Zeitschrift

TEC21 2011|16
Französisch Wohnen
TEC21 2011|16
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Frankreich zehrt vom Mythos, die Demokratie erfunden zu haben. Beim Bauen aber kennt es kaum Formen von Selbsthilfe, Mitsprache oder kollektiver Eigenverantwortung. Nur beim Einfamilienhaus ist Eigenbau verbreitet. Wohnbaugenossenschaften wie in der Schweiz, in denen Mitglieder ein weitgehendes Mitspracherecht haben, oder Bauprojekte selbstverwalteter Kulturzentren wie in Deutschland gibt es im Hexagon kaum. Kulturhäuser und bezahlbare Wohnungen erwartet man vielmehr vom Staat. Dieser tut denn auch viel. Er subventioniert etwa jede fünfte Wohnung im Land, und der König, pardon: der Präsident oder die Bürgermeister lassen berühmte Architekten bauen.

Die damit verbundenen Haltungen – passive Erwartung auf der einen Seite, paternalistisches Verordnen von technokratisch konzipierten, bürokratisch verwalteten und tausendfach angewandten architektonischen Grossformen auf der anderen Seite – geraten jedoch mehr und mehr in Widerspruch zum Gebot der Nachhaltigkeit. Denn diese verlangt eher angepasste, sensible, reversible und lokale Strategien, die das Wissen und die Erfahrungen der Benutzenden integrieren.

Umso erfreulicher sind die Entwicklungen, über die wir in dieser Ausgabe berichten können: Der soziale Wohnungsbau erlebt in Frankreich eine Blüte und zeigt neue ökologische und soziale Qualitäten. Zwei Ausstellungen in Paris haben uns zu einem Überblick über neue Tendenzen inspiriert.

Dann haben wir ein Projekt herausgepickt: Das Architekturbüro Lacaton & Vassal erneuert zusammen mit Frédéric Druot ein Hochhaus in Paris und lässt dabei die Bewohnerinnen und Bewohner mitplanen. Der Ansatz setzt auf Lowtech und soziale Kompetenz und könnte dem Umgang mit Wohnbauten der Nachkriegsmoderne einen neuen Impuls verleihen.

Den dritten Bericht verdanken wir Francesco Della Casa, der seit 1999 die Redaktion unserer französischsprachigen Schwesterzeitschrift «Tracés» in Lausanne leitet. Er verlässt uns Ende April, um seine neue Stelle als Genfer Kantonsarchitekt anzutreten. Der Beitrag «Le grand ensemble» ist sein journalistischer Abschiedsgruss an die Deutschschweiz. Dieser gilt Patrick Bouchain, dessen Schaffen er in «Tracés» seit Jahren begleitet hat. Der für seine Kulturbauten bekannte französische Architekt verfolgt einen radikal demokratischen Ansatz. Seine Baustellen sind Lebensorte: Hier wird gemeinsam geplant und gebaut, gekocht und gegessen, geprüft und bewilligt, gelernt und gefeiert. Am Ende ist die Siedlung erneuert, aber auch die Gemeinschaft, die sie bewohnt. Das ist Nachhaltigkeit, sagt Bouchain. – Das ist nun tatsächlich eine Erfindung aus Frankreich, finden wir.
Ruedi Weidmann

05 WETTBEWERBE
Neubau Schulanlage Blumfeld, Zürich | Hochhaus in Dietikon ZH | Hochhaus in Zürich Altstetten

12 PERSÖNLICH
Anthony B. Almeida: «Ein Architekt sollte Humanist sein»

15 MAGAZIN
Holzkörbe im Schwimmbad | Lektion aus Indien | Die Entdeckung der Nachhaltigkeit | Autarke Redaktionshütte

22 DIVERSITÉ D’HABITATION
Ruedi Weidmann Der Wohnungsbau erlebt in Frankreich eine Blüte als architektonisches Experimentierfeld des ökologischen und sozialen Stadtumbaus. Ein Überblick anhand zweier Ausstellungen.

26 UMBAUEN
STATT SPRENGEN
Ruedi Weidmann Moderne Grosssiedlungen würden besser erneuert statt ersetzt, finden Druot, Lacaton & Vassal. Am Hochhaus Bois le Prêtre machen sie vor, wie Nachkriegswohnungen grosszügig und umweltgerecht werden und dabei günstig bleiben.

30 LE GRAND ENSEMBLE
Francesco Della Casa Patrick Bouchain inszeniert Planen und Bauen als demokratischen und vergnüglichen Prozess. Nach zwanzig Kulturfabrik-Projekten überträgt er das Prinzip nun auf den Wohnungsbau.

38 SIA
Architekturwoche «15n» | Zukunftsperspektiven für die Welt | SIA 269 – aus Ingenieursicht | Beitritte zum SIA im 4. Quartal 2010 | Aktuelle Kurse SIA-Form

45 PRODUKTE

53 IMPRESSUM

54 VERANSTALTUNGEN

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Verlags-AG der akademischen technischen Vereine

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