Zeitschrift

TEC21 2011|27-28
Unter der Oberfläche
TEC21 2011|27-28
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Ordnung im Untergrund

Bei vielen Bauvorhaben endet der Planungshorizont an der Erdoberfläche. Für den Untergrund fehlen hingegen, mangels ausreichender Daten und Erfahrungen, meistens verbindliche Regeln. Seine Bedeutung als Träger von Infrastrukturen nimmt aber rasch zu. Deshalb ist die nachhaltige Planung der Nutzung des Untergrundes unabdingbar. Die Werkzeuge dazu sind geologische 3D-Modelle, die die erforderlichen Daten zur Verfügung stellen.

Der frei verfügbare Raum in urbanen Gebieten ist knapp. Deshalb werden Verkehrslinien und Infrastrukturen vermehrt in den Untergrund verlegt. Auch Gebäude wachsen nicht nur in die Höhe, sondern in zunehmendem Ausmass auch in die Tiefe. Die unterirdischen Nutzungen haben vielfache Auswirkungen auf den natürlichen Untergrund.

Wärme und unsichtbare Hindernisse im Boden

Bauen im Untergrund hat oft eine Wärmeabstrahlung zur Folge, die zu einer Erhöhung der Temperaturen im geologischen Untergrund bzw. zu einer Temperaturerhöhung im dort zirkulierenden Grundwasser führt. Dadurch kann ihr chemisches und biologisches Gleichgewicht gestört werden. In kiesigem Untergrund können je Kubikmeter bis über 200 Liter Wasser gespeichert werden.

Einbauten verringern das Speichervolumen und teilweise auch die Durchgängigkeit des Untergrunds für das Grundwasser. Für den Trinkwasserschutz sind diese Einwirkungen im Allgemeinen von untergeordneter Bedeutung. Hingegen führen sie zu unerwünschten Nebeneffekten, beispielsweise einer Umlenkung von Grundwasserströmen. Durch grössere Grundwasserspiegelabsenkungen bei Baustellen können zusätzlich Schadstoffe von Industriealtlasten oder Betriebsstandorten mobilisiert und unkontrolliert verfrachtet werden. Zudem wird dem Risiko von Geländeabsenkungen oder Tagbrüchen während der Bauphase mit Zementinjektionen begegnet. Dadurch entstehen, je nach Bauwerkgrösse, lokal bis regional irreversible Verringerungen der Porosität und der Durchlässigkeit des Untergrundes.

Interessenskonflikte und Unsicherheit im Untergrund

Während für die Planung an der Oberfläche raumplanerische Vorgaben existieren, herrscht im Untergrund «Anarchie».[1] Es gibt nur wenige Regeln für dessen Nutzung, die auch die gegenseitige Beeinflussung konkurrenzierender Nutzungen beinhalten. Dadurch sind Nutzungskonflikte vorprogrammiert. Ausserdem ist es immer noch weit verbreitete Praxis, dass bei Infrastrukturvorhaben im Untergrund nicht der Schutz der natürlichen Ressourcen, sondern das jeweilige Projekt im Vordergrund steht.

Das Fehlen von geeigneten Regeln kann zu nicht zu unterschätzenden Gefährdungen führen, so zum Beispiel beim Bau von untiefen Geothermieanlagen (Staufen D), beim Auftreten unterirdischer Salzlösung (Adlertunnel BL) oder durch Quellen von Gesteinen bei der Umwandlung von Anhydrit zu Gips wie beim Chienberg- und beim Belchentunnel (BL und SO). Um den Untergrund in nachhaltiger Weise zu nutzen, bedarf es einerseits der raumplanerischen Priorisierung von Verkehrs- und Versorgungslinien von nationaler bzw. internationaler Bedeutung gegenüber individuellen Eingriffen in den Untergrund durch Private. Andererseits ist dem Aufbau und den Besonderheiten des geologischen Untergrundes Rechnung zu tragen.

Die Kenntnis davon ermöglicht, unter Einbezug eines geologischen 3D-Modells als Werkzeug für die Planung, differenzierte Lösungen bei der Nutzung des Untergrundes. Ausgehend von solchen Überlegungen hat die Abteilung Angewandte und Umweltgeologie (AUG) der Universität Basel im Rahmen ihres Leistungsauftrags «Zusammenführen der geologischen Daten mit den beiden Kantonen BS und BL» bereits 1993 begonnen, lokale projektbezogene geologische 3D-Modelle aufzubauen. Seit 2008 läuft zudem ein im Rahmen des INTERREG-Programms unterstütztes Projekt («GeORG») zur Charakterisierung geologischer Potenziale auf der Basis eines 3D-Modells entlang des Oberrheins (Abb. 3, vgl. auch Kasten S. 20).

