Tragwerks. Die mit dem Baufortschritt zunehmende Last staucht den Kern aus 50 cm starken Ortbetonwänden, die vorfabrizierten Betoninnenstützen und die tragende Fassade mit den Betonaussenstützen. Am stärksten werden die Innenstützen belastet und verformt (Abb. 6). Um die differenzielle Stauchung und Setzung gegenüber anderen Bauteilen auszugleichen und um ein unzulässiges Deckengefälle in den Innenräumen zu verhindern – der Bemessung wurden die Werte für die Gebrauchstauglichkeit nach SIA-Norm 260 zugrunde gelegt –, sind die Innenstützen ab dem zweiten Stockwerk um 10 mm überhöht eingebaut worden.

Verschiebung der Fassadenelemente

Da sich ein Hochhaus nicht nur während des Baus, sondern auch nach der Fertigstellung infolge Windeinwirkung bewegt, darf die Fassade nicht steif wie ein Panzer sein – sie muss die Bewegung mitmachen können. Die errechnete Auslenkung infolge von Wind bestimmte beim Mobimo Tower die minimal mögliche Fugenbreite zwischen den Natursteinplatten, damit diese bei starkem Wind nicht gegeneinanderstossen, was zu Schäden an den Fassadenplatten führen würde. Die Fuge ist mit 8 mm Stärke über alle Stockwerke konstant, wobei sie in den unteren drei aus ästhetischen Gründen dauerelastisch verfugt und oben offen belassen ist. Entsprechend präzise muss die Fassade abgesteckt und montiert sowie die Deformation der Decken berücksichtigt werden.

Im Windkanal prüfen

Damit sich die künftigen Nutzerinnen und Nutzer im Hochhaus wohlfühlen, darf das Gebäude nicht zu sehr im Wind schwanken. Um diese Schwankungen abzuschätzen, bestimmten die Ingenieure mit FEM die Eigenfrequenzen des Mobimo Towers: f1 = 0.4 Hz, f2 = 0.5 Hz, f3 = 0.52 Hz, f4 = 2.03 Hz. Grundsätzlich gibt es keine Normvorgaben, doch weiss man, dass tiefe Eigenfrequenzen bezüglich Windeinwirkung problematisch sind. Die im Windkanal durchgeführten Versuche bestätigten aber, dass der Turm wenig schwingungsanfällig ist. Mit den zusätzlich durchgeführten Geschwindigkeitsmessungen am Rohbau ermittelte man schliesslich die effektiven Eigenfrequenzen. Sie sind höher als prognostiziert, womit das Hochhaus weniger anfällig für dynamische Windeinwirkungen ist als vermutet.

Vermessung des Rohba us während ruhiger Stunden

Die Setzung der Bodenplatte sowie die Stauchung der vertikalen Tragelemente wurden mit jedem zweiten zusätzlichen Geschoss überprüft. Mittels Präzisionsnivellement vermassen die Ingenieure die Höhenkoten von insgesamt 16 Messpunkten bei den Kernwänden und Stützen. Die Stockwerkshöhen können wegen der Setzungen und Stauchungen nicht absolut über das Fixpunktnetz gemessen werden, da sich sonst die Raumhöhen veränderten. Die Vermessungsingenieure vermassen deshalb gegen einen sich mitbewegenden Fixpunkt auf der Bodenplatte des Bauwerks. Mit zunehmender Höhe galt es ausserdem, die Windeinwirkung zu berücksichtigen und die Vermessungsarbeiten in möglichst windstillen Phasen durchzuführen. Auch die Bauarbeiten setzen das Gebäude in Bewegung: Die am Bauwerk befestigten Krane führten zum Beispiel zu Auslenkungen der Gebäudeachse, und schwere Baugeräte verursachten Vibrationen. Die Vermessungsarbeiten liefen deshalb häufig in Randstunden, über den Mittag oder nachts. Bei der Interpretation der Messergebnisse spielt die Temperatur während der Vermessungsarbeiten eine entscheidende Rolle. Eine Temperaturdifferenz zwischen zwei Messungen von zum Beispiel 10 °C führt bei einem 80 m hohen Gebäude zu einer Differenz von 8 mm – was beim Mobimo Tower bereits etwa 25 % der gesamthaft prognostizierten Stauchungen der Innenstützen im obersten Geschoss bedeutet. Man zeichnete die Temperaturen deshalb während der Messungen auf. Ein weiterer Einflussfaktor sind Grundwasserbewegungen. Sie führen zu Setzungen oder zu Auftrieb und schlagen sich direkt in den Vermessungsergebnissen nieder. Bei der Interpretation der Ergebnisse müssen diese Einflüsse herausgefiltert werden.

Während die Stauchungen von Stützen und Wänden im erwarteten Bereich lagen, erwies sich der Untergrund als steifer, denn die effektive Setzung betrug nur rund ein Drittel der aufgrund der Bodenkennwerte berechneten Werte. Die Bodenplatte setzte sich beinahe gleichmässig mit einer maximalen Neigung von 1:3000. Es waren somit keine Ausgleichsmassnahmen nötig. Dennoch waren die präzisen und ausführlichen, aber in dem für dieses Bauwerk üblichen Rahmen liegenden Vermessungsarbeiten und Bodenuntersuchungen gerechtfertigt, denn aus diesen Anstrengungen resultiert die erreichte Ausführungsqualität.
Jörg Habenberger, Dr.-Ing., Fachbereich Hochbau Basler & Hofmann AG Zürich, Dorothée Braun, M.Sc., Unternehmenskommunikation Basler & Hofmann AG Zürich

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

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