Dynamisches 3D-Modell als Werkzeug

Die Entwicklung eines dynamisch anpassbaren geologischen 3D-Modells als Werkzeug für eine problemorientierte 3D-Raumplanung bedingt eine grosse Flexibilität sowohl im Datenmanagement als auch in der 3D-Modellierung. Veränderungen der Datenlage, des Modellinhalts oder der Modellgrösse müssen verarbeitet werden können. Die Erstellung des 3DModells beruht auf einem neuen Konzept, das Datenbank, Geoinformationssystem (GIS) und 3D-Modellierung kombiniert.

Zu jedem Modellhorizont, in der Regel eine geologische Formation, existiert ein eigenes thematisches GIS-Projekt. In ihm werden alle Eingangsdatensätze und, nach Abschluss eines Modellierungsschrittes, auch die resultierende Horizontgeometrie verwaltet. Eng verknüpft sind diese GIS-Projekte mit einer Datenbank, die über 9 000 Bohrungen aus der Region beinhaltet. Schon Ende der 1980er-Jahre hatte man in Basel die Notwendigkeit einer Bohrdatenerfassung erkannt und für das Baugrundarchiv des Kantons Basel-Stadt sowie für Bohrungen aus Basel-Landschaft eine Datenbank entwickelt. Seit dem wird deren Inhalt, aber auch deren technische Ausführung kontinuierlich gepflegt und weiterentwickelt. Die Datenbank verfügt über speziell programmierte Exportmöglichkeiten, um die geologische Abfolge einer Bohrung als File für die 3D-Modellierung bereitzustellen. Dies erspart umständliche Formatanpassungen und verhindert Fehler und Datenverlust. Das eigentliche geologische 3D-Modell wird mittels der Softwareapplikation GOCAD (Geological Objects Computer Aided Design) erstellt (siehe Kasten S. 22).

Die Datenverwaltung in thematischen GIS-Projekten ermöglicht einen schnellen Vergleich von neuen Daten (beispielsweise Bohrungen) mit schon erstellten Modellhorizonten, um Abweichungen ersichtlich zu machen. Solche Abweichungen begründen sich nicht nur in der Qualität der modellierten Fläche, ihre Ursache kann auch mit der Qualität eines Eingangsdatensatzes (beispielsweise geologische Bohraufnahmen) zusammenhängen.

Anwendungen des geologischen 3D-Modells in der Region Basel

Der aktuelle Bearbeitungsstand des Modells der Region Basel (Abb. 2) beinhaltet 180 Verwerfungen und 17 geologische Horizonte bis in eine Tiefe von 6000 m. Aus diesem regionalen Modell wird je nach Fragestellung ein lokales Teilmodell extrahiert. In diesem einfach zu handhabenden Teilmodell können spezifische Probleme angesprochen werden. Ergebnisse werden anschliessend wieder in das regionale Modell integriert, wodurch das regionale 3D-Modell sukzessive weiterentwickelt wird.

Die Planungen zu einem Autobahntunnel im Basler Süden sind ein Beispiel für die Anwendung eines 3D-Modells. Im Zusammenhang mit den Vorabklärungen bei der Planung der Verbindung «Anschluss Margarethenstrasse – Anschluss St. Jakobsstrasse West» (A2-Abschnitt 7) wird die Linienführung eines neuen Tunnelbauwerks evaluiert, welches das Bahnareal und einen Teil des Gundeldinger Quartiers im Südwesten von Basel unterquert. Die Angewandte und Umweltgeologie an der Universität Basel hat mithilfe einer GOCADKonstruktion zuhanden des Hochbau- und Planungsamts Basel-Stadt die aktuellen geologischen, hydrologischen und geotechnischen Daten entlang der geplanten Trasse zusammengestellt.

Lokales Teilmodell für Basels Süden

Dazu wurde das 3D-Modell im Basler Süden aktualisiert und ein lokales Teilmodell (Abb. 4) extrahiert. Zusätzlich wurden der Grundwasserstand im Lockergestein als zusätzlicher Horizont integriert und ein geologisches Längsprofil (Abb. 5) sowie mehrere Querprofile (Abb. 6) wurden erstellt. Auf Basis dieses 3D-Modells konnte dargestellt werden, in welchem Abschnitt die Tunneltrasse im Grenzbereich der Locker- und Festgesteine bzw. im Grundwasser verläuft. Eine Recherche in der Datenbank und im Baugrundarchiv ermöglichte eine Kompilation der geotechnischen Eigenschaften der Gesteine entlang der Tunneltrasse. Das 3D-Modell lieferte zudem auch eine rasche Visualisierung der Lage von bestehenden Nutzungen (Grundwassernutzung und Erdwärmesonden). Damit liessen sich insbesondere auch potenzielle Nutzungskonflikte zwischen Verkehrswegen und Anlagen zur Energiegewinnung frühzeitig erkennen.


Anmerkung:
[01] Tages-Anzeiger, 29.4.2011, S. 3 «Der Bund arbeitet an Regeln gegen die Anarchie unter der Erdoberfläche»

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